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Ist die Europastadt Görlitz/Zgorzelec nur ein schöner Schein?

Kinga Hartmann-Woycicka leitet das Stalag-VIII-A-Zentrum in Zgorzelec. Sie vermisst deutsch-polnische Diskussionen über EU, Nato und gemeinsames Kulturerbe. Und hat auch einen Vorschlag.

Von Sebastian Beutler
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Kinga Hartmann in den Ausstellungsräumen des Stalag-VIII-A-Zentrums in Zgorzelec.
Kinga Hartmann in den Ausstellungsräumen des Stalag-VIII-A-Zentrums in Zgorzelec. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Vor wenigen Tagen feierte Kinga Hartmann-Woycicka ihren 70. Geburtstag. Noch immer leitet die studierte Pädagogin weitgehend ehrenamtlich das Stalag-VIII-A-Zentrum in Zgorzelec. Zuvor hatte sie sich für Lehrprogramme zum Polnischunterricht an deutschen Schulen eingesetzt und Schulbücher entwickelt. Zahlreiche Publikationen stammen von ihr, oft in Zusammenarbeit mit ihrem Mann, dem Publizisten Kazimierz Woycicki. Abwechselnd lebt sie in Warschau und Görlitz/Zgorzelec. Sie ist sogar Mitglied der CDU in Görlitz. Für ihr grenzüberschreitendes Wirken ist sie häufig schon ausgezeichnet worden, zum Beispiel mit der Ehrenmedaille der Europastadt Görlitz/Zgorzelec, mit der Medaille der Kommission für Nationale Bildung vom Warschauer Bildungsministerium oder auch mit der Dankesurkunde für besondere Verdienste für das deutsch-polnische Verhältnis, die der deutsche Botschafter in Warschau jedes Jahr vergibt.

Frau Hartmann-Woycicka, Sie haben soeben einen runden Geburtstag gefeiert. Bei aller Agilität, andere genießen in diesem Alter ihren Ruhestand. Warum tun Sie das nicht auch, sondern leiten die Stiftung Erinnerung, Bildung und Kultur in Zgorzelec, die das Stalag-VIII-A-Zentrum unterhält?

Die Frage habe ich mir auch gestellt. Ich bin in den 1950er Jahren in Warschau aufgewachsen, als noch an jeder Ecke der Krieg zu sehen war. Der Krieg hatte auch in meiner Familie Opfer verlangt, die Deutschen galten für uns nur als die Täter. Später, als Teenager, stellte ich mir die Frage, ob dieses Bild nicht zu einseitig war und wie die Deutschen wirklich sind und wie es dazu kam, dass sie Europa und die Welt mit Krieg überzogen hatten. Die Bildung im kommunistischen Polen gab darauf keine Antworten. Und so versuchte ich durch Kontakte während meines Studiums zu westdeutschen Altersgenossen und später, als ich in Bremen lebte und arbeitete, selbst Antworten zu finden. Als Migrant suchte ich nach Wegen, die Kultur meines Landes einerseits zu vertreten und andererseits aber auch eine Nähe zu den Deutschen zu finden. Und nun nach einem langen Berufsleben haben mich die Folgen des Krieges wieder eingeholt.

Sehen Sie sich in die Pflicht genommen durch die Stalag-VIII-A-Gedenkstätte?

Die sieben Jahre, seit ich die Stiftung leite, sind so schnell vergangen. Die Gedenkstätte brauchte ein Konzept, musste eingerichtet werden, Hunderte Gespräche habe ich geführt, die bis heute auch nicht immer einfach sind. Doch es ist noch nicht der Zeitpunkt, um wegzugehen.

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