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Görlitzer Senioren feiern Eiserne Liebe

Hannelore und Heinz Weyrauch sind seit 65 Jahren ein Ehepaar. Ein täglicher Fußmarsch hält sie fit, viel Respekt die Liebe immerwährend.

Von Gabriela Lachnit
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Hannelore und Heinz Weyrauch auf ihrem Balkon in Görlitz nahe der Hochschule. Am heutigen Sonnabend feiern sie Eiserne Hochzeit.
Hannelore und Heinz Weyrauch auf ihrem Balkon in Görlitz nahe der Hochschule. Am heutigen Sonnabend feiern sie Eiserne Hochzeit. © Martin Schneider

Der 7. August ist ein besonderer Tag für Hannelore und Heinz Weyrauch. Die beiden Görlitzer feiern ein seltenes Ehejubiläum: die eiserne Hochzeit. Seit 65 Jahren sind die 86-Jährige und der 89-Jährige verheiratet.

1952 lernten sie sich kennen, beim Tanzabend in Weißkollm. "Früher war am Wochenende immer Tanz", erinnert sich Hannelore Weyrauch. Sie stammt aus Weißkollm, dem heute drittgrößten Ortsteil der Gemeinde Lohsa im Landkreis Bautzen. Heinz Weyrauch arbeitete damals in Knappenrode. So begann schon bald ein gemeinsames Leben, in dem der Bergbau in der Lausitz eine tragende Rolle spielen sollte.

Gemeinsame Wohnung gabs nur mit Trauschein

Heinz Weyrauch stammt aus den ehemals deutschen Gebieten in Tschechien. Die Flucht im Zweiten Weltkrieg verschlug ihn mit Mutter und Schwester in die Nähe von Magdeburg. Dort wollte er die Oberschule besuchen, aber der Mutter fehlte das Schulgeld. Also absolvierte der Sohn eine Ausbildung in der Landwirtschaft, war danach ein Jahr auf einer Landwirtschaftsschule und ging 1951 in den Bergbau. "Von 130 Mark konnte man ja kaum leben, im Bergbau war der Verdienst viel besser", erinnert er sich. Erst war der junge Mann beim Gleisbau in Knappenrode, arbeitete dann auf einer Förderbrücke. Schließlich ging er zum Bergbaustudium nach Senftenberg, das er 1956 abschloss.

Doch auch mit der Heirat war an ein ständiges Zusammenleben nicht zu denken. Heinz Weyrauch arbeitete im Braunkohlenkraftwerk (BKW) Schipkau, Hannelore Weyrauch in Knappenrode. Erst 1958 gab es in Schipkau die erste gemeinsame Wohnung. Doch die Gegend sagte dem jungen Paar nicht zu: nichts los, nur Sandboden und Tagebau. 1959 zogen sie nach Hagenwerder. Fortan arbeiteten beide im Kraftwerk, er als Bergbauingenieur, die gelernte kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung.

Das Hochzeitsfoto von Hannelore und Heinz Weyrauch. Den Stoff für das Kleid kaufte Hannelore Weyrauch in Westberlin, damals stand die Mauer noch nicht. Eine Schneiderin nähte das Brautkleid.
Das Hochzeitsfoto von Hannelore und Heinz Weyrauch. Den Stoff für das Kleid kaufte Hannelore Weyrauch in Westberlin, damals stand die Mauer noch nicht. Eine Schneiderin nähte das Brautkleid. © Foto: privat

Die Tochter macht das Glück perfekt

1965 wurde das Glück perfekt, nachdem beide lange auf Nachwuchs gewartet hatten: Eine Tochter wurde geboren. Für beide war es das herausragendste Ereignis ihrer Ehe, obwohl sie gern noch mehr Kinder bekommen hätten. Aber es sollte nicht sein.

Obwohl die Geburt der Tochter eine Zeit war, die die Eheleute besonders forderte: Es haperte mit Heinz Weyrauchs Gesundheit, er war lange krank, die Frau mit Kind zu Hause. "Es gab damals 60 Prozent vom Lohn als Krankengeld, das waren 360 Mark", sagt Heinz Weyrauch, "es war finanziell schwierig." Hannelore Weyrauch betont, dass es später nie Geldprobleme in der Familie gab. Das lag vor allem daran, dass beide im Krieg aufgewachsen, sparsam und mit wenig zufrieden waren.

Trotzdem waren sie überglücklich, als sie schon 1960 das Geld für ihr erstes eigenes Auto zusammengespart hatten, einen Trabant 500. Nur 1,5 Jahre mussten sie auf das Gefährt warten, "da hatte wohl das BKW Kontingente", vermutet Heinz Weyrauch. Mit dem Trabi ging es fortan in den Urlaub, mal in einen Wohnwagen vom BKW an einen See oder in eine spartanische Privatunterkunft im thüringischen Friedrichroda, "wir waren ja genügsam", erklärt Frau Weyrauch. Später folgten mit der Tochter auch Urlaube am Balaton in Ungarn.

1991 gingen beide in den Ruhestand, nicht ganz freiwillig, denn sie wurden im Kraftwerk Hagenwerder unter den neuen gesellschaftlichen Bedingungen nicht mehr gebraucht. Heinz Weyrauch wäre gern noch ein paar Jahre weiter erwerbstätig gewesen, aber wie so vieles wurde schließlich auch das BKW Hagenwerder abgewickelt.

Die freie Zeit nutzten Hannelore und Heinz Weyrauch nach der Wende, um mehrmals im Jahr die Welt zu erkunden. In Südtirol fanden sie es besonders schön. Heinz Weyrauch steuert übrigens sein Auto immer noch selbst.

Täglich eine Stunde zu Fuß unterwegs

Seit 1997 lebt das Paar in einer schönen Wohnung nahe der Görlitzer Hochschule. "Es ist sehr ruhig hier, wir haben einen großen Balkon und blicken ins Grüne", erklärt Heinz Weyrauch. Für das Mietshaus, in dem das Paar wohnt, macht er noch immer den Hausmeister, stellt die Tonnen raus, wenn der Abholtermin heran ist, mäht den Rasen auf einer Grünfläche und schneidet die Hecke. Den grünen Daumen für die Balkonblumen scheinen aber beide Weyrauchs zu haben.

Den Umzug aus Weinhübel in die Nähe der Neiße bereut das Paar nicht, auch wenn durch das Hochwasser 2010 alles im Keller abgesoffen und vernichtet war. "Die Wohnung in Weinhübel war nicht so schön, Nachbarn, auch ehemalige Bergleute, zogen weg oder starben", erklärt Frau Weyrauch. Außerdem müssen sie jetzt nicht mehr so viele Treppenstufen steigen. Beide Senioren sind jedoch noch sehr fit.

Gegen 7.30 Uhr beginnt der Tag. Der Lektüre der Sächsischen Zeitung folgt täglich ein einstündiger Fußmarsch in die Stadt oder in einen der Görlitzer Parks. Mittagessen kocht Hannelore Weyrauch immer noch selbst. Nur selten hält sie Mittagschlaf, er nie. Heinz Weyrauch ist oft am Computer zugange oder spielt sein Keyboard, Hannelore Weyrauch strickt und häkelt gern. Wenn die Enkelin mal eine Hose zu kürzen hat, erledigt das die Oma gern für sie.

Hannelore und Heinz Weyrauch in ihrer Wohnung.
Hannelore und Heinz Weyrauch in ihrer Wohnung. © Martin Schneider

Nur einen Wunsch: noch lange gesund zusammen bleiben

Regelmäßig treffen sich Hannelore und Heinz Weyrauch mit der Tochter und deren Familie, die auf dem Eigen in einem Eigenheim lebt. Dort gibt es oft Hilfe im Garten.

Die Tochter mit Familie und einige wenige Bekannte werden es sein, die an Weyrauchs Ehrentag gemeinsam zum Festessen gehen. Das jedenfalls wird nicht so karg ausfallen, wie das Festmahl zur Hochzeit vor 65 Jahren. Nur ihre Eltern sowie seine Mutter und Schwester waren bei der Trauung in Bautzen dabei, anschließend ging es in eine Gaststätte zum Mittagessen. "Abends waren wir noch auf dem Rummel, wo es als Abendmahl ein Fischbrötchen gab", erinnert sich Heinz Weyrauch und muss lächeln. "Für einen Polterabend hatten wir nämlich kein Geld, deswegen heirateten wir auch in Bautzen", erklärt er.

Das Geheimnis ihrer langen und glücklichen Ehe sehen die 86-Jährige und der 89-Jährige vor allem im gegenseitigen Respekt und der Akzeptanz anderer Meinungen. "Klar haben wir uns auch mal gestritten, aber da ging es meist um belanglose Dinge", erklärt Frau Weyrauch, "wir vertrugen uns schnell wieder."

Für die Zukunft hat das eiserne Hochzeitspaar nur einen Wunsch: "Wir wollen noch einige Jahre gesund und zusammen bleiben, keiner soll alleine sein", sagt das Jubelpaar, das mit seinem Leben sehr zufrieden ist, nicht nur am heutigen Ehrentag.