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Rückkehr eines Kriegsverlustes nach Görlitz

Eine junge Frau, deren Blick fasziniert – so gestaltete der Maler Anton Graff um 1780 ein geheimnisvolles Bildnis, das er nie vollendete. Jetzt startet der Förderverein des Görlitzer Museums eine Spendenaktion.

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Unvollendet und geheimnisvoll - so gestaltete der Maler Anton Graff dieses geheimnisvolle Bildnis, das das Görlitzer Museum nun erwerben will. Dafür startete es eine Spendensammlung.
Unvollendet und geheimnisvoll - so gestaltete der Maler Anton Graff dieses geheimnisvolle Bildnis, das das Görlitzer Museum nun erwerben will. Dafür startete es eine Spendensammlung. © KMG

Von Kai Wenzel, Kunsthistoriker an den Städtischen Sammlungen Görlitz

Im 18. Jahrhundert war Anton Graff der berühmteste Porträtmaler Mitteleuropas. In seinem Dresdener Atelier entstanden die Bildnisse namhafter Persönlichkeiten wie der Dichter Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Schiller, des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. oder des Oberlausitzer Universalgelehrten Adolf Traugott von Gersdorf.

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Unter Graffs mehr als 2.000 Gemälden gibt es eine sehr kleine Gruppe unvollendeter Werke. Zu ihnen gehört das Bildnis einer jungen Frau, deren Name nicht überliefert ist. Genauso unklar ist auch, warum Graff ihr Porträt nicht zu Ende malte. Im unfertigen Zustand erlaubt es heute einen einzigartigen Blick in die Arbeitsweise des Künstlers. Während er das Gesicht der sanft lächelnden Frau bis in feinste Details fertigstellte, scheint ihre hochgesteckte Frisur direkt in den nur angedeuteten Hintergrund überzugehen. Dadurch entsteht eine einzigartige Wirkung, die bereits auf die Kunst der Moderne vorauszuweisen scheint.

Anton Graffs Gemälde gelangte 1901 als Geschenk des Görlitzer Malers Theodor Thieme in das Kaiser-Friedrich-Museum (heute Kulturhistorisches Museum der Görlitzer Sammlungen). Dort gehörte es zu den Glanzstücken der Dauerausstellungen in der Oberlausitzer Gedenkhalle, bis es im Zweiten Weltkrieg verloren ging. Zusammen mit weiteren Kunstwerken war es 1943 auf das südlich von Görlitz gelegene Schloss Kuhna (heute polnisch Kunów) ausgelagert worden.

Seitdem galt es als verschollen wie zahlreiche weitere Kunstwerke aus der Museumssammlung, die in Kuhna eingelagert waren. Einige von ihnen tauchten in den vergangenen Jahren auf dem Kunstmarkt wieder auf. Da es jedoch keine juristischen Mittel gibt, um solche Kriegsverluste für das Kulturhistorische Museum zurückzugewinnen, bleibt nur die Möglichkeit des Rückkaufs. Sie besteht aktuell für Anton Graffs Bildnis einer jungen Frau, das sich gegenwärtig in norddeutschem Privatbesitz befindet, aber hoffentlich bald nach Görlitz heimkehren kann.

Damit dies gelingt, hat der Förderverein „Freunde der Görlitzer Sammlungen“ jetzt eine Spendensammlung gestartet. Der Rückerwerb des Gemäldes soll 20.000 Euro kosten. Dafür stehen Fördermittel zur Verfügung, für die jedoch ein Eigenanteil von 4.000 Euro aufzubringen ist. Um diese Summe zusammenzutragen, findet eine 30-tägige Crowdfunding-Aktion auf der von den Görlitzer Stadtwerken betriebenen Internetseite „Görlitz Crowd“ statt.

Der Förderverein und die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur hoffen auf eine möglichst große Unterstützung, damit das Bildnis der jungen Frau von Anton Graff nach fast 80 Jahren wieder nach Görlitz zurückkehren kann. Künftig soll es einen festen Platz in der Dauerausstellung des Museums im Barockhaus Neißstraße 30 erhalten und damit wieder für die Öffentlichkeit sichtbar werden.

Weitere Information zur Crowdfunding-Aktion erhalten Sie unter: www.goerlitz-crowd.de/rueckkehr.