Berzi macht langsam der Ostsee Konkurrenz

"Wir haben uns den Bauplatz direkt am Berzdorfer See ausgesucht, weil er für das Hotel entscheidende Merkmale bietet", sagt Ina Lachmann, Inhaberin des Wellness-Hotels "Insel der Sinne" am Berzdorfer See bei Görlitz. Der See, entstanden aus einem Tagebaurestloch, punktet mit Ruhe, Natur pur und glasklarem Wasser. Davon und von der vorsichtigen Entwicklung rund um das Gewässer profitieren auch andere Hotels und Gaststätten rund um den See. Ein Problem haben jedoch alle gemeinsam.

Absolute Ruhe und Entspannung
"Ohne See wäre unser Hotel nur halb so attraktiv", betont Ina Lachmann. Die Gäste schwärmen regelrecht von der Atmosphäre, die sie für Entspannung und Erholung nutzen. Der Blick auf den See mit Segelbooten, zahlreichen Vögeln und einer intakten Natur, private Strände und viel Platz ließen schon so manchen Gast ankündigen, dass er künftig den Ostseeurlaub gegen einen auf der "Insel der Sinne" tauschen möchte. So ist es wohl kein Wunder, dass die "Insel der Sinne" bei der erst vor Kurzem vorgenommenen Hotelklassifizierung höhergestuft wurde: Mit "4 Sternen superior" darf die Einrichtung nun werben.
Allerdings wünscht sich Frau Lachmann, dass sich rund um den See weitere Freizeitangebote entwickeln, damit Hotelgäste aus einem größeren Reservoir wählen können. Denn beispielsweise Segelkurse, Tauchgänge oder Ruderbootverleih kann die "Insel der Sinne" nicht mit eigenem Personal stemmen.

Weniger Radtouristen und Wanderer
Auf der genau gegenüberliegenden Seeseite liegt hoch oben auf dem Kreuzberg in Jauernick-Buschbach das Hotel "Kreuzbergbaude". Erst Mitte Juni eröffnete es der neue Eigentümer nach der Sanierung. Gerlinde Storm ist die Geschäftsführerin. "Alle, die bei uns buchen, schauen sich im Internet die Region an. Der Berzdorfer See hilft offenbar bei der Entscheidung", erklärt Frau Storm. Zumindest sei nach der Ankunft im Hotel eine der ersten Fragen, wie man denn zum See gelangen könne. Viele Gäste wollen die Gegend mit dem Rad erkunden.
Diese Erfahrung macht Andriko Zimmermann seit Jahren immer weniger. Er führt den "Berggasthof" in Jauernick-Buschbach. "Radler scheuen offenbar den Anstieg, der bis zu uns zu bewältigen ist", vermutet der Gastwirt. Seit zwei, drei Jahren bemerkt er auch, dass weniger Wandergruppen Zwischenstation im "Berggasthof" machen. Woran das liegt, dafür hat Zimmermann keine Erklärung. "Es zieht viele Menschen an den Berzdorfer See, sicher bekommen wir auch ein paar Gäste ab, die ursprünglich nicht zu uns wollten." Aber das herauszufinden, sei schwierig.

Leute essen und trinken am See
Sven Heinze kann von der Entwicklung am Berzdorfer See nicht profitieren. Ihm gehört das Gasthaus "Zum Berzdorfer See" auf der Paul-Mühsam-Straße. "Früher, als es am See noch keinen Imbiss gab, kehrten bei uns viele Gäste ein", erzählt der Gastwirt. Doch nun essen und trinken die Leute am See, wenn sie sich dort aufhalten.
Für Sabine Fritzsche und ihr Team von der Gaststätte "Zum alten Bahnhof" in Hagenwerder bringt der Touristenstrom am Berzdorfer See keinen Zuwachs an Gästen. Denn mit dem "Gut am See" und der "Insel der Sinne" stünden Mitbewerber zur Verfügung, die noch dichter am See dran sind als die Gaststätte im Bahnhof. Lediglich zum Abendessen kommen derzeit mehr Gäste, denn sowohl das "Gut am See" als auch die "Insel der Sinne" schränkten ihren Service im Gaststättenbereich für Nichthotelgäste ein.

Mitarbeiter wanderten in andere Branchen ab
Alle genannten Hotels und Gaststätten haben mit Personalmangel zu kämpfen. Entweder, sie verloren durch die pandemiebedingte Schließzeit Mitarbeiter oder sie finden kein Fachpersonal, um aufzustocken. Gerlinde Storm sucht noch jemanden für den Frühstücksbereich. Bei Sven Heinze ging die Hälfte des Personals. Im "Berggasthof" kündigte ein Angestellter. Die "Insel der Sinne" verlor Fachkräfte im Service. Roland Marth vom "Gut am See" findet keine Mitarbeiter, die er noch bräuchte. Er selbst springt oft mit ein.
- Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an sz.goerlitz@sächsische.de
Wegen der langen Schließzeit suchten sich Mitarbeiter der genannten Einrichtungen einen neuen Job. Denn allein mit dem Kurzarbeitergeld ist es schwer, eine Familie zu ernähren. Die abgewanderten Mitarbeiter fanden neue Arbeit in Branchen, die nicht so schnell von coronabedingten Schließungen betroffen sind: in der Pflege, im Lebensmitteleinzelhandel und bei der Post zum Beispiel.

Personalmangel sorgt für Einschränkungen
Der Personalmangel führte in den Hotels und Gaststätten am See zu Einschränkungen der Speisekarten oder/und der Öffnungszeiten. Der "Berggasthof" startet jetzt mit Öffnungszeiten nicht nur am Wochenende, sondern auch in der Woche, über die die Homepage Auskunft gibt. "Denn anders als im Vorjahr verlief der Run auf unsere Gaststätte nach der Schließung diesmal nur allmählich", erklärt der Wirt. Das "Gut am See" reduzierte die Vielfalt auf der Speisekarte und die "Insel der Sinne" konnte lange nur die Hotelgäste am Abend im Restaurant bewirten, keine von außerhalb. Mit der neuen Beachbar und dem Grill wurde hier Abhilfe am Donnerstag und Freitag geschaffen. Bis zu 20 Gäste von auswärts können nun am Abend im Restaurant bedient werden. Drei, vier Tische stehen am Morgen zum Frühstück für Besucher bereit. Platzreservierung ist jedoch in jedem Fall empfohlen.
Was Ina Lachmann offen anspricht, nämlich die Sorge vor einem weiteren Lockdown mit Schließung von Hotels und Gaststätten, treibt auch die anderen Hoteliers und Wirte um. So viel Potenzial der Berzdorfer See auch bietet, bleiben Hotels und Gaststätten erneut monatelang geschlossen, ist es fraglich, ob sie noch einmal so eine Durststrecke überstehen können. Da hilft auch das glasklare Seewasser nicht weiter.
