Bringt teures Strategiepapier Reichenbach voran?

Ein Strategiepapier zur „Bewältigung des demografischen Wandels“ wird für Reichenbach erarbeitet. Das beschloss der Stadtrat. Kostenpunkt: rund 40.000 Euro. Knapp 5.000 Einwohner leben in der Stadt. Mit Stand 2019 waren das 1.022 Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 25 Jahren, wie die sächsische Bevölkerungsstatistik aufweist. Etwa ein Fünftel der Einwohner sind also junge Menschen. Zum Vergleich: Über 65-Jährige wohnten im gleichen Zeitraum in Reichenbach 1.357 Männer und Frauen.
Im Fokus des Papiers stehen aber offenbar weder die Kinder noch die Senioren, die eine nicht unwesentliche Bevölkerungsgruppe ausmachen. Sondern es geht um die Entwicklung des Marktplatzes, des Tourismus sowie die Entwicklung als Wirtschaftsstandort. Andere Themen könnten ebenfalls eine Rolle spielen, wie Barbara Werling vom mit dem Strategiepapier beauftragten Unternehmen Richter + Kaup aus Görlitz, auf SZ-Nachfrage erklärt. „Die Bürger sollen zu Wort kommen“, sagt die Projektmitarbeiterin. Dafür seien zwei Workshop-ähnliche Veranstaltungen im Herbst angedacht, an denen sich die Einwohner der Stadt beteiligen.
Der Ansatz ist keinesfalls neu. Bereits 2014 beschloss der alte Stadtrat – damals noch unter Bürgermeister Andreas Böer – das Stadtentwicklungskonzept „Zukunftsstrategie Reichenbach 2030“ auf den Weg zu bringen. Das hatte damals die Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz (ENO) - ebenfalls unter Bürgerbeteiligung – erarbeitet. Da hieß es, die Strategie sei ein „gesamtstädtisches informelles Planungsinstrument“ und „eine hervorragende Basis für künftige Steuerungs- und Stadtentwicklungsentscheidungen“. Ergebnisse des Konzepts waren unter anderem der Wunsch nach einem Runden Tisch mit Vermietern in der Stadt und die Schaffung eines Mehrgenerationen-Wohnen, ein „Kultur-Kombinat“ ins Leben zu rufen, ein „Willkommenspaket“ zu schnüren und eine Arbeitsgemeinschaft „Tourismus“ zu gründen.
Reichenbach hat keinen Bauhof mehr
Letztendlich wurde nichts davon verwirklicht. Mittlerweile hat Reichenbach nicht mal mehr eine Bauhof-ähnliche Institution. Die letzten beiden mit kommunalen Aufgaben wie dem Winterdienst betrauten Firmen – RIS und OLTG– meldeten Insolvenz an. Die Stadt verkaufte verstärkt kommunale Gebäude, unter anderem waren das ein ganzer Neubaublock und zuletzt in diesem Sommer ein ehemaliges Mietshaus in Sohland, das der Verein „Sohland lebt“ nutzt und nun für 28.000 Euro bekommt.
Nun können sich die Einwohner also erneut einbringen und Ideen vortragen, wohin sich die Stadt entwickeln soll und was Zukunftsschwerpunkte sind. „Es geht darum, gemeinsam etwas zu machen“, so die Projektbegleiterin. Doch welchen Einfluss haben die Einwohner auf Marktplatz-Entwicklung, Tourismus und Wirtschaft überhaupt? Die Gebäude am Markt befinden sich fast vollständig in privatem Eigentum. Einige sind Geschäfte, die zum Teil leer stehen, andere Wohnhäuser. Große freie Gewerbeflächen gibt es nicht. Das ehemalige touristische Zugpferd der Stadt – das Ringhotel – steht seit vielen Jahren leer.
Auch da hat die Kommune keine Handhabe, da es sich im Privatbesitz befindet. Barbara Werling nennt als touristische Stichpunkte beispielsweise Rad- und Wanderwege sowie die Nähe zu Görlitz. So oder so müsse Reichenbach über die Stadtgrenzen hinaus denken und die Verwaltungsgemeinschaft (VG) im Blick behalten. Die Stadt bildet mit Vierkirchen und Königshain eine VG. Ähnlich sieht das auch CDU-Stadtrat André Maiwald. Er hinterfragte, warum es hinsichtlich der Strukturentwicklung so wenig gemeinsame Aktivitäten in der VG gibt und ob das nicht ein zielführender Ansatz sei. „Es ist leider noch nicht gelungen, einen gemeinsamen Antrag zu stellen“, so Bürgermeisterin Carina Dittrich.
Stadt bekommt hohe Förderung
Das jetzt in Auftrag gegebene Strategiepapier soll nach Angaben der Bürgermeisterin eine Erweiterung in Teilbereichen der vorhandenen Stadtentwicklungskonzepte sein. Das sei „ein fortlaufender Prozess“, sagte sie. Reichenbach erhält für das Strategiepapier eine hohe Förderung. Die beträgt 90 Prozent, sodass die Stadt letztendlich rund 4.000 Euro Eigenmittel bereitstellen wird. Das Papier soll zudem Grundlage für mögliche weitere Fördermittel sein.