Mal eben schnell ein Fahrrad bestellen? „Keine Chance, man kann im Moment nichts nachordern“, sagt Michael Dobrohlaw. Selbst manche Ersatzteile, die er jetzt bestellt, kommen vielleicht erst im September oder Oktober, sagt der Mann, der sein Geschäft am Görlitzer Fischmarkt 4 schlicht „Der Fahrradladen“ genannt hat.
Der Grund für die Engpässe: Seit Corona sind Fahrräder gefragt wie nie zuvor, die Hersteller – vor allem in China – können die Nachfrage nach Neurädern und Ersatzteilen nicht mehr bedienen. Aber Michael Dobrohlaw hat vorgesorgt – und schon vorigen Sommer einiges bestellt. „Diese Ware kommt jetzt schleppend rein“, berichtet er – und hofft auf eine größere Lieferung Neuräder im April. Die Nachfrage zieht sich durch alle Sparten, vom Rennrad bis zum Mountainbike. Nur E-Bikes und Kinderfahrräder hat er nicht im Sortiment. Die Kunden, sagt Dobrohlaw, reagieren zum Großteil mit Verständnis auf längere Wartezeiten: „Corona entschuldigt alles.“

Diese Erfahrung macht auch Dirk Hanspach, Filialleiter im Cube-Store Görlitz auf der Rauschwalder Straße 48. Er hat viel vorbestellt, doch jetzt kommt nicht alles auf einmal an: „Die Lieferung eines Neurades kann sich um bis zu zehn Wochen verzögern“, sagt er: „Da werden viele ungeduldig, und das ist auch verständlich.“ Im Moment hat er noch Fahrräder da, aber einige Modelle sind schon ausgegangen. Anderes wird im Laufe des Sommers geliefert. Auch bei ihm zieht sich die Nachfrage durch alle Sparten. „Vor allem E-Bikes sind gefragt“, sagt er. Das werde von Jahr zu Jahr mehr: „Mittlerweile machen sie fast 50 Prozent aus.“ Gleichzeitig steigen auch die Preise. Das liegt an den Frachtkosten, denn Rahmen und andere Bauteile werden auch bei Cube aus Asien geliefert. „Wir als Händler verdienen nicht mehr als vorher“, sagt er.
Inzwischen fast zur Hälfte E-Bikes
Exakt das gleiche Bild bei Little John Bikes Görlitz in der Heilige-Grab-Straße 26. Auch hier werden inzwischen fast zur Hälfte E-Bikes verkauft, auch hier klagt Filialleiter Daniel Reichstein über gestiegene Transportkosten aus China. Doch er hat einen riesigen Vorteil: „Wir haben in Görlitz ein sehr großes Lager.“ Und weil Reichstein voriges Jahr erlebt hat, wie groß die Nachfrage war, hat er schon damals richtig viel eingekauft – noch mit niedrigeren Transportkosten, sodass er jetzt günstiger verkaufen kann. „Unser Lager ist voll“, sagt er.
Bis auf Sonderwünsche könne er alles bedienen. Und es sei tatsächlich alles gefragt, sogar in jeder Preisklasse. E-Bikes reichen bei ihm preislich von 1.500 bis 10.000 Euro. Voriges Jahr hat er tatsächlich drei 10.000-Euro-Räder verkauft: „Dafür ist auch hier ein Markt da.“ Und E-Bikes werden mittlerweile von allen Generationen gekauft, 20-Jährige fahren Mountainbike mit Elektroantrieb, Menschen ab 45 aufwärts auch Rennrad mit Unterstützung. „Selbst Kinderfahrräder mit Motor werden nachgefragt“, sagt Daniel Reichstein.

Auch bei Joachim Kramer in der Reichenbacher Straße 69 sind E-Bikes der Renner. „Ich habe schon noch welche da, die nicht vorbestellt sind, aber gerade die Hochwertigeren sind aktuell nicht lieferbar“, berichtet er. Bestellt er welche, kann er frühestens nächsten Januar mit einer Lieferung rechnen. „Im schlechteren Fall erst im Juni 2022“, sagt Kramer. Das komme immer auf Modell und Firma an. Noch vor zwei bis drei Jahren habe er E-Bikes auf Halde da gehabt: „Der Boom hat erst in den vergangenen ein, zwei Jahren begonnen.“
Räder können nicht komplettiert werden
Doch auch bei herkömmlichen Fahrrädern sei das Bild durchwachsen: „Einige bekommt man noch, andere nicht.“ Oft liege es an den fehlenden Shimano-Teilen, also beispielsweise Schaltungen: „Dadurch können die Räder nicht komplettiert werden.“
Ähnlich ist das Bild bei Kramer in der Werkstatt: „Manche Ersatzteile werden noch eine Weile reichen, anderes wird langsam knapp.“ Neunfach-Ketten habe er nicht mehr viele da, auch einige Zahnkränze reichen nicht mehr lange. Bei Reparaturen muss man bei ihm derzeit mit zwei bis drei Tagen Wartezeit rechnen. „Als es im Februar warm wurde, war gleich richtig die Hölle los“, sagt er. Aber er kennt das: „Im Frühling war immer viel zu tun.“ Neu ist für ihn nur, dass er nicht mehr an Ersatzteile kommt: „Das hatte ich noch nie.“

Auch bei Little John Bikes ist in der Werkstatt von April bis Juni jedes Jahr viel zu tun. „Da rettet man sich von Woche zu Woche“, sagt Daniel Reichstein. Die kostenlosen Durchsichten müssen in dieser Zeit geschoben werden. Aktuell hat er aber alle Reparaturtermine frei, Kunden bekommen ihr Fahrrad spätestens am nächsten Tag zurück. Vier Leute arbeiten in der Werkstatt, drei im Verkauf. An dieser Zahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr nichts geändert, sagt Reichstein: „Mit dieser Mannschaft schaffen wir alles.“
Cube-Store stellt Mitarbeiter ein
Das ist im Cube-Store anders. „Bisher sind wir zu fünft, aber demnächst höchstwahrscheinlich zu sechst“, sagt Dirk Hanspach. Bei ihm ist die Werkstatt komplett ausgelastet: „Wir arbeiten mit Terminvergabe und drei Wochen Vorlauf.“ Kleinere Reparaturen werden aber jederzeit dazwischen geschoben: „Da kann man immer kommen.“ Ersatzteile sind dank größerer Vorbestellungen derzeit noch vorrätig.
Michael Dobrohlaw hat die Reparaturen sogar zu seinem Schwerpunkt gemacht, er hat relativ viele Stammkunden. Doch er besitzt kein so riesiges Lager. Das ist im Moment ein großes Problem: „Manchmal muss ich bis zu neun Lieferanten durchgehen, um an Ersatzteile zu kommen.“ Die Saison geht jetzt bei ihm so richtig los, Arbeit hat er genug: „Da kann ich mich nicht beschweren.“