Im September hatte sie ihr Geschäft erst eröffnet. Justyna Krakowski war auf der unteren Berliner Straße in den früheren Goldmann-Laden gezogen, unter dem Namen Q-Mode und mit neuem Konzept: Mit toller Mode – darunter vieles aus Italien – die Görlitzer Frauen schön machen, das war ihr Plan. Eine Weile ging er auch auf, die ersten zwei, drei Monate funktionierten gut. „Es hat wirklich Spaß gemacht“, sagt Justyna Krakowski. Aber dann kam die zweite Corona-Welle, der zweite Lockdown. Und dessen Ende ist zwar zunächst auf den 14. Februar datiert, aber so richtig glaubt keiner daran.
Was also anfangen mit den warmen Jacken, Wintermänteln und Strickpullovern? Justyna Krakowski hat verschiedene Ideen. Manches kann sie zurückschicken, anderes will sie reduziert anbieten, sobald sie wieder öffnen darf. „Was ich nicht verkaufe, werde ich aufheben und im Herbst reduziert anbieten.“ Und allzu viel Wintermode hatte sie schon vorausschauend gar nicht bestellt, es sei ja abzusehen gewesen, was passieren würde. Auch wenn die Situation an ihr nagt, es nütze ja nichts, man müsse durch. „Es sind eben schwierige Zeiten und sie betreffen jeden.“
Deshalb will der Bund Unternehmen im Einzelhandel unterstützen. Unternehmen können nun bis zu 1,5 Millionen Euro Überbrückungshilfe pro Monat erhalten. Der Höchstbetrag der Abschläge wird auf 100.000 Euro angehoben, um Unternehmen schnell und effektiv helfen zu können, heißt es vom sächsischen Wirtschaftsministerium. Für verderbliche Ware und für Saisonware der Wintersaison 2020/21 – etwa Weihnachtsartikel, Feuerwerkskörper, aber eben auch Winterkleidung – wird eine Sonderregelung eingeführt: Einzelhändler können ihre Warenabschreibungen zu 100 Prozent als Fixkosten ansetzen. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagt: “Der Bund und der Freistaat halten Wort: Wir lassen in der Corona-Pandemie niemanden im Stich.“

Aber so fühlen sich viele Einzelhändler – im Stich gelassen. Das Unverständnis darüber, warum man nicht öffnen könne, wächst. Auch bei Kerstin Bergmann, die auf der Görlitzer Steinstraße ihr Geschäft „Bergmann’s Mode“ betreibt. „Wir achten doch streng auf die Hygieneregeln und behalten den genauen Überblick, wie viele Kunden gleichzeitig im Geschäft sind. Wer soll sich hier anstecken?“ Doch auch sie fürchtet, dass es wohl noch eine Weile so weitergehen wird. Eine Wiederöffnung Mitte Februar wäre schön, richtig daran glauben kann Kerstin Bergmann nicht. „Im Februar ist es vielleicht noch kalt, dann könnte man Winterkleidung wahrscheinlich noch vergünstigt verkaufen, aber im Frühling dann nicht mehr.“
Frühling ist schon jetzt ein Thema in ihrem Geschäft, aktuell hängt sie bereits Frühjahrsmode raus, „das geht immer fließend im Januar, Februar schon los.“ Vieles, was sie bestellt hat, lässt sie sich aber im Moment nicht anliefern, dazu gibt es Absprachen mit den Händlern. Geliefert werden soll erst wieder, wenn die Geschäfte wieder öffnen dürfen. „Die Ware muss schließlich bezahlt werden.“ Das stellt Kerstin Bergmann und ihre gesamte Branche aber eben vor Herausforderungen. Mieten sind trotzdem zu zahlen, aber Umsätze bleiben aus. Was die neuen Erleichterungen des Bundes genau bedeuten, kann sie noch nicht einschätzen, das will sie mit ihrem Steuerberater besprechen. „Es ist ja völlig unklar, wie das vonstatten gehen wird. Wenn Abschreibungen, was wird dann mit der Winterware? Kommt das dann jemand abholen?“

Danuta Urbanska ist Inhaberin der Modeboutique Lady D in der Straßburg-Passage. Sie hat von dem neuen Hilfsangebot der Regierung noch gar nicht gehört, hofft aber, dass bald etwas geschieht. „Es muss einfach etwas passieren, so kann es nicht weitergehen, die Miete muss ja auch gezahlt werden“, sagt sie. Sie ist auf ziemlich viel Winterkleidung sitzen geblieben, wie sie sagt, und zurück nimmt das auch kein Händler mehr. „Aber gerade bei Jacken und Mänteln sind viele zeitlose, klassische Modelle, die modisch bleiben und immer wieder zu verkaufen sind.“ Das heißt, sie hebt sie auf für nächsten Winter, bestellt dafür aber weniger neue Ware. Und sie ist nicht die einzige. „Alle sagen die Bestellungen ab, höre ich von den Firmen, das ist auch traurig.“
Bei den größeren Modehäusern in Görlitz ist aktuell nicht viel in Erfahrung zu bringen, kaum jemand ist erreichbar oder reagiert auf Anfragen per E-Mail. Von C & A heißt es, die Unternehmensleitung habe noch nicht entschieden, was mit der Winterkollektion werden soll. Es hänge auch davon ab, wann die Geschäfte wieder öffnen dürfen. Fakt ist eins: Viel Zeit bleibt allen Händlern nicht mehr, dicke Wintersachen an den Kunden zu bringen. Im März startet auch beim letzten Einzelhändler die Frühjahrsmode, dann will auch niemand mehr einen warmen Mantel kaufen.