Unsicherheit oder Absicht: Arzt berät Görlitzerin falsch

Marianne Hesse* aus Görlitz ist keine Impfgegnerin. Aber sie ist vorsichtig. Deswegen wollte sie vor einer Impfung gegen das Coronavirus wissen, ob sie vielleicht Antikörper hat. Das Ergebnis stellt Frau Hesse vor Probleme.
Antikörpernachweis auf eigene Kosten
Auf eigene Kosten veranlasste Frau Hesse einen Antikörpertest. Ihr Blut wurde in einem Labor untersucht. 1.420 Antikörper zählte das Labor und bescheinigte, dass bei ihr zu 99,3 Prozent eine Immunität anzunehmen sei.
Frau Hesse hatte offenbar eine symptomlose Corona-Infektion durchgestanden, von der sie nichts bemerkte. "Ich hatte mal ein kleines Kratzen im Hals, das verging schnell", erinnert sie sich. Ein PCR-Test wurde bei ihr nie gemacht. "Alle Schnelltests, die ich auf meiner Arbeitsstelle regelmäßig absolvierte, waren negativ", erzählt die Görlitzerin.
Da sie nun offenbar keine Schutzimpfung benötigt und ihr Hausarzt eine Impfung mit diesen Antikörperwerten ablehnt, wollte Frau Hesse eine Bescheinigung, die sie als Genesene ausweist. Dieses Genesenenzertifikat bekommt sie nicht, weil bei ihr nie eine Infektion mit dem Covid-19-Virus diagnostiziert und die Erkrankung nicht mittels PCR-Test nachgewiesen wurde. Das ist gesetzlich so geregelt. Marianne Hesse gilt als ungeimpft.
Künftig die Tests selbst bezahlen?
Mit diesem Status macht sich die Frau Sorgen, welche finanziellen Belastungen und Einschränkungen sie angesichts steigender Corona-Zahlen und daraus resultierender Bestimmungen bald ohne eigene Schuld treffen. "Künftig werde ich jeden Test selbst bezahlen müssen", befürchtet sie und fühlt sich bestraft, weil es für sie offenbar keine Kategorie zur Einordnung in den Corona-Status gibt.
Impfen lassen, auch wenn Infektionsnachweis fehlt
Doch offensichtlich wurde die Frau von ihrem Hausarzt falsch beraten. Denn das Bundesministerium für Gesundheit sieht die Sache auf SZ-Nachfrage ganz anders. "Auch Personen, die bereits eine Covid-19 Erkrankung durchgemacht haben, ohne dass diese mittels PCR-Nachweis dokumentiert ist, können sich impfen lassen", erklärt Andreas Deffner aus der Pressestelle des Ministeriums. Er verweist darauf, dass Studienergebnisse insgesamt keine Hinweise ergeben hätten, dass die Impfung nach einer durchgemachten Sars-CoV-2-Infektion problematisch wäre.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) kommt zu dem Schluss, dass in diesem Fall keine Gefährdung für Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit der Impfung besteht. In den Zulassungsstudien der beiden mRNA-Impfstoffe waren auch Teilnehmer dabei, die bereits im Vorfeld eine Infektion durchgemacht hatten. Die Impfung wurde von diesen Personen nicht schlechter vertragen.
Bundesministerium empfiehlt Impfung
Der Sprecher weist darauf hin, dass ein Antikörpernachweis nicht als ausreichender Nachweis für eine überstandene Covid-19-Erkrankung erachtet wird, weil die nachgewiesenen Antikörper nicht immer wirksam sind. Die Menge der Antikörper lasse keinen sicheren Rückschluss auf den Schutz vor einer Infektion zu. Außerdem könne der Antikörpernachweis auch durch andere Coronaviren verursacht sein.
- Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an sz.goerlitz@sächsische.de
"Der Bürgerin kann geraten werden, sich erneut an ihren Arzt zu wenden und/oder sich in einem Impfzentrum beraten und impfen zu lassen", erklärt Andreas Deffner. Für die Impfung von Genesenen können alle zugelassenen Covid-19-Impfstoffe verwendet werden.
Sollte im Einzelfall aus medizinischen Gründen eine Impfung nicht möglich sein, können sich solche Personen auch künftig weiterhin kostenlos testen lassen. "Dies betrifft aber nur diejenigen Menschen, bei denen eine individuelle Impfung medizinisch unmöglich ist", betont der Sprecher.
*Name auf Wunsch der Frau geändert