Wie verloren Nathans ihr Haus Postplatz 6?

Der neulich auf saechsische.de erschienene Text über die spannende Geschichte des Hauses Postplatz 6 hat für viel Interesse gesorgt – und für Nachfragen. Leser Peter Müller beispielsweise will wissen, ob das Gebäude im Jahr 1933 enteignet wurde oder ob es die Familie Nathan verkauft hat. Nathans waren jüdische Görlitzer Juristen. Unter ihnen war Hans Nathan, späterer Professor und Dekan der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin und Ehrenbürger der Stadt Görlitz.
„Ich gehe davon aus, dass sie es unter Zwang verkaufen mussten“, sagt Kai Wenzel vom Kulturhistorischen Museum: „Enteignungen waren in der NS-Zeit eher nicht üblich.“ Stattdessen sei Zwang über Berufsverbote, enorme Steuerforderungen oder ähnliches ausgeübt worden, bis nur noch der Verkauf blieb – und dieser dann meist weit unter Wert. „Leider ist eine wichtige Zeitzeugin, die in Görlitz geborene Tochter von Hans Nathan, vor zwei Jahren verstorben“, berichtet Wenzel.
Gedenktafel erinnert an Nathan
Da Albert Nathan danach auch nicht mehr im Görlitzer Adressbuch zu finden ist, dürfte er aus Görlitz weggegangen sein. Im Haus des Deutschen Richterbundes in Berlin gibt es seit 2010 eine Gedenktafel, die an Juristen erinnert, die während der NS-Zeit verfolgt wurden. Darauf findet sich auch der Name Albert Nathan.
Darüber hinaus empfiehlt Wenzel, sich die Geschichte der Häuser Postplatz 5 und 6 in den Anfangsjahren der NS-Diktatur gemeinsam anzuschauen. Es sind exakt die beiden Gebäude, die Eigentümer Winfried Stöcker zugunsten eines erweiterten Parkhauses mit breiterer Zufahrt abreißen will.
Die Nazis waren im Nachbarhaus
Im Haus Postplatz 6 befand sich zu dieser Zeit – wie neulich berichtet – die Kanzlei von Albert Nathan, Dr. Hans Nathan und Dr. Alwin Glätzner. „Sie waren wahrscheinlich von den Ausschreitungen gegen jüdische Görlitzer Juristen betroffen, die sich Ende März/Anfang April 1933 ereigneten“, sagt Wenzel. Der Jurist Paul Mühsam berichtet in seinen Erinnerungen darüber.
Bereits zum 1. Juli 1933 musste die Kanzlei Nathan und Glätzner aufgrund der wachsenden Repressalien des NS-Regimes gegen jüdische Juristen aufgelöst werden. „Dieses Datum belegt ein Schreiben, das wir vor zwei Jahren für unser Museum ankaufen konnten“, so Wenzel. Im Nachbarhaus Postplatz 5 befand sich die Kreisleitung der NSDAP für den Bereich Görlitz-Land: „Die Orte der Täter und Opfer der NS-Diktatur liegen damit bei den Häusern Postplatz 5 und 6 direkt nebeneinander.“