Menschen im Kreis werden weniger und älter

Charlotte Alert aus Görlitz war bislang die letzte Hundertjährige, über die die Görlitzer SZ berichten konnte. Am 25. Juli wurde die Seniorin 100 Jahre alt. Die Frau ist in guter Gesellschaft: 100 Jahre und älter werden im Landkreis Görlitz immer mehr Menschen. Die älteste Görlitzerin ist 106,5 Jahre, die Zittauerin Brunhilde Wagner wird Anfang Oktober sogar 108 Jahre alt und ist damit die älteste Kreisbewohnerin.
In Oderwitz sind über 12 Prozent der Einwohner über 80
Die Zahl der Menschen zwischen 75 und 85 Jahren im Landkreis Görlitz ist seit 2011 um rund 5.000 gestiegen. Die Zahl der Hochaltrigen über 85 Jahre kletterte im gleichen Zeitraum um 22 Prozent auf rund 11.000. Inzwischen ist in 17 Städten und Gemeinden des Kreises mehr als jeder zehnte Einwohner älter als 80 Jahre. Den Spitzenwert hält dabei Oderwitz mit 12,2 Prozent. Hier sind 610 Einwohner älter als 80 Jahre.
"Diese Entwicklung wird sich etwa bis 2030 fortsetzen", informiert Susanne Lehmann aus dem Büro des Landrates. Das alles gelte, obwohl der Kreis seit 2011 insgesamt 23.000 Einwohner verlor. "Wir werden weniger und wir werden älter", fasst Susanne Lehmann zusammen.

Geriatriezentrum unterstützt mit Fachwissen
Dieses Älterwerden birgt Herausforderungen in der Altersmedizin (Geriatrie), die sich speziell um Menschen mit vielen Erkrankungen kümmert.
Aus der steigenden Zahl älterer und hochbetagter Menschen, und hierunter in besonderem Maß der Demenzkranken, ergeben sich veränderte Anforderungen an das Gesundheitswesen. "Die Ausweisung des Görlitzer Geriatriezentrums am Städtischen Klinikum als Zentrum für Altersmedizin ist ein Schritt, den zunehmenden Bedarf an geriatrischer Versorgung sicherzustellen", erklärt Frau Lehmann. Als Kompetenz- und Referenzeinrichtung unterstützt es die regionalen Krankenhäuser mit geriatrischem Fachwissen. Darüber hinaus entwickeln Krankenhäuser im Kreis demenzfreundliche Strukturen weiter. Spezialisierte Pflegefachkräfte unterstützen an Demenz erkrankte Menschen.
Führend hierbei ist das Malteser-Krankenhaus St. Carolus, das als deutschlandweit erstes Krankenhaus Ende 2020 eine Zertifizierung der Silviahemmet Stiftung Schweden erhielt und seither demenzsensibles Krankenhaus ist.
Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt
Doch wie werden betagte Menschen und ihre Angehörigen über die spezielle medizinische Versorgung informiert? "Die erste und konstante Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen ist die Hausarztpraxis", betont Susanne Lehmann. Den Hausärzten komme eine Schlüsselfunktion in der Behandlung und Koordinierung der Versorgung betagter Patienten zu. Neben den Hausärzten seien aber auch Akteure wie Selbsthilfegruppen, Seniorensprechstunden und professionelle ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen zentrale Ansprechpartner für Gesundheitsförderung und Prävention.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das Geriatrie-Netzwerk Ostsachsen. Es wurde gegründet, um den Bedürfnissen einer immer älter werdenden Gesellschaft gerecht zu werden. Hier arbeiten Ärzte, Krankenhäuser, Sanitätshäuser, Apotheken, Pflegeeinrichtungen und weitere zusammen.

Heime und Krankenhäuser arbeiten zusammen
Die gesundheitliche Unterstützung von Älteren gilt auch für Menschen, die in einer Pflegeeinrichtung leben. Zwar werden sie von den Mitarbeitern pflegerisch umsorgt, die ärztliche Versorgung übernehmen in der Regel die Hausärzte, bei denen die Heimbewohner schon vor ihrem Einzug ins Pflegeheim Patient waren. Dennoch gibt es auch hier freie Arztwahl. Rüdiger Neumann, Vorstand des DRK-Kreisverbandes Görlitz, schätzt ein, dass trotz der sehr hohen Belastungen, die auf den Arztpraxen vor Ort liegen, eine stabile und gute Versorgung der älteren Menschen in Heimen gewährleistet ist.
Das sieht Doreen Lorenz ähnlich. Die Sprecherin der Diakonie St. Martin hebt zudem die gute Zusammenarbeit mit den Kliniken zwischen Zittau und Weißwasser hervor.
Torsten Havenstein, Leiter des Pflegeheimes "Am Stadtpark" in Görlitz, schätzt die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft "Heime", die es seit 20 Jahren gibt. Alle zwei Monate etwa - in der Pandemie online - beraten Heimleitungen mit Mitarbeitern von Sozialdiensten, von Krankenhäusern sowie aus dem Gesundheitsamt des Kreises.
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Mehr Fachärzte nötig, die Hausbesuche machen
Dort kommen auch Probleme auf den Tisch. Eins ist die Erreichbarkeit von Hausarztpraxen per Telefon oder Fax durch das Heimpersonal. Aufwendig ist das quartalsmäßige oder spontane Einlesen der Chipkarte des versicherten Heimbewohners beim Hausarzt. Online ist das nicht möglich. Muss ein Heimbewohner ins Krankenhaus, ist der Aufwand für das Heimpersonal groß: Verschiedene Scheine müssen in der Arztpraxis abgeholt, der Krankentransport bestellt und das alles im Vorfeld von der Krankenkasse genehmigt werden.
Viola Knappe, Leiterin des Altenheimes "Abendfrieden" in Niesky, wünscht sich eine bessere Versorgung des Kreises mit Fachärzten, die bei Bedarf auch einen Hausbesuch einrichten können. Der Transport zu Fachärzten ist aufwendig und belastend, egal, ob die Menschen zu Hause leben oder in einem Heim. "In diesem Bereich wäre eine bessere Versorgung und vielleicht auch ein Anreiz für die Ärzte sehr wünschenswert", sagt Viola Knappe.