Weltoffen im Einsatz für Glaubens- und Gewissensfreiheit

Von Hans-Wilhelm Pietz
Zum 85. Geburtstag von Pfarrer Hans-Gerhard Wähner an diesem Montag wäre von Dresden zu erzählen, der Stadt seiner Kindheit. Und von Berlin, wo er an der Humboldt-Universität Theologie studierte. Erinnerungen an Nochten und Buchholz in der schlesischen Oberlausitz müssten laut werden, an Leipzig und Markkleeberg, die Orte seines Dienstes und Lebens jenseits von Görlitz.
Die Namen der evangelischen Minderheitskirchen in über 40 Ländern Europas, Lateinamerikas und Asiens wären zu nennen, um die er sich als Generalsekretär des ältesten evangelischen Hilfswerkes Deutschlands, des Gustav-Adolf-Werkes, durch Jahre hindurch bemüht hat: in Polen und Tschechien, in der Ukraine und Russland, in Brasilien oder Chile, Lettland oder Estland. Eine bemerkenswerte Weltoffenheit und ein konsequenter Einsatz für Glaubens- und Gewissensfreiheit haben den Weg dieses Theologen geprägt und gehören zum Schatz seiner Biografie.
Am Beginn der Geburtstagserinnerung aber muss eine Szene aus der Christuskirche in Görlitz-Rauschwalde stehen. Seit einigen Jahren sind er und seine Frau im Ruhestand dort wieder zu Hause, wo er zwischen 1974 und 1990 die Gemeinde leitete. Da trägt er mit, was zu tragen ist, da bringen sich beide ein, da haben sie eine offene Tür für die Familie und die Freunde. Anderen Menschen ein herzliches Willkommen zu vermitteln, das gehört zu Hans Wähner. Würde und Menschenfreundlichkeit strahlen dabei aus.
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So war es auch bei jenem Gottesdienst mit Kindern und Familien zur Tauferinnerung noch vor der Corona-Zeit: Die Kinder aus dem Viertel drängen sich um den in die Jahre gekommenen Pfarrer. Der segnet die in herausgeforderter Zeit Aufwachsenden, legt ihnen die Hände auf. Und dann spricht er die Kinder und die Erwachsenen an. Die Taufe schenkt uns eine unverlierbare Heimat, sagt er. Aber sie setzt uns auch dazu in Gang, das Beste für die Stadt und die anderen Menschen zu suchen. Er zitiert dazu Bertolt Brechts 1950 entstandene Kinderhymne: „Anmut sparet nicht noch Mühe, Leidenschaft nicht noch Verstand, dass ein gutes Deutschland blühe, wie ein andres gutes Land ...“ Die kann er auswendig. Die wäre eine gute Hymne für die Getauften und für uns alle im Land.

Ja, mit Bertolt Brecht kann Hans Wähner sagen, was ihm wichtig ist und dem biblischen Glauben entspricht. Und mit Johann Sebastian Bach kann er das singen. Als Kruzianer in der Internatsschule des Dresdener Kreuzchores hat er dazu in jungen Jahren eine gründliche Ausbildung erhalten und in Berlin als Student das theologische Rüstzeug bei Heinrich Vogel und Hans-Georg Fritzsche. Die großen Opernbühnen und Theater haben ihn immer wieder angezogen. Das Görlitzer Theater nicht minder. Der christliche Glaube freut sich an allem, was zur Kultivierung des Lebens hilft und trägt ja auch selbst dazu Entscheidendes bei.
Als Familie Wähner 1974 nach Görlitz-Rauschwalde kam, waren dort die fünfgeschossigen Neubauten im Bereich der Kopernikusstraße im Entstehen. Der Stadtteil wuchs. Und die Christuskirchengemeinde wusste sich dazu gerufen, die Integration von Neuzugezogenen und „alten Rauschwaldern“ zu befördern.
Hans Wähner vermochte es, viele Ehrenamtliche dazu zu motivieren und mit seinen Predigten und in seiner Seelsorge Mut und Trost zu vermitteln. Als besonders förderlich erwies sich die Zusammenarbeit mit Pfarrer Hans Roch, der das Görlitzer Amt für Gemeindedienst leitete und in Rauschwalde einen regelmäßigen Predigtauftrag wahrnahm. Zusammen mit Hans Roch initiierte Wähner eine durch Jahre hindurch gut angenommene Reihe von Seminaren zur Erkundung des christlichen Glaubens und Kurse für Ehrenamtliche zum Thema „Gemeinde leiten“. Gerade unter den Bedingungen der DDR-Gesellschaft erwies sich die Kirchengemeinde als ein guter Ort für das mündige Lernen und die gemeinschaftliche Wegsuche.

Zur Beheimatung trug dabei auch die von Otto Bartning entworfene und 1938 eingeweihte Christuskirche bei. Sie verbindet ja die Leichtigkeit eines Zeltes mit der Standhaftigkeit eines festen Hauses - zumal mit ihrer „Wetterseite“ zur Landeskrone hin. Hans Wähner wusste diese Vorgaben für den Gemeindeaufbau zu nutzen. Und er half dazu, dass die Arbeit des Görlitzer Kirchenorchesters von 1979 an in ihr einen festen und dankbar genutzten Platz finden konnte.
Nicht weniger prägend wurde die ökumenische Zusammenarbeit in Rauschwalde. Zusammen mit dem katholischen Pfarrer Günter Gottwald begründete Wähner die bis heute anhaltende Tradition der ökumenischen Gemeindefeste am Ort. Wen wundert es, dass in diesem Umfeld und unter Einbeziehung der Partnergemeinden aus dem Oldenburger Land eine rege Jugendarbeit wuchs, aus der erstaunlich viele junge Leute ihren Weg in kirchliche Arbeitsfelder hinein genommen haben.
1988 wurde Hans Wähner zum Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werkes in der DDR gewählt. Er war mit diesem Aufgabenfeld, auf dem sich Christen für die von Vereinzelung und Ausgrenzung bedrohten evangelischen Gemeinden in einer konfessionslosen oder konfessionell anders geprägten Mehrheitsgesellschaft einsetzen, lange vertraut. Im Zuge der Friedlichen Revolution in der DDR konnte er sein Amt aber erst 1990 antreten – und hatte dann Jahre voller Umstellungen der Arbeit und der Strukturen zu gestalten.
Schon 1992 schlossen sich die in der Zeit der deutschen Teilung mit Schwerpunkten in Kassel und Leipzig arbeitenden Gustav-Adolf-Werke aus beiden Teilen Deutschlands zu einem Gesamtwerk mit Sitz in Leipzig zusammen. Zur Vereinigung trafen sich die bislang geteilten Werke in Herrnhut.
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Bei der Vereinigung zweier großer Geschäftsstellen hat Hans Wähner die Chancen, aber auch die Schmerzen der Wiedervereinigung erfahren und zu spüren bekommen. Sein Hauptaugenmerk galt aber der Sorge für Menschen und Gemeinden, die in Asien oder Lateinamerika oder Osteuropa noch vor ganz anderen Problemen standen und stehen als wir.
Ihnen ist er auch im Ruhestand verbunden, den er und seine Frau bis 2011 in Markkleeberg verbrachten und nun in Görlitz erleben dürfen. Die Wünsche zu seinem 85. Geburtstag verbinden sich mit einem Oberlausitzer Hausspruch, auf den er selbst immer wieder gern hinweist: „sperando vigilando“ – in Hoffnung wach und aufmerksam bleiben!