So gut leben Familien in Görlitz

Görlitz will familienfreundlich sein. Seit dem Jahr 2012 - dem Amtsantritt von Oberbürgermeister Siegfried Deinege - wird verstärkt daran gearbeitet. Sein Nachfolger Octavian Ursu setzt das seit 2019 fort. Wie weit ist Görlitz auf dem Weg zu diesem Ziel gekommen? Sächsische.de analysiert die Lage.
Kitas: Öffnungszeiten passen nicht zur Schichtarbeit
In Görlitz gibt es 53 Kindertageseinrichtungen (Kitas). Sie umfassen Kinderkrippen, Horte, gemischte Kitas und Tagespflegestellen. Alle zusammen haben eine Kapazität von 4.464 Plätzen. Rein rechnerisch gibt es in Görlitz 579 freie Betreuungsplätze. Tatsächlich belegt werden können davon aber nur 70 bis 80 Prozent. Unter anderem, weil Anmeldungen von Kindern zwar vorliegen, diese aber noch nicht berücksichtigt sind, weil Personal fehlt oder es für Kitas flexible Betriebserlaubnisse gibt. Dennoch ist die Zahl der Plätze ausreichend, auch wenn nicht jedes Kind in der Wunsch-Kita betreut werden kann.
Die Öffnungszeiten der Kitas sind in der Regel Montag bis Freitag von 6.30 bis 16.30 Uhr. In einzelnen Kitas werden die Kinder von 6 bis 18 Uhr betreut. Das kommt Menschen entgegen, die in Schichten oder im Handel arbeiten. Dennoch bleibt es in Familien oft schwierig, Berufstätigkeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen. Eltern, die nicht auf die Hilfe aus der eigenen Familie zurückgreifen können, müssen nicht ganz im Regen stehen: Mehrere Vereine und Organisationen bieten hier Hilfe mit einem Wunsch-Oma-Opa-Dienst oder der Vermittlung von Babysittern an, darunter DRK, ASB und der Verein Görlitz für Familie, der am Demianiplatz ein Familienbüro betreibt.
Wohnen: kaum große Sozialwohnungen zu finden
Freier Wohnraum ist in Görlitz grundsätzlich vorhanden und mit einem aktuellen, durchschnittlichen Mietpreis von 5,59 Euro pro Quadratmeter vergleichsweise günstig. Doch die Krux liegt im Detail: Geförderten Wohnraum, also Sozialwohnungen, für Familien zu finden, ist schwierig. Das zumindest ist die Erfahrung der Mitarbeiter im Familienbüro. Allerdings bemühen sich Vermieter zunehmend, ihre Wohnungsangebote mit Familiengerechtigkeit zu verbinden. Beispielsweise die städtische Wohnungsgesellschaft Kommwohnen.
"Klassiker ist unser Familienwohnareal auf der Albrecht-Thaer-Straße", erklärt Unternehmenssprecherin Jenny Thümmler. Neben Mietergärten, Spielplatz und Bolzplatz gibt es dort für Familien dauerhaft Rabatt pro Kind auf die Kaltmiete. Auch an anderen Orten der Stadt richtete der städtische Großvermieter Fünf- oder Sechsraum-Wohnungen ein, etwa im früheren Studentenwohnheim Am Hirschwinkel oder auf der Frauenburgstraße.
Insgesamt ist der Markt an Wohnungen mit vier oder fünf Räumen in Görlitz leer, sowohl bei Eigentums- als auch Mietwohnungen. Das bestätigt die Görlitzer Maklerin Andrea Zarth. Die Nachfrage sei riesig, aber Neubauprojekte gebe es nicht. Die Nachfrage nach großen Wohnungen stieg besonders während der Pandemie. "Wegen des Homeoffice hätte manche Familie gern ein Zimmer mehr", erklärt Frau Zarth. In einigen Wohngegenden seien größere Wohnungen zwar vorhanden, aber nicht vermietbar, weil das Umfeld nicht stimmt. Sie nennt dabei Krölstraße, Brautwiesenstraße und Rauschwalder Straße als Beispiele. Auf der Bahnhofstraße dagegen zeichne sich eine Besserung ab: Häuser wurden saniert und das Gebiet mit dem Brautwiesenbogen aufgewertet.
Mobilität: Weniger mit dem Auto, mehr mit dem Rad
Görlitz hat mit Bussen und Straßenbahnen einen öffentlichen Personennahverkehr, der alle Stadtteile erschließt. Familienfreundlichkeit in diesen Verkehrsmitteln sei in den Beförderungsbedingungen und Tarifbestimmungen geregelt, informiert Andreas Kolley, Sprecher der Görlitzer Verkehrsbetriebe (GVB). Die GVB beteiligen sich an der Aktion "Familienpass der Stadt Görlitz": Familien mit geringem Einkommen erhalten mit dem Pass unter anderem Vergünstigungen auf bestimmte Fahrausweise.
Neben dem Angebot bietet aber der Komfort in den alten Straßenbahnen immer wieder Anlass zu Kritik. Mit einem Kinderwagen ist das Einsteigen schwierig und nur mit Hilfe möglich. Verbesserungen sollen aber mit den neuen Straßenbahnen ab 2026 einhergehen.
Während tagsüber das ÖPNV-Angebot reichhaltig ist, lässt es abends und nachts zu wünschen übrig, vor allem am Wochenende. Ein Taxi ist dabei keine Alternative, denn das zu bekommen, ist nachts schwer. Kritikpunkt von Familien ist die schlechte Anbindung des ÖPNV zwischen Görlitz und dem Umland. Nicht selten sind Eltern am Nachmittag mit Chauffeurdiensten für die Kinder beschäftigt, weil sie auf dem Dorf wohnen, die Kinder aber Freizeitangebote in der Stadt nutzen - und kein Bus fährt.
In Sachen Mobilität gibt es auch in Görlitz zunehmend ein Umdenken - weg vom Individualverkehr mit dem Auto hin zu mehr ÖPNV und zum Rad fahren, auch mit einem Lastenrad. Mehr Radwege für mehr Sicherheit, Ladestationen für E-Bikes und sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder sind gewünscht und werden sukzessive geschaffen. Antworten auf verändertes Verhalten soll auch das neue Verkehrskonzept geben, das momentan im Görlitzer Rathaus überarbeitet wird.

Freizeit: 46 Spiel- und Sportplätze, Zoo, Bad, Theater
Die Stadt Görlitz schätzen viele Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen gerade wegen ihrer vielfältigen Möglichkeiten, Freizeit zu verbringen. Theater, Tierpark, Neißebad, Berzdorfer See und die zahlreichen Spielplätze nennen die Menschen an erster Stelle. Im Stadtgebiet Görlitz gibt es 28 öffentliche Spielplätze. Dazu kommen vier Spielplätze mit Freizeitsportangeboten und sechs Freizeitsportanlagen. In den Stadtteilen gibt es drei öffentliche Spielplätze, einen mit Freizeitsportangebot und drei Freizeitsportanlagen. Anfang April erst wurde der Spielplatz am Brautwiesenpark in Betrieb genommen.

Sicherheit: weniger Geschwindigkeit, mehr elchstarke Hilfe
Familien wollen in Görlitz sicher leben. Radwege, Geschwindigkeitsbegrenzungen vor Kitas, Schulen und Senioreneinrichtungen sowie die Präsenz von Polizei und Bürgerpolizisten gehören dazu.
Eine Aktion für Kinder sticht hervor: "Elchstark - wir für deine Sicherheit" ist eine Gemeinschaftsaktion vom Lokalen Bündnis für Familie, vom Familienbüro und der Bundespolizei. Hier arbeiten Geschäfte und Einrichtungen in der Innenstadt zusammen und bieten Kindern im Notfall Hilfe an.

Arbeitgeber: Familiäre Belange werden berücksichtigt
"Die meisten Unternehmer in Görlitz sind familienfreundlich", behauptet Edgar Wippel. Er ist der Vorsitzende des Görlitzer Unternehmerverbandes. Freistellungen wegen Krankheit des Kindes werden überall gewährt, bei der Urlaubsgestaltung der Mitarbeiter haben in den Firmen Familien mit Kindern Vorrang, "da wird überhaupt nicht diskutiert", betont Wippel. Auch bei Schichtarbeitern würden familiäre Belange berücksichtigt.
Schulen: Manche sind proppevoll
Schulen sind in Görlitz über das ganze Stadtgebiet verteilt zu finden. Die meisten befinden sich in der Innenstadt, darunter die zwei Gymnasien der Stadt. Die Mehrzahl der Schulen sind kommunale Einrichtungen, aber auch freie Träger bieten Familien alternative Schulbildungen an, gerade wird die neue Evangelische Oberschule in Görlitz gebaut, mitten in der Corona-Pandemie eröffnete die neue Waldorfschule.
Ein Teil der kommunalen Schulen harrt noch immer der Innensanierung, dazu zählen die Oberschule Innenstadt und die Melanchthon-Schule. Gegenwärtig wird die Grundschule Königshufen saniert. Bis 2030 will Görlitz gern alle Schulen einmal saniert haben.
Während es an Grundschulen und Gymnasien ausreichend Plätze für Schüler gibt, fehlt mindestens eine Oberschule in Görlitz. Doch ob Familien ihre Kinder bald in eine neue Oberschule auf der Rauschwalder Straße schicken können, ist ungewiss. Die Finanzierung des Baus ist ungeklärt.
Fazit: Görlitz ist familienfreundlich, aber es gibt noch zu tun
Eine ganze Menge hat sich in Görlitz in puncto Familienfreundlichkeit getan. Alles aufzuzählen, ist unmöglich. Görlitz ist auf einem guten Weg, aber noch bleibt viel zu tun.