Das sind die jungen Casus-Forscher

Als Pia Hanfeld studierte und sich mit Künstlicher Intelligenz und Autonomem Fahren beschäftigte, sah sie sich schon in einer westdeutschen Großstadt bei einem großen Fahrzeughersteller arbeiten. "Ich hatte mich darauf eingestellt, für lange Zeit nicht nach Görlitz zurückkehren zu können", sagt die 26-Jährige.
Doch dann erfuhr sie Ende 2019 von der Gründung eines neuen Forschungsinstituts in Görlitz. "Mein Herz schlug höher, als ich auf der Casus-Homepage las, dass eins der Forschungsthemen das Autonome Fahren ist!"
Künstliche Intelligenz hacken
Darauf hat sich Pia Hanfeld spezialisiert. Sie erforscht die Sicherheit automatischer Steuerungssysteme von Fahrzeugen, indem sie versucht, sich in sie einzuhacken, um später herauszufinden, wie man diese Schwachstelle vermeiden kann. "Künstliche Intelligenz lässt sich verwirren, wenn sie zum Beispiel ein Bild, eine Botschaft verarbeitet, die wir Menschen gar nicht sehen können."
Wenn nun die Kamerabilder oder Sensoren, nach denen sich die Künstliche Intelligenz beim Fahren richtet, gestört sind oder manipuliert wurden, kann es passieren, dass das Auto andere Dinge tut, als es soll. Um diese Systeme sicherer zu machen, braucht es Menschen wie Pia Hanfeld.
Die junge Frau wurde in Leipzig geboren und wuchs in Seifhennersdorf auf. Später zog ihre Familie nach Görlitz. Hier verbrachte Pia Hanfeld die letzten Jahre ihrer Schulzeit und machte am Curie Abitur. Dort war sie bei Weitem nicht das einzige Mädchen, das sich für ein naturwissenschaftliches Studium interessierte.
Informatik statt Medizin studiert
"Eigentlich wollte ich Ärztin werden, aber für ein Medizinstudium hätte ich einen besseren Abidurchschnitt gebraucht." Deshalb ließ sie sich erst einmal zwei Jahre lang zur staatlich anerkannten Rettungsassistentin ausbilden und überlegte dann neu: Einfach arbeiten gehen und Geld verdienen oder doch noch studieren?
Da sie sich schon immer gern mit Videospielen befasste und erfahren wollte, wie man sie programmiert, entschied sie sich für einen Studiengang, der ihre Interessen verband: Allgemeine und digitale Forensik an der Hochschule Mittweida.
"Ich hätte mich auch für die Polizeiarbeit spezialisieren können", sagt Pia Hanfeld, "aber ich habe mich auf die Informatik konzentriert." Ihre Masterarbeit im Gebiet Cybercrime und Cybersecurity, also Kriminalität und Sicherheit im Internet, schreibt sie über die Sicherheit autonomer Fahrsysteme. Danach wird sie voraussichtlich bei Casus bleiben können. "Denn der Forschungsbereich Autonomes Fahren soll hier weiter ausgebaut werden."
Simulationen für große Veränderungen
Insgesamt arbeitet Casus, ein Institut des Dresdner Helmholtz-Zentrums, das mit weiteren Forschungszentren kooperiert, interdisziplinär und verbindet damit die Forschungen mehrerer Fachrichtungen miteinander. Vor allem geht es darum, große, abstrakte Datenmengen in Simulationen sichtbar zu machen, damit man verschiedene Prozesse beobachten, daran lernen und versuchen kann, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Etwa Veränderungen des Klimas, die Bewegung des Universums oder auch Vorgänge in menschlichen Zellen.
Bei Casus arbeiten aktuell rund 25 Menschen aus aller Welt, in zwei Jahren sollen es doppelt so viele sein. Das Gebäude am Untermarkt ist bereits jetzt ausgelastet. Das frühere Kondensatorenwerk an der Uferstraße ist als zukünftiger Sitz von Casus vorgesehen, aber die Sanierung braucht Zeit. Deshalb sucht das Institut aktuell nach einem weiteren Gebäude in Fußnähe zum Untermarkt, in dem sich schnell Büroräume einrichten lassen.
Junge Frau im "Männerberuf"
In der Mehrzahl arbeiten bei Casus Männer, aber eben auch Frauen wie Pia Hanfeld. Damit ist sie ein Beispiel, das Hoffnung macht auf eine Trendwende: Heißt es häufig, junge Frauen im Osten Deutschlands fehlten heute in naturwissenschaftlichen Berufen, so haben in ihrem Informatikstudiengang zur Hälfte Frauen studiert.
Und sie ist ein Beispiel für junge, gut ausgebildete Frauen, die in Görlitz bleiben wollen und auch die Möglichkeit dazu haben. "Für mich und meine Familie ist es wunderbar, dass ich wieder nach Görlitz zurückkommen konnte", sagt Pia Hanfeld.
Viele sehen das Potenzial der Stadt nicht
"Und ich bin – auch wenn das pathetisch klingt – glücklich, meiner Stadt etwas zurückgeben zu können." In ihrer Jugend hatte sie den Umzug nach Görlitz als befreiend erlebt. Heute spürt sie, wie sich ihre Wahlheimat weiter zum Positiven verändert hat. Die Rabryka und die Initiativen auf der Jakobstraße nennt sie als Beispiele.
"Viele beschweren sich nur darüber, dass die jungen Leute wegziehen und sich nichts verbessert", sagt Pia Hanfeld. "Dabei sehen sie gar nicht, wie viel um sie herum geschieht und wie viel Potenzial die Stadt hat!" Ihre Kollegen oder auch Gäste des Instituts seien oft begeistert und erstaunt, was Görlitz alles zu bieten hat.
"Und wenn wir bei Casus immer mehr werden", sagt Pia Hanfeld, "können wir vielleicht dazu beitragen, den Altersdurchschnitt in Görlitz zu senken und das Durchschnittsgehalt heben." Das könne eine tolle Botschaft in die Welt sein, die zeigt, dass man in Görlitz gut leben und auch arbeiten kann.