Die Görlitzer Stadtwerke hatten ein scheinbar sicheres Geschäft. Strom, Gas, Wasser – elementare Dinge des Lebens bezogen die Görlitzer seit Dezember 1990 bei ihrem, anfangs ausschließlich kommunalen Versorger. Andere Anbieter gab es ja nicht, und per Gesetz war auch jede Konkurrenz ausgeschlossen.
Das hat sich grundlegend geändert. Stromanbieter gibt es wie Sand am Meer, mit einer unüberschaubaren Fülle an Vertragsangeboten. Beim Gas ist es ganz ähnlich. Nur das Wasser müssen die Görlitzer auch weiterhin bei den Stadtwerken kaufen, die mittlerweile mehrheitlich dem französischen Veolia-Unternehmen gehören.
Für das Unternehmen, das nach der politischen Wende von Oberbürgermeister Matthias Lechner und dem ersten Geschäftsführer Hartmut Gottschling gegründet und aufgebaut wurde und jetzt auf sein 30-jähriges Bestehen zurückblicken kann, heißt das seit Jahren, neue Geschäftsfelder aufbauen und aktiver als bislang um den Kunden werben.
Das eint die Stadtwerke mit der SZ – auch wenn es eine ganz andere Branche ist. Doch von der ursprünglichen Absicht, dass der Versorger auch Minusgeschäfte wie den Nahverkehr mitfinanziert, ist nicht mehr viel übrig geblieben.
Vorstand Matthias Block treibt den Umbau des Unternehmens voran, hat eine Zukunftswerkstatt unter den 250 Mitarbeitern eingerichtet, die neue Ideen vorschlägt und deren Umsetzung initiiert. So sind die Stadtwerke längst nicht mehr nur Görlitz verpflichtet, sondern auch Partner von Gemeinden im Umland, bis hin nach Steinigtwolmsdorf (Landkreis Bautzen), ein Kontaktbüro findet sich in Zgorzelec, und zuletzt sorgten die Stadtwerke für einen „großen politischen Bahnhof“, als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sowie der Marschall der Wojewodschaft Niederschlesien, den Aufbau einer gemeinsamen Fernwärme-Versorgung für Görlitz und Zgorzelec demonstrativ unterstützten.
Auch ins Geschäft mit dem schnellen Internet sind die Stadtwerke eingestiegen, haben eine Radflotte aufgebaut und engagieren sich im Aufbau eines Netzes von E-Tankstellen. Dass sie auch E-Autos fahren, gehört ebenso dazu. Das alles spricht sich herum, und so wurden die Stadtwerke Görlitz 2018 als eine der 100 innovativsten Firmen des Mittelstandes ausgezeichnet – deutschlandweit.
Eine der ältesten Firmen in Görlitz
Während die Stadtwerke „erst“ auf 30 Jahres ihres Bestehens zurückblicken können, feierte die Görlitzer Hanf- und Drahtseilerei bereits ihren 185. Geburtstag. Am 10. März 1836 gründete Seilermeister Theodor reis den Betrieb am Demianiplatz.
Seitdem gilt das Motto: Denk daran, aufs Seil kommt’s an. Seit der Wende erlebt der Betrieb regelmäßig Zuwachs: Die Belegschaft wuchs von vier Angestellten 1990 auf aktuell 70 Mitarbeiter. Die Zahl der betreuten Kunden stieg im gleichen Zeitraum von 100 auf derzeit über 1.000. Bisher sind mehr als fünf Millionen Euro in dieses Wachstum investiert worden, darunter in einen neuen Firmensitz im Gewerbegebiet am Görlitzer Flugplatz. Ob Kräne, Kettenzüge, Seilbahnen, Schutznetze, Absturzsicherungen oder Spielplätze – überall übernehmen Goltz-Seile eine tragende Rolle. Zum Kundenkreis gehören heute viele Unternehmen aus der Bauindustrie, aus dem Automobil- und Schienenfahrzeugbau, der Energieversorgung sowie der Land- und Fischereiwirtschaft. Grundlage dieses Erfolges ist die beständige Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter.
Mehr als die Hälfte aller Facharbeiter ist im Betrieb ausgebildet worden. Vor allem aber ist das Unternehmen mit Geschäftsführer Helmut Goltz eng verbunden. Der Seilermeister war mehr als 20 Jahre lang in der IHK und im Wirtschaftsrat der CDU sowie im Görlitzer Stadtrat aktiv und ist eine der großen Unternehmerpersönlichkeiten nach der Wende in Görlitz. Und er gibt auch der Gesellschaft etwas zurück, engagiert sich unter anderem für die Handballer vom SV Koweg Görlitz, für den Zoo Görlitz, das Theater. Auch nach ihm bleibt das Unternehmen in Familienhand: Mit Claudia Peschel-Goltz und ihrem Mann steht die nächste Generation parat.
Christliche Literatur und Herrnhuter Sterne
Nicht ganz an das Alter der Seilerei reicht die Comenius-Buchhandlung heran. Ursprünglich war sie bekannt für ihren Fundus christlicher Literatur. Noch heute ist dieser Ursprung im Angebot der Görlitzer Filiale auf der Steinstraße zu spüren. Doch längst sind auch alle Bestseller und ein breites Angebot von Büchern hier zu finden, seit einigen Jahren auch die Herrnhuter Adventssterne. In zwei Jahren feiert das Görlitzer Buchgeschäft sein 100-jähriges Bestehen.
Die Wurzeln der Comenius-Buchhandlung GmbH entspringen in Herrnhut. Das Interesse an Informationen zur Missionsarbeit nahm stetig zu, so dass die Herrnhuter Brüdergemeine 1898 einen Missionsverlag mit Buchhandlung gründete. Später entfielen die ursprünglichen Verlagsaufgaben, die Missionsbuchhandlung – 1973 wurde sie in Comenius-Buchhandlung umbenannt – entwickelte sich zu einer modernen Sortiments- und Versandbuchhandlung.
Aus den als Einzelunternehmen organisierten Geschäften entstand 1993 eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter die Evangelische Brüder-Unität ist. Seit 1996 die Verlagslizenz wiedererlangt wurde, umfasst das kleine Verlagssortiment die Herausgabe brüderischer Literatur.
Größter Görlitzer Baubetrieb
Auf reichlich 30-jähriges Bestehen blickt die Görlitzer Gleis- und Tiefbau GmbH zurück, die 1990 von Uwe Vüllings und Rudolf Freiwerth auf der Jauernicker Straße gegründet wurde. Schon bald wurde auf der Rothenburger Straße ein neuer Firmensitz errichtet. Der einstigen Görlitzer Gleisbau GmbH wurden im Laufe der Jahre die Bereiche Tiefbau, Hochbau und Kabeltiefbau hinzugefügt.
Dadurch entstand ein breites Leistungsangebot, das in den jeweiligen Bauvorhaben vielfach Synergie-Effekte ermöglicht. An wichtigen Bauvorhaben in Görlitz arbeitete das Unternehmen mit, darunter am Postplatz, auf der Berliner Straße und an der Brücke auf der Maxim-Gorki-Straße. Eines der aktuellen Görlitzer Bauprojekte: der Brautwiesenbogen.
Aber auch Gleisanlagen und Bahnübergänge in ganz Deutschland wurden vom Görlitzer Gleisbau errichtet oder saniert. Geschäftsführer ist mittlerweile neben Rudolf Freiwerth dessen Sohn Michael Freiwerth.