St. Carolus will sich weiter spezialisieren

So mancher Zettel hat für feuchte Augen gesorgt. Um noch genauer zu erfahren, wie ihre Mitarbeiter im Krankenhaus durch die Corona-Zeit gekommen sind, hat die Carolus-Leitung Fragebögen verteilt. Das Ergebnis bewegte in vielen Fällen. „Wir sind ein kleineres Haus, es gab durch Quarantäne und Krankheit viele Verschiebungen innerhalb der Stationen“, sagt Daniela Kleeberg, die Standortleiterin des Malteser-Krankenhauses St. Carolus. „Dadurch sind alle Mitarbeiter damit in Berührung gekommen.“ Mit all dem Leid, was Corona besonders in der zweiten Welle mit sich brachte. Es kam vor, dass drei, vier Patienten während einer Schicht starben. So etwas ist auch für Krankenhauspersonal schwer auszuhalten.
Inzwischen herrscht auch im Carolus wieder Normalbetrieb - die schweren Monate sind vorbei, alle hoffen, dass sie nicht wiederkommen. Auch wenn keiner so richtig weiß, was der Herbst bringt, wird wieder positiv nach vorn geblickt, rücken wieder die Kernfragen rund um das Haus in den Fokus.
Eine davon ist seit Jahren: Wie behauptet man sich als kleineres Haus in einer sich wandelnden Krankenhauslandschaft und der Auffassung, es gebe in Deutschland zu viele Krankenhäuser? Perspektivisch soll es weniger Betten geben - auch im Landkreis Görlitz. Angesichts eines zweiten, deutlich größeren Krankenhauses in Görlitz, dem städtischen Klinikum, wird immer wieder die Frage gestellt: Kann das Haus in Zukunft Bestand haben? Das beschäftigte das Carolus und die Mitarbeiter in den vergangenen drei, vier Jahren besonders.

Jetzt gehen Daniela Kleeberg und Sven Heise, der Geschäftsführer der Malteser Sachsen-Brandenburg gGmbH noch mehr in die Offensive. Durch Investitionen und weitere Spezialisierung im Carolus einerseits und durch offene Gespräche etwa mit dem Klinikum andererseits. Vier Runden hat es bereits gegeben. Allein das sei schon ein enormer Fortschritt. Ein erstes Abklopfen der gegenseitigen Interessen, Aufbau von Vertrauen - das sei es bisher gewesen sagen sie. In nächsten Schritten soll nun konkret ausgelotet werden, wie eine Zusammenarbeit konkret aussehen könnte. Vom Klinikum kommen ebenfalls vorsichtig positive Signale. Dessen Geschäftsführerin Ines Hofmann sagte kürzlich im SZ-Interview über die Gespräche mit dem Carolus: „Wir bauen Vertrauen für eine andere Zusammenarbeit auf, um reagieren zu können, wenn die Politik ein Signal gibt.“ Allerdings solle man den politischen Willen nicht unterschätzen.
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Das hat auch das Carolus vor Augen, beruft sich aber auf den Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu, der signalisiert hat, dass er eine Kooperation beider Häuser unterstütze. Sven Heise sagt, dass die Stadt zwar der Gesellschafter des Klinikums sei, aber eben auch die Gesundheitsversorgung in der Stadt garantieren müsse. Dafür steht das St. Carolus bereit - auch ohne dafür von den Maltesern in städtische Trägerschaft wechseln zu müssen. Spezialisierungen beider Häuser, die sich damit gegenseitig ergänzen - das sei der Weg für die Zukunft. Beide Häuser seien schon jetzt führend in einigen Bereichen. Nicht nur im Landkreis Görlitz, sondern sachsenweit - mitunter sogar bundesweit.

So rangiert nach einer Erhebung der Barmer das St. Carolus bei der Entfernung von Nieren- und Harnsteinen bundesweit auf Platz drei. Vor allem spezielle Schlüsselloch-Operationsverfahren, die kaum Narben hinterlassen, sind Spezialgebiet des Carolus. Auch bei der Elektroresektion von Prostatagewebe liegt das Carolus bei der Barmer Kliniksuche auf Platz drei im bundesweiten Vergleich.
Nun ist andererseits auch das Klinikum gerade in der Urologie sehr gut aufgestellt. „Man muss nicht beim schwersten Thema anfangen, wenn es um Zusammenarbeit geht“, sagt Sven Heise mit Blick aufs Klinikum. Doppelstrukturen wie diese sollte es eigentlich nicht geben. In anderen Bereichen könne das Carolus Alleinstellungsmerkmale aufweisen und Patienten aus der ganzen Region versorgen, sodass sie nicht bis Dresden oder weiter müssen.
So ist mit dem Ausbau der Inneren Medizin, die durch den neuen Chefarzt Dr. Marjan Stojanoski, einen Aufschwung und eine weitere Spezialisierung der Gastroenterologie erlebt, ein weiterer Anlaufpunkt für viele Patienten im Landkreis geschaffen worden. So werden Polypen oder Krebsvorstufen mit modernsten Methoden entfernt. Bestens aufgehoben sind im Carolus auch Long Covid-, Asthma- oder COPD-Patienten - ihre Behandlung ist ebenfalls ein Schwerpunkt der Inneren. Gerade Long Covid tauche als Krankheitsbild aktuell immer häufiger auf, sagt Daniela Kleeberg. Sogar unter dem eigenen Personal gibt es Coronaerkrankte, die bis heute darunter leiden und immer noch nicht wieder arbeitsfähig sind.

Bundesweites Alleinstellungsmerkmal ist das demenzsensible Krankenhaus, das das St. Carolus seit 2020 ist und das auch vielen nicht dementen Patienten helfe - unter anderem dabei, sich im Haus besser orientieren zu können. Auch die christliche Ausrichtung des St. Carolus, sei ein Grund dafür, dass Patienten mitunter aus anderen Bundesländern zur Behandlung kommen. Hier können unter anderem Messen besucht oder über Bildschirm verfolgt werden.
Corona war für das St. Carolus ein finanzieller Rückschlag - vor allem, nachdem das Haus zunächst in der zweiten Welle von der Finanzierung der Coronabetten ausgeschlossen wurde, weil sich vermeintlich nur Schwerpunkt-Krankenhäuser um Coronapatienten kümmern sollten. In der Realität waren es zum Beispiel im Landkreis Görlitz die sogenannten Grund- und Regelversorger wie eben das St. Carolus oder die Landkreiskliniken Zittau, Ebersbach und Weißwasser, die Dreiviertel der Coronapatienten bei sich behandelten.

Dennoch investiert das St. Carolus. Über 500.000 Euro sind in einen neuen Endoskopie-Turm, den Umbau des Funktionsbereiches und in medizinische Geräte der Gastroenterologie geflossen und werden in ein neues Urologische Röntgengerät investiert, das im vierten Quartal 2021 folgen soll.
Zudem überlegt man, eine Geriatrische Reha zu etablieren - also für ältere Menschen, die etwa nach einem Schlaganfall nicht mehr akut im Krankenhaus liegen müssen, aber weitere Behandlungen benötigen. Ein solches Angebot gibt es im ganzen Landkreis noch nicht. Die Kapazität dafür sei im Carolus da - allein schon, weil die Verweildauer von Patienten heute eine deutlich kürzere ist - und das überall, nicht nur im Carolus.
Weiter ausgebaut werden soll das Zusammenspiel zwischen ambulanten und stationären Angeboten. Schon jetzt gibt es enge Kooperationen mit dem MVZ, dem Octamed, der Praxis Sickor und den Praxen Schilf und With, die alle auf dem Carolus-Gelände ansässig sind - dem Gesundheitscampus, wie er genannt wird. Leere Räume gibt es noch - für niedergelassene Ärzte in der Stadt, die Interesse haben, Teil des Campus zu werden. Die bessere Vernetzung von stationär und ambulant sehen beide Krankenhäuser von Görlitz als zukunftsweisend.