Görlitz
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30 Griechische Schüler zu Besuch in Görlitz

Jugendliche aus Griechenland sind in Görlitz auf historischer Spurensuche. Nächstes Jahr ist ein Gegenbesuch geplant.

Von Connor Endt
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Eine Schülerin aus Görlitz legt eine Rose auf der Grabtafel der verstorbenen griechischen Soldaten ab.
Eine Schülerin aus Görlitz legt eine Rose auf der Grabtafel der verstorbenen griechischen Soldaten ab. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Es ist kalt auf dem Städtischen Friedhof in Görlitz. Sechzig Schülerinnen und Schüler stehen vor der Nikolaikirche, reden durcheinander und lachen. Die Temperatur scheint ihnen nichts auszumachen, obwohl die Hälfte von ihnen aus einer Stadt kommt, in der es aktuell gut 10 Grad Celsius wärmer ist.

Es handelt sich um Schüler aus der griechischen Stadt Souda, die im Norden von Kreta liegt. Im Rahmen eines deutsch-griechischen Austauschprojekts sind sie nach Görlitz gereist, um zu erfahren, welche besondere Verbindung zwischen Griechenland und Görlitz besteht. An dem Projekt sind außerdem je 15 Schüler des Augustum-Annen-Gymnasiums und des Joliot-Curie-Gymnasiums beteiligt. Organisiert wird das Projekt vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Sachsen, das deutsch-griechische Jugendwerk steht als Förderer zur Seite.

Wie 7.000 Griechen nach Görlitz kamen

Griechische Soldaten des IV. Griechischen Armeekorps nach ihrer Ankunft im Herbst 1916 in Görlitz.
Griechische Soldaten des IV. Griechischen Armeekorps nach ihrer Ankunft im Herbst 1916 in Görlitz. © Stadtarchiv Görlitz
Der Trauerzug für den verstorbenen Korps-Leiter Johann Chatzopulos zieht an der Dreifaltigkeitskirche vorbei.
Der Trauerzug für den verstorbenen Korps-Leiter Johann Chatzopulos zieht an der Dreifaltigkeitskirche vorbei. © Stadtarchiv Görlitz
Griechische Soldaten und Offiziere marschieren die Berliner Straße in Görlitz im Herbst 1916 entlang.
Griechische Soldaten und Offiziere marschieren die Berliner Straße in Görlitz im Herbst 1916 entlang. © Stadtarchiv Görlitz

Die gemeinsame Geschichte zwischen Görlitz und Griechenland beginnt während den Wirren des Ersten Weltkriegs. Griechenland ist zu dieser Zeit gespalten, der griechische König Konstantin I. sympathisiert mit den Deutschen, die Regierung in Athen hingegen steht auf der Seite der Alliierten. Eines der griechischen Armeekorps wird 1916 in Nordgriechenland eingekesselt. Korps-Kommandant Johann Chatzopoulos sieht keinen anderen Ausweg, als sich an die Verbündeten in Deutschland zu wenden. Er bittet Generalfeldmarschall Hindenburg um die Aufnahme seiner Truppen in Deutschland. Hindenburg stimmt zu und so kommen 1916 über 7.000 griechische Soldaten nach Görlitz.

Die Truppen wurden im Stadtteil Moys untergebracht, höhere Offiziere durften hingegen bei Görlitzer Familien unterkommen. Viele Soldaten waren geschwächt vom Krieg und der Reise nach Deutschland. Viele von ihnen wurden außerdem durch die spanische Grippe, die damals weit verbreitet war, dahingerafft.

Deutsch-griechische Geschichte lebt in den Neunzigern auf

Der erste griechische Soldat wurde im Oktober 1916 bestattet. Für die griechischen Soldaten wurde damals ein separates Grabfeld auf dem Städtischen Friedhof angelegt, auf dem bis 1923 insgesamt 133 Griechen bestattet wurden. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs reisten die meisten griechischen Soldaten zurück in ihre Heimat. Einige Griechen blieben allerdings auch vor Ort.

„Die Verbindung, die Görlitz zu Griechenland hat, spielte lange keine Rolle“, erklärt Evelin Mühle, Leiterin des Städtischen Friedhofs, den Schülern. Erst in den Neunziger Jahren habe man sich wieder mehr mit der gemeinsamen Geschichte befasst. Das Grabfeld wurde umgestaltet, die Grabmale der Offiziere wieder aufgestellt. Finanziert wurde dieses Unterfangen von der Griechischen Botschaft in Berlin. Mittlerweile gibt es außerdem eine große Grabplatte, auf der die Namen der in Görlitz verstorbenen griechischen Soldaten eingraviert sind.

Schüler gedenken der Kriegsopfer

Griechische und deutsche Schüler auf dem Weg zu den griechischen Gräbern auf dem Nikolaifriedhof in Görlitz.
Griechische und deutsche Schüler auf dem Weg zu den griechischen Gräbern auf dem Nikolaifriedhof in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Die Schüler lesen die Namen der in Görlitz beerdigten griechischen Soldaten.
Die Schüler lesen die Namen der in Görlitz beerdigten griechischen Soldaten. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Eine Görlitzer Schülerin hält eine weiße Rose in der Hand.
Eine Görlitzer Schülerin hält eine weiße Rose in der Hand. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Die Schriftzeichen auf der Grabtafel stammen aus dem griechischen Alphabet, das auch heute noch verwendet wird.
Die Schriftzeichen auf der Grabtafel stammen aus dem griechischen Alphabet, das auch heute noch verwendet wird. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

An genau dieser Grabplatte haben sich die Schüler versammelt und hören Evelin Mühle zu. Niki Stavrou, eine Dolmetscherin aus Souda, übersetzt Mühles Ausführungen. Gemeinsam halten mehrere griechische und deutsche Schülerinnen eine Trauerrede. Neben dem Gedenken an die Opfer des Ersten Weltkriegs geht es auch um die Versöhnung der Völker und um den Frieden auf der Erde.

Im Anschluss singen die griechischen Schüler ihre Nationalhymne, dann legen alle Schüler Rosen auf der Grabplatte ab. Im Hintergrund spielen Diakon Gotthard Pissang und eine deutsche Zehntklässlerin Kirchenlieder auf Trompete und Posaune.

Gegenbesuch wird im Frühjahr stattfinden

Den griechischen Schülerinnen Antigóni, Konstantina und Marisia gefällt die Görlitzer Architektur.
Den griechischen Schülerinnen Antigóni, Konstantina und Marisia gefällt die Görlitzer Architektur. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die drei Schülerinnen Marisia, Antigóni und Konstantina sind das erste Mal in Görlitz zu Besuch. Von der Stadt sind sie begeistert. „Die Gebäude und Straßen sind so schön hier“, schwärmt Antigóni. Alle drei sind erstaunt darüber, dass es eine Verbindung zwischen Görlitz und ihrem Heimatland gibt.

Natürlich freuen sich die 16-Jährigen auch darüber, ihre Heimat mal für eine Weile zu verlassen. „Wir haben uns für das Schulprojekt eingeschrieben, um mal nach Deutschland zu kommen“, erklärt Konstantina. Das Programm der letzten Tage hat den Griechinnen gut gefallen, besonders die Stadtführungen durch Görlitz und Dresden und das Eislaufen auf der frisch eröffneten Bahn am Görlitzer Obermarkt.

Die Schülerinnen und Schüler der Görlitzer Schulen können sich schon auf das kommende Jahr freuen: Ende April ist ein Gegenbesuch in Souda geplant.