Rentner saniert Miethaus in Görlitzer Problemviertel

Erklären kann sich Rainer Kampmann die Geschichte bis heute nicht: Warum hinterlässt jemand eine aufwendige Wandmalerei in einem nassen Kellerraum? Im Vorraum zur Waschküche? „Der Raum war nie etwas Besonderes, hier lief immer Regenwasser durch“, sagt der Eigentümer des Hauses Emmerichstraße 56, direkt neben dem Eingang zur alten Molkerei.

Was der 69-Jährige aber weiß: „Alle Ämter waren von diesem Fund begeistert. So etwas gibt es in Sachsen nicht noch einmal.“ Es ist keine banale Kinderzeichnung, sondern eine anspruchsvolle Malerei. Sie zeigt Figuren aus der griechischen Mythologie. Allerdings würde die Restaurierung 30.000 Euro kosten. Kampmann will das Geld nicht investieren: „Die Haussanierung ist jetzt schon 300.000 Euro teurer als veranschlagt, sie liegt im sehr hohen sechsstelligen Bereich.“ Aber er hat einen Antrag beim Landesamt für Denkmalpflege in Dresden gestellt. Falls von dort Geld kommt, soll das Bild restauriert werden.

Das Haus wurde 1890 erbaut, die Malerei ist möglicherweise fast genauso alt. Von wem sie stammt, ist auch unklar. Im Adressbuch von 1893 taucht als Bewohner im Nachbarhaus ein Genremaler und Zeichenlehrer Johannes Schurig auf. Ab 1906/07 lebte dort der Fotograf und Porträtmaler Otto von Medven, ab 1909/10 dann die Porträtmalerin Ida Boß. „Gegenüber wohnte auch ein Dekorationsmaler, vielleicht war es auch der“, überlegt Kampmann.

Das Haus hat eine bewegte Geschichte. Gebaut wurde es von einem reichen Mann: Dem Zimmermeister und Bauunternehmer Paul Riedel. Er errichtete auch die drei Nachbarhäuser 57 bis 59 und besaß das Land bis hinab zur James-von Moltke-Straße. Die 56 aber war das Herzstück: Unten hatte Riedel vermutlich sein Büro, im ersten Stock, der „Beletage“ soll er gewohnt haben.

Später wechselte es mehrfach den Besitzer, zuletzt waren darin Betriebswohnungen der Molkerei untergebracht. „Die Direktorin hat im dritten Stock gewohnt“, berichtet Kampmann. 2001 bis 2003 soll es der Görlitzer Tafel gehört haben. Diese verkaufte es an einen Mann, den Kampmann als „Häusersammler“ bezeichnet: „Er hat gar nichts an dem Haus gemacht, es regnete ein, das Haus verfiel immer mehr.“

Doch dann starb der Sammler überraschend früh, das Haus fiel an sieben Erben, von denen es Kampmann kaufen konnte. Der pensionierte Handelsvertreter lebt 40 Kilometer nördlich von Hannover in der Heide und hatte eigentlich gar keinen Bezug zu Görlitz. Zu Häusern aber schon: Als Altersvorsorge hat er sich ein Mietshaus in Ostwestfalen gekauft, wo er früher lebte.

„Mein Sohn hat Görlitz durch seine Tätigkeit als Makler kennengelernt und sich ein Haus in der Sohrstraße gekauft“, berichtet Kampmann. Dann habe ihn der Sohn durch Görlitz geführt: „Die geschlossene Bebauung machte Eindruck auf mich.“ An dem Haus Emmerichstraße 56 seien sie dreimal vorbeigekommen: „Die Front sah sehr gut erhalten aus, es ist eine tolle Fassade.“ Er habe gleich gesehen, dass der Bauherr kein Armer war.

Kurze Zeit später stand es zum Verkauf, der Preis war günstig, sodass Kampmann nicht lange überlegte und das Haus 2018 kaufte. Doch er musste feststellen, dass es von innen längst nicht so gut erhalten war. Schon im Januar 2019 begann die Sanierung. „Sie sollte längst abgeschlossen sein“, sagt er. Doch Baufirmen sind schwer zu finden. Und ausgelastet. Das ist – neben den Forderungen des Denkmalschutzes – ein Hauptgrund für die Verzögerungen und auch für den Preisanstieg bei der Sanierung. Dazu kam der schlechte Zustand: Statt der geplanten acht bis zehn mussten 26 Decken getauscht werden, weil sie Feuchteschäden aufwiesen.

Doch auf das, was geschafft ist, kann Kampmann mit Recht stolz sein: Original erhaltene und nun fachgerecht restaurierte Treppenhäuser mit alten Türen und Gläsern, ein paar Räume mit Stuckdecken, Holzdielenböden in fast allen Räumen, große Bäder mit Dusche und Wanne: Das Haus strahlt wieder den Reichtum aus der Bauzeit aus. Im Parterre gibt es eine 136-Quadratmeter-Wohnung und dazu eine winzige Ein-Raum-Wohnung, die Kampmann und seine Frau bewohnen, wenn sie in Görlitz sind. Das Herzstück sind die drei 180-Quadratmeter-Sechsraum-Wohnungen in den Etagen darüber sowie zwei 80 und 90 Quadratmeter große Wohnungen im Dach. „Bis auf das dritte Obergeschoss soll alles ab Juli oder August vermietet werden“, sagt er. Zig Fertigstellungstermine seien schon geplatzt: „Aber nun soll es gelingen.“

Mieter gibt es noch keine: „Ich habe noch nicht mit der Suche begonnen.“ Nur für die Mini-Gästewohnung im Parterre ist alles klar: „Die behalten wir selbst.“ Auch die Preise stehen noch nicht fest, werden sich aber wohl bei sechs bis 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter bewegen. Kampmann hofft, sich die Mieter aussuchen zu können: „Ich möchte Menschen, die gut mit dem umgehen, was da ist.“ Das Haus sei nicht Luxus, „aber etwas Schönes.“ Der Hof wird begrünt: Mit Rhododendren, Spielwiese und Sträuchern. Und der Kellerraum mit der Malerei? Er bleibt ein Durchgangszimmer ohne Funktion, sagt Kampmann.
