Einkauf mit Hindernissen - ein Schildbürgerstreich?

Frau Schuster* geht einkaufen. Bleistifte und einen neuen Schreibblock braucht sie für die Tochter. Bei Wreesmann wird sie fündig. Der Discounter hat offen. Die Hausschuhe dagegen darf sie nicht mitnehmen.
Die sind umhüllt von einer Bahn transparenter Folie im Regal. Nein, kaufen könne Sie die leider wirklich nicht, erklärt ihr bedauernd die Verkäuferin in der Reichenbacher Filiale. Erwerben dagegen könnte Frau Schuster ganz andere Dinge. Wreesmann hat einen Abholservice eingerichtet. Waren können über das Internet bestellt und danach mitgenommen werden. Aktuell sind für Reichenbach 1.280 Artikel, für Rothenburg 1.307 Artikel und für Görlitz 1.262 Artikel aufgelistet, bei denen das so möglich ist.
Würde Frau Schuster bei ihrem Einkauf etwas entdecken, was sie nicht sofort in den Wagen legen darf, könnte sie theoretisch über ihr Smartphone bestellen, vor dem Geschäft warten, sich die Ware bringen lassen und zum Bezahlen erneut in den Nahversorgungs-Discounter eintreten. Die Hausschuhe gehören jedoch nicht dazu. Die sind tabu. Die gibt es wie andere Waren auch nicht über die Online-Bestellung.
Abholsystem funktioniert ziemlich schnell
Dass so alles völlig korrekt ist, bestätigt Reichenbachs Hauptamtsleiterin Elisabeth Grohe. Ordnungs- und Gewerbeamt der Stadt hätten bei Wreesmann kontrolliert, ob sich an die aktuellen Corona-Gesetze gehalten wird. „Alles korrekt so“, bestätigt die Amtsleiterin.
Das Abholsystem funktioniert ziemlich schnell. Vielleicht fünf bis zehn Minuten Wartezeit seien einzuplanen, erklärt die freundliche Frau an der Kasse in Reichenbach. Also rein in den Laden zum Einkauf – dann wieder raus. Falls noch ein anderes Produkt, entdeckt wird und nicht sofort mitgenommen werden darf, hilft der Griff zum Handy und die Bestellung erfolgt über die Internetseite. Und wieder rein in den Laden. Das hätten bereits einige Kunden so schon getan, erzählt die Verkäuferin.
Was wie ein Schildbürgerstreich klingt, ist für Kunden schwer nachvollziehbar. „Der Abholservice funktioniert zwar super. Wir haben auf diese Weise eine Feuerschale erworben“, erzählt ein Kunde vor dem Reichenbacher Wreesmann, der nur seinen Vornamen - Reiko - nennen möchte. Das Feuerholz dagegen konnte er ohne Vorbestellung einpacken. Dass nur ein Teil der Waren verkauft werden darf, findet er nicht in Ordnung. Auch andere Kunden wollen lieber anonym bleiben. Eine Frau sagt, sie arbeite im Öffentlichen Dienst und könne deshalb ihren Namen nicht sagen. „Sowieso stehen doch alle Kunden an der Kasse, egal ob sie Waren nun gleich kaufen oder ob sie die abholen“, wundert sie sich und dass sie die Regelung „als Quatsch“ empfindet, sagt sie auch.
„Mir tun die Verkäuferinnen sehr leid“
Einen Sinn hinter der Maßnahme sieht die Frau nicht, zumal andere Märkte mit ähnlichem Angebot komplett öffnen dürften. Thomas Philipps in Görlitz zum Beispiel. Dass dem so ist, bestätigt eine Mitarbeiterin der Görlitzer Filiale am Telefon.
Wie es der Handelskette in dieser Situation geht, dazu gibt es vonseiten der Wreesmann-Zentrale mit Sitz in Ostrhauderfehn, Niedersachsen, keine Auskunft. Der Gebietsleiter ist telefonisch nicht erreichbar. „Es gibt für jedes Bundesland eine andere Verordnung, die wir einhalten“, teilt Wreesmann indes auf seiner Facebookseite mit. Deshalb habe der Sonderpostenmarkt in einigen Städten komplett geöffnet, in anderen teilweise eingeschränkt, anderenorts ist geschlossen. Von 64 Wressmann-Filialen, von denen sich der Großteil in Ostdeutschland befindet, sind acht im Moment ganz zu – sieben davon in Sachsen-Anhalt. Das geht aus einer Liste auf der Internetseite des Nahversorgers so hervor.
Offen, halb offen oder geschlossen? „Das ist doch alles absurd“, schreibt eine Kommentatorin auf Facebook.
Stephan Meyer, CDU-Landtagsabgeordneter aus Oderwitz, hat in seinem Heimatort auch einen Wreesmann-Markt. „Ich halte persönlich nichts davon, Warenbereiche auszunehmen, die über Click & Collect zugänglich sind“, sagt er. Voraussichtlich ab dem 8. März soll eine weitere Öffnung des Einzelhandels erfolgen. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer hatte am Mittwochabend angekündigt, dass Click & Meet-System einzuführen. Einzelne Kunden könnten per Terminvergabe in die Geschäfte kommen. Durch die Begrenzung der Personenzahl je Geschäftsfläche und Hygienemaßnahmen sei so wieder schrittweise Normalität möglich. Stephan Meyer sagt dazu: „Ich sehe das als wichtigen Schritt an, um über gesteuerte Kundenströme dem Handel endlich wieder Spielräume zu geben".
*Name geändert