Sabine Vetter verkauft die „Birgit“, die „Melody“, „Wendy“ und neun weitere Kartoffelsorten an einem Stand auf der Gartenstraße. „Viele Sorten haben Frauennamen“, erklärt sie. Männernamen klängen nicht so toll, meint sie Augen zwinkernd. Wobei es ja auch alte Kartoffelsorten namens „Reichskanzler“ oder „Heideniere“ gibt. Über die Erdäpfel lässt es sich philosophieren an Frau Vetters Verkaufsstand. Dass die Landwirtin da nun freitags steht, darüber ist die Mengelsdorfer Landwirtin froh.
Denn mit ihren selbst angebauten Kartoffeln auf Feldern in Reichenbach und Mengelsdorf beliefert die Mutter von vier Kindern unter anderem Gaststätten. Die haben in Corona-Zeiten geschlossen. Und Frau Vetter bekommt ihre Ernte nun nicht mehr überall an Frau und Mann gebracht. Es habe sich einiges geändert im Laufe des letzten Jahres, erzählt sie. Mit teils auch positiven Auswirkungen: Da immer noch viele Läden geschlossen haben, spielten die einheimischen Produkte eine immer größere Rolle im Verbraucherverhalten, sind ihre Erfahrungen. Neben ihrem Stand dampft es aus einem Topf: Heiße Pellkartoffeln zum Verkosten – mit einer Prise Salz. Im Supermarkt gibt’s einen solchen Service nicht.

Beliefert hat Sabine Vetter vor dem Gastro-Lockdown auch den Reichenbacher „Schwabenpfeil“. Da können zwar aktuell wegen der Corona-Regelungen keine Gäste in der urigen Stube sitzen und sich vom Wirt aus dem Schwabenland bedienen lassen. Winfried Neuer und seine Frau Martina bieten allerdings Speisen zum Mitnehmen an. Gastro to Go – ein Konzept aus der Not geboren, welches viele Gaststätten für sich entdeckt haben.
Nun machten Martina und Winfried Neuer aus der Not eine weitere Tugend. Bereits nach dem ersten Lockdown ging es los. Sie richteten bei sich im Hof einen kleinen Markt ein. Ausschließlich regionale Waren von regionalen Erzeugern sollen und werden angeboten. Eier vom Bauern, Gemüse vom Gärtner, Fleisch vom Bauernhof und mehr. Neben den urigen, mit Leinenrolltüchern bedeckten Tischen gackert eine Schar Seidenhühner auf der Wiese. Auf ihrem Grundstück neben dem Kinderhort backen Neuers selber Brot im Holzbackofen, verkaufen Aufstriche, Eingemachtes und andere Köstlichkeiten – alles in Handarbeit hergestellt, teilweise in Gläsern eingeweckt - ein bisschen wie zu Großmutters Zeiten, als die Vorratshaltung noch Usus gewesen war.
Molkereiprodukte fehlen beim Regio-Markt noch
Im Frühling kommt ein Landwirt aus Vierkirchen dazu, der frisch geerntete Bioprodukte vom Tettaer Feld mitbringt. Jetzt ließen Neuers ein Bio-Schwein aus Freilandhaltung schlachten. Bei Großdubrau verarbeiteten sie zusammen mit einem Fleischer das Schwein zu Blut- und Leberwurst, Speck und Rauchwurst. Molkereiprodukte fehlen beim Regio-Markt noch. „Da freuen wir uns, wenn sich jemand meldet, der selber Joghurt, Käse und andere Dinge herstellt und bei uns mitmacht“, sagt der Gastwirt.
Das Konzept kommt an. Mittlerweile habe sich der kleine Regionalmarkt bis zur Kundschaft nach Görlitz und Löbau herumgesprochen, wie Winfried Neuer erzählt. Und das Ganze soll weiter wachsen.

Am 1. April plant das Ehepaar neben dem Hofverkauf, diesen auf einen überschaubaren Ostermarkt zu erweitern. „Wir würden uns über Anbieter von Frischeprodukten aus eigener Herstellung freuen“, sagt der Unternehmer. Bedingung sei, selbst vor Ort zu sein. Standgebühr wird nicht erhoben. Neuers haben aber noch mehr Ideen, wenn Corona vorbei ist. So schwebt Winfried Neuer vor, eine kulinarische „Meile“ auf der Gartenstraße mit den Anwohnern zu veranstalten. Auch der Reichenbacher Marktplatz könnte an einem Tag im Jahr ganz im Sinne der Regionalität stehen. „Händler aus dem Ort und dem Görlitzer Umland die gleichzeitig selber Produzenten sind, sollen da mitmachen“, blickt der Gastwirt in die Zukunft. Markttage gibt es zwar bereits zweimal wöchentlich. Da machen aber nicht nur Händler aus der nahen Umgebung mit.
Andrea Köhler, Landwirtin in Arnsdorf, erlebt ebenfalls einen Boom regionaler Lebensmittel. Sie verkauft im kleinen Hofladen freitags Eier von ihren 60 freilaufenden Hühnern, Honig aus dem Nachbarort, Kartoffeln, Nudeln, Wurst im Glas, Käse und täglich Milch von ihren Kühen in Direktvermarktung. Die Nachfrage sei hoch. „Das Bewusstsein der Leute in Bezug auf regionale Waren steigt“, hat sie beobachtet. Warum sollte Rindfleisch beispielsweise aus Übersee mit langem Transportweg besser sein, als das, was die einheimischen Bauern vor Ort produzieren? Andrea Köhler lässt bald eins ihrer Rinder schlachten und vom Fleischer fachgerecht zerlegen. Rouladen, Steaks, Hackfleisch und mehr werden hergestellt. Dafür gibt es dann den Schlachtverkauf. Der nächste findet am 12. März statt – und es gebe jetzt bereits jede Menge Vorbestellungen dafür, wie Köhler sagt.