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"Es muss ein Schrei durch Görlitz gehen"

Nachdem Details eines neuen Theater-Sparkonzeptes bekannt geworden sind, äußert sich der Görlitzer Theater- und Musikverein.

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Das Görlitzer Theater ist wieder einmal gefährdet.
Das Görlitzer Theater ist wieder einmal gefährdet. © Pawel Sosnowski

Von Renate Winkler, Vorsitzende des Theater- und Musikvereins Görlitz

Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich der Theater- und Musikverein für kulturelle Vielfalt in Görlitz. Als langjährige Vorsitzende kenne ich in mehr als 30 Jahren einige Gutachten mit dem Ziel, die künstlerische Arbeit am Gerhart-Hauptmann-Theater neu zu lenken besser zu stutzen. Es sollten mal der Chor, dann das Tanzensemble abgewickelt oder das Orchester geschrumpft werden. Die Verwirklichung dieser Pläne, an Schreibtischen fern von Görlitz ersonnen, scheiterte an der Praxis, denn ohne Menschen lassen sich keine emotionalen Erlebnisse schaffen.

Auf einem Gipfel der Corona-Pandemie wird heimlich, still und leise für viel Geld ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. Das bisherige Verfahren ist nicht transparent, sondern wird – soweit dies bekannt ist – hinter dem Rücken der Betroffenen und der Öffentlichkeit geführt. Der Wunsch von Verwaltung und Politik sich des kostenintensiven Musiktheaters zu entledigen, ist in der Bevölkerung bekannt. Für die Formel „Schließung = Kostenersparnis“ bedarf es keines teuren Gutachtens.

Renate Winkler ist seit Jahren Vorsitzende des Theater- und Musikvereins Görlitz.
Renate Winkler ist seit Jahren Vorsitzende des Theater- und Musikvereins Görlitz. © privat

Wenig Sensibilität bei Landrat Lange

Auf den Hinterbühnen scharren Musiker, Sänger, Schauspieler und Tänzer mit den Füßen. Sie wollen arbeiten, weil sie spüren, wie wichtig ihre Präsenz für andere Menschen sein kann, selbst wenn sie nur als Video im eigenen Wohnzimmer wahrgenommen wird. Zu dieser Zeit nicht Mut zu machen, sondern Verunsicherung zu schaffen, zeugt von geringer Sensibilität, Herr Landrat Lange.

Aber eines muss man dem neuen Gutachten lassen, es wird nicht mehr gekleckert, es wird geklotzt. Görlitz verliert das Orchester für Musiktheaterproduktionen, den Chor, Sänger und Tänzer, es verliert einen kulturellen Leuchtturm der Stadt. Es bleibt ein einst von Bürgern erbautes Kleinod, als leere Hülle, das Gäste einladen darf.

Wir wollen, dass das, was heimlich in Auftrag gegeben und ersonnen wurde an Schreibtischen fern von Görlitz, öffentlich, lautstark, aber fair und voranbringend diskutiert wird. Der Theater- und Musikverein wünscht sich, dass ein Aufschrei durch Görlitz geht.

Ein Schlag unter die Gürtellinie für neuen Intendanten

Bisher bleibt offen, ob sich das Gutachten damit auseinandergesetzt hat, welche positiven Auswirkungen das Musiktheater für den Tourismus und die Wirtschaft hat. Von Produktionen des Musiktheaters wurde positiv berichtet und der Kreis Görlitz überregional bekannt gemacht. Viele Institutionen sind indirekt betroffen: Hotels, Gastronomie, Schulen, Musikschulen, Kindergärten, um nur einige zu nennen. Weitere Gedanken sollten wir erwägen. Hat man die Abfindungen schon errechnet, die an langjährig Beschäftigte gezahlt werden müssen.

Die Stelle für einen Generalintendanten eines Vier-Sparten-Theaters wurde ausgeschrieben – während das Gutachten erstellt wurde? – und mit Dr. Daniel Morgenroth im Juni 2020 neu besetzt. Seit dieser Zeit arbeitet er sehr engagiert an Zukunftsplänen beider Häuser. Gewiss beflügeln auch ihn die Pläne der Kulturentwicklung in der Lausitz nach dem Kohleausstieg. Ist das alles Schall und Rauch?

Dann wird mir angst und bange um die Kultur vor Ort. Schnell aus dem Boden gezauberte Festivals helfen nur bedingt weiter, wenn über Generationen gewachsene Einrichtungen kaputtgespart werden. Beides mit Augenmaß zu betreiben, Altes zu bewahren und zu entwickeln und Neuem Raum zu geben, wäre nötig. Von trinationalen Kulturangeboten dürfen wir auch nur noch träumen. Tanz- und Musiktheater sind ein Angebot zum Nachbarn, das keine Sprachbarriere kennt.

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