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Was wir unseren Fotografen antun

75 Jahre SZ: Lokaler Fotojournalismus führt zu verrückten Orten, spannenden Menschen - oder ist manchmal komplett unspannend. Was die SZ-Fotografen in Görlitz und Niesky erlebten.

Von Susanne Sodan
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Eine der beliebtesten Veranstaltungen für Fotografen: das Via Thea, hier 2014 auf dem Görlitzer Untermarkt.
Eine der beliebtesten Veranstaltungen für Fotografen: das Via Thea, hier 2014 auf dem Görlitzer Untermarkt. © Archiv: Pawel Sosnowski

An seinen ersten Einsatz für die SZ kann sich Pawel Sosnowski noch gut erinnern: Hundeklos in Zgorzelec. „Ich war damals häufig mit Jana Ulbrich, die heute Redakteurin in Zittau ist, unterwegs“, erzählt Pawel Sosnowski. „Sie war damals für die Nachbarlandseite zuständig, ich habe sie als Fotograf, manchmal auch Übersetzer begleitet.“

Preisgekrönt. Mit diesem Bild vom Berzdorfer See holte Pawel Sosnowski 2014 den zweiten Platz beim Sächsischen Pressefotopreis.
Preisgekrönt. Mit diesem Bild vom Berzdorfer See holte Pawel Sosnowski 2014 den zweiten Platz beim Sächsischen Pressefotopreis.

Pawel Sosnowski ist freiberuflicher Fotograf. So wollen auch viele andere Fotos von ihm: die Landesbühnen Sachsen, die Staatsoperette Dresden, das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz, Ministerpräsident Michael Kretschmer. Deshalb ist er derzeit nicht mehr ganz so oft für die SZ im Einsatz wie früher. Aber die SZ-Zeit will er auch nicht missen.Welche Aufträge ihm in Erinnerung geblieben sind - „das sind so viele. Ich war unter der Erde im Kanalsystem von Görlitz, ich bin über die Stadt geflogen, ich war mal bei einer OP dabei.“ An den Geruch kann er sich noch erinnern, verbranntes Fleisch.

Im Gedächtnis geblieben: Vor einigen Jahren war Pawel Sosnowski mit Michael Brand von den Görlitzer Stadtwerken unter Görlitz unterwegs, im Pontekanal.
Im Gedächtnis geblieben: Vor einigen Jahren war Pawel Sosnowski mit Michael Brand von den Görlitzer Stadtwerken unter Görlitz unterwegs, im Pontekanal. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Pawel Sosnowski hat Hundertjährige porträtiert, war an vielen Filmdrehorten, „beim Straßentheaterfestival Viathea habe ich sehr gerne Dienst gemacht. Da kann man sich richtig austoben,“ Zusammengefasst: „Es war alles dabei, von traurig, über lustig bis tragisch – da erinnere ich mich an die Neißehochwasser – , spannend bis komplett unspannend. Manchmal denkt man, ein Einsatz wird ganz toll und dann ist es gar nicht so spannend. Und bei anderen Einsätzen denkt man sich gar nicht viel und es kommen ganz besondere Bilder heraus.“ Größte Herausforderung? „Aus etwas Altbekannten etwas Neues herauszuholen. Zum Beispiel, wenn es um ein Fest geht, das jedes Jahr in ähnlicher Form stattfindet. Dann etwas zu finden, was das Besondere ausmacht, kann eine Herausforderung sein.“

Auch der Zeitdruck ist etwas, das die Fotografie im Lokaljournalismus herausfordernd macht. Bei überregionalen Medien oder auch in anderen Genres hat man teils Stunden Zeit, sich auf ein Motiv vorzubereiten, erklärt Pawel Sosnowski. „Im Lokalen hast du oft nur fünf Minuten, um etwas Gutes draus zu machen.“ Das Schöne dabei: „Du kannst jeden Tag deine Stadt beobachten und siehst, wie sie sich entwickelt und das Leben fließt. Oder manchmal stillsteht.“

Beobachten zu können, wie die Dinge sich entwickeln, das ist für Fotograf André Schulze etwas Besonderes. „Den Bau der Eisstadien Weißwasser und Niesky habe ich zum Beispiel von Anfang an mit begleitet. Oder ich kann mich gut an Maik Dehnelt erinnern, den ich nach seinem Abitur fotografiert habe. Damals erzählte er, er wolle Musicalsänger werden. Jetzt trat er bei DSDS auf.“ Ebenso die Rietschenerin Lena-Loreen Kirchner, die André Schulze ebenfalls schon als Schülerin porträtierte.

Überraschung: Rehe verfolgten André Schulze bei einem Auftrag für die SZ.
Überraschung: Rehe verfolgten André Schulze bei einem Auftrag für die SZ. © André Schulze

Wenn die Zeit stillzustehen scheint, auch solche Momente hat er schon erlebt. „Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine spontane Trauerfeier in Niesky auf dem Zinzendorfplatz. Das war für mich einer der berührendsten und einer der herausfordernsten Einsätze.“ Anfang 2017 hatten eine Frau und ihr Komplize in Görlitz den 24-jährigen Philipp W. getötet. „Er stammte aus Niesky und viele kannten ihn.“

Bitte den Ofen nicht anstellen: André Schulze fotografierte die Töpferin Kathrin Najorka aus ungewohnter Perspektive.
Bitte den Ofen nicht anstellen: André Schulze fotografierte die Töpferin Kathrin Najorka aus ungewohnter Perspektive. © - keine Angabe im huGO-Archivsys

André Schulzes Verbindung zur SZ ist noch viel älter, aber dieses Jahr ist er seit zehn Jahren regelmäßig für die SZ im Einsatz, vor allem im Kreisnorden. „Mir geht es immer darum, Dinge zu zeigen, die der Leser sonst vielleicht nicht sehen würde. Oder zumindest einen neuen Blickwinkel zu finden.“ Dabei gibt es Grenzen. Wie bitte Straßenschild XY auf spannende Weise ablichten? Manchmal aber gelingt der neue Blickwinkel. „Ich bin zum Beispiel mal in einer Töpferei in einen Brennofen geklettert und habe aus dem Ofen heraus fotografiert.“ Wichtig ist ihm, dass seine Bilder Sinn machen für den Text. „Wir wollen ja gemeinsam eine Geschichte erzählen.“

Rolf Ullmann und die Leiter: So kennt man ihn beim Sportlerball in Niesky.
Rolf Ullmann und die Leiter: So kennt man ihn beim Sportlerball in Niesky. © André Schulze

Noch viel länger ist Rolf Ullmann dabei. Die ersten Schiffe auf dem Bärwalder See, die Eröffnung der Altstadtbrücke in Görlitz, der erste Baggeraushub und die letzte Sprengung für den Königshainer Tunnel - Rolf Ullmann war dabei. „Für mich eine der bewegendsten Geschichten war die Bewerbung von Görlitz zur Kulturhauptstadt“, erzählt er. 2010 fiel die Entscheidung. „An dem Tag hatten sich mehrere hundert Menschen auf dem Untermarkt versammelt und der damalige Oberbürgermeister verkündete die Entscheidung.“ Essen hatte gewonnen. „Ich finde trotzdem, dass Görlitz die Bewerbung nicht geschadet hat. Es ist viel daraus entstanden.“

1996 besuchte Ingrid Biedenkopf den fast fertigen Königshainer Tunnel, für den sie Pate stand.
1996 besuchte Ingrid Biedenkopf den fast fertigen Königshainer Tunnel, für den sie Pate stand. © Archiv: Rolf Ullmann

Erst seit Kurzem dabei ist Paul Glaser, freiberuflicher Fotograf aus Görlitz. Einer seiner ersten Einsätze war aber durchaus ungewöhnlich: An der Klinikums-Kreuzung in Görlitz brach bei einem Schwertransort eine Achse, und eine tonnenschwere Siemensturbine landete mitten in der Nacht mitten auf der Kreuzung. „Ich hatte das am Morgen mitbekommen, als ich mein Kind in die Kita brachte“, erzählt Paul Glaser. Sobald er wieder zu Hause war, schnappte er sich seine Kamera.

Ein havarierter Schwerlasttransport auf dem Weg nach Indien blockierte die Straßenkreuzung am Görlitzer Klinikum. Was Paul Glaser direkt auffiel, als er sein Kind zur Kita brachte.
Ein havarierter Schwerlasttransport auf dem Weg nach Indien blockierte die Straßenkreuzung am Görlitzer Klinikum. Was Paul Glaser direkt auffiel, als er sein Kind zur Kita brachte. © Paul Glaser / www.glaserfotograf

Die Arbeit mache ihm Spaß, „weil die Termine sehr abwechslungsreich sind und man viele spannende Geschichten und Menschen aus unserer schönen Stadt kennenlernt“, erzählt Paul Glaser. „Ich muss bei meiner Arbeit nicht nur flexibel sein, sondern vor allem schnell. Bei den Terminen, ob nun alleine oder mit Redakteur ist oftmals nicht viel Zeit für ein ausgedehntes Shooting.“ Und dann kommt es nicht selten vor, dass die Redakteure die Bilder noch am selben Tag benötigen. „ Das unterscheidet sich zu meiner bisherigen Arbeit als Fotograf.“

Ebenfalls neu in der SZ-Mannschaft ist Martin Schneider aus Königshain. Er hat bislang viel als Hochzeits- und Porträtfotograf gearbeitet. „Das Schöne bei der SZ ist auf jeden Fall das Abwechslungsreiche. Wenn man stark in einem bestimmten Genre tätig ist, läuft man auch Gefahr festzufahren.“ Das sei im lokalen Fotojournalismus anders. „An einem Tag geht es um ein Porträt, am nächsten Tag hat man einen Politiker vor der Linse, als Hächstes geht es um ein Gebäude“, erzählt er. „Man bekommt die Dinge direkt mit. Man erlebt interessante Menschen und erfährt Themen ganz direkt. Es gibt keinen Trott“, erklärt Martin Schneider.

Heute ein Portät, morgen ein verfallendes Gebäude in Rauschwalde. Die Arbeit als SZ-Fotograf ist nicht immer schön, aber spannend.
Heute ein Portät, morgen ein verfallendes Gebäude in Rauschwalde. Die Arbeit als SZ-Fotograf ist nicht immer schön, aber spannend. © Martin Schneider

Auch er sagt: „Das Herausforderdende ist, dass man nicht viel Zeit hat, sich vorzubereiten. Wenn ich bei einer Hochzeit bin, habe ich deutlich mehr Zeit, unterschiedliche Bildmotive zu entwickeln.“ Als Zeitungsfotograf gibt es einen bestimmten Auftrag, es geht um ein bestimmtes Bildmotiv. Daraus in kürzester Zeit das Beste zu machen – die SZ-Fotografen schaffen es fast immer.

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