Casus-Institut muss um Neubau in Görlitz bangen

Mit großem Brimborium feierte das deutsch-polnische Forschungszentrum Casus Anfang September vergangenen Jahres sein zweijähriges Bestehen. Das war ungewöhnlich, denn zwei Jahre sind in der Wissenschaft kein Anlass, um groß zu feiern.
Im Uferpark gab es Einblicke in die Forschungen des Casus-Institutes selbst, aber auch der Partner wie der TU Dresden und anderer. Und es wurden Reden bei hochsommerlichen Temperaturen gehalten. Viele Reden. Zumal nicht nur Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer anwesend war sowie der damalige Staatssekretär des Bundesforschungsministeriums, sondern auch Chefs großer Wissenschaftsorganisationen.
Der große "Bahnhof" hatte vor allem ein Ziel. Noch kurz vor der Bundestagswahl Pflöcke für das Casus einzuschlagen, die, egal wer künftig in Deutschland regiert, nicht wieder ganz herausgezogen werden können. Deswegen unterschrieben auch alle Beteiligten seinerzeit ein entsprechendes Abkommen.

Ein Jahr danach ist beim beabsichtigten Bau des Casus-Institutes noch nicht viel passiert. An der Industriebrache des Kondensatorenwerkes an der Uferstraße rührt sich nichts. Doch wäre es auch vermessen, dass jetzt schon zu erwarten. Hier soll das Casus künftig seinen Sitz nehmen - in Görlitz mit Blick auf Zgorzelec. Symbolisch sozusagen für das deutsch-polnische Miteinander in dem Institut. Dass Sachsen weiterhin an diesen Plänen festhält, bestätigt das Wissenschaftsministerium in Dresden gegenüber der SZ. "Das alte Industriegebäude soll dafür grundhaft saniert und ausgebaut werden", erklärt Pressesprecher Falk Lange. Das Projekt ist Teil des Strukturstärkungsgesetzes für die Kohleregionen. "An den Plänen hat sich nichts geändert". Es ist auch deswegen nötig, weil das Casus in Görlitz aus allen Nähen platzt.
Doch noch immer geht es um die Finanzierung. Bewegung könnte es mit dem sächsischen Doppelhaushalt für 2023/24 geben. Dort wird sich der Betrag wiederfinden, mit dem sich der Freistaat Sachsen an der Sanierung des Kondensatorenwerkes beteiligen wird. Wie hoch er genau ist, entscheidet der Landtag. Dem will das Wissenschaftsministerium nicht vorgreifen und vermeidet es daher, jetzt Summen zu nennen. Nach SZ-Informationen dürften sie aber deutlich höher liegen als bislang bekannt.

Beim Geburtstagsfest verbreitete das Casus-Institut noch Presseerklärungen, in denen mit 20 Millionen Euro von Bund und Land für die Sanierung des Kondensatorenwerkes gerechnet wurden. Je zur Hälfte wollten sich Bund und Land in diese Kosten teilen. Aber schon damals war klar, dass diese Summe vermutlich nicht ausreichen wird. Seitdem sind die Baukosten nicht gesunken.
Wie der Bund zu den Plänen steht, ist öffentlich nicht bekannt. Tatsächlich gab es ja nicht nur einen Regierungswechsel im Herbst vergangenen Jahres, sondern das Bundesforschungsministerium, das die CDU am längsten regiert hatte, erhielt erstmals wieder eine FDP-Ministerin. Bettina Stark-Watzinger hat eigene Pläne und Vorhaben, für die sie derzeit Gelder organisieren muss. Ob dafür aus ihrer Sicht auch Abstriche beim Casus-Institut gemacht werden, ist ebenso unklar. Auf Fragen der SZ reagierte ihr Ministerium seit Montag nicht.

Selbst wenn sich aber beide Seiten auf eine Finanzierung einigen, so stehen noch Fragezeichen hinter dem bislang genannten Eröffnungstermin 2026. Das sind nur noch wenige Jahre. Machbar sei das zwar immer noch, aber das Dresdner Wissenschaftsministerium erklärt auch, was bis dahin alles noch passieren muss. "Das Ziel der Eröffnung 2026 ist ein äußerst ehrgeiziges Ziel. Alle Beteiligten sind zu diesem Zeitpunkt dennoch optimistisch, dass das gelingen kann, wenn die Rahmenbedingungen es zulassen", sagt Pressesprecher Falk Lange. "Auf ein Datum festlegen, lässt sich der Eröffnungstermin aber heute noch nicht, da mit der Sicherung der Finanzierung zunächst erst die Planungen und Genehmigungsverfahren in Gang gesetzt werden. Erst danach können die Baumaßnahmen beginnen".

Vielleicht war es also doch gut, dass der Freistaat und das Casus-Institut vor einem Jahr so groß gefeiert haben. Denn damit wurde auch bekräftigt, dass das Institut bis 2038 mit über 250 Millionen Euro institutionell gefördert wird, und zwar aus den Strukturstärkungsgeldern für den Kohleausstieg. Und daran, so viel ist klar, hat sich nichts geändert.