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Sparkonzept empfiehlt Aus fürs Musiktheater Görlitz

Auch das Zittauer Schauspiel würde einbüßen, wenn es nach dem Papier geht, das Landrat Bernd Lange initiiert hat. Bautzen käme fast ungeschoren davon.

Von Sebastian Beutler
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Die Jungen Konzerte zogen vor Corona Hunderte Kinder und deren Eltern in das Theater Görlitz.
Die Jungen Konzerte zogen vor Corona Hunderte Kinder und deren Eltern in das Theater Görlitz. © Pawel Sosnowski

Die Liste der Referenzen ist eindrucksvoll: Wiener Staatsoper, Staatstheater Stuttgart, Luzerner Theater, Opernhaus Zürich. Die Münchner Beratungsfirma actori erklärt sich nicht umsonst auf ihrer Internetseite "führend in der Beratung und Vermarktung von Kultur-, Entertainment- und Bildungsinstitutionen". Und actori kann auf renommierte Persönlichkeiten als Förderer verweisen. So steht an der Spitze des Beirates der Münchner Firma der wohl bekannteste Unternehmensberater Deutschlands, Roland Berger.

Auch in der Lausitz hat actori bereits Duftnoten hinterlassen. Für den Landkreis Bautzen entwickelte das Unternehmen Vorschläge für eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Sorbischen Nationalensemble und dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater, im Moment ist es an der Entwicklung des Kulturplans Lausitz beteiligt. Und jetzt liegt ein Reformpapier für die Theaterlandschaft in der Oberlausitz vor.

Neues Gutachten liegt vor

Bereits seit über einem Jahr ziehen sich die Diskussionen und Gespräche hin, die vom Görlitzer Landrat Bernd Lange angestoßen worden waren. Er will die Theaterfinanzierung auch dann absichern, wenn der Kulturpakt Ende 2022 mit zusätzlichen Geldern aus Dresden ausläuft. Im Mai vergangenen Jahres lag bereits ein Gutachten von actori vor, doch sah eine Lenkungsgruppe aus Vertretern der Kreise Görlitz und Bautzen sowie der Stiftung des sorbischen Volkes noch weiteren Untersuchungsbedarf. Auffallend: In der Lenkungsgruppe waren die Städte Görlitz und Zittau nicht vertreten, obwohl der Gesellschaftsvertrag des Theaters im Kreis Görlitz vorsieht, dass wesentliche Umstrukturierungen auch von den Stadträten beider Städte beschlossen werden müssen. Ohne sie geht gar nichts.

Seit Ende vergangenen Jahres liegen nun auch die Vorschläge für "strukturelle Fragen" vor, wie seinerzeit der Görlitzer Kulturamtsleiter Joachim Mühle gegenüber der SZ den Inhalt der weitergehenden Überlegungen erklärte.

Görlitzer Theater soll abgewickelt werden

Das Theater in Zittau ist ein Treffpunkt für die Stadt. Das Schauspiel, so empfiehlt es das neue Gutachten, soll mit dem in Bautzen fusionieren.
Das Theater in Zittau ist ein Treffpunkt für die Stadt. Das Schauspiel, so empfiehlt es das neue Gutachten, soll mit dem in Bautzen fusionieren. © Foto: Rafael Sampedro

Der Kern des Gutachtens: Da das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau und das Sorbische Nationalensemble bereits sehr "schlank bei der Personalausstattung aufgestellt sind", könne man größere Summen beim Theater nur bei Wegfall ganzer Sparten einsparen. Actori schlägt dazu vor, die Orchester des Sorbischen Nationalensembles und der Neuen Lausitzer Philharmonie zu fusionieren und in einer eigenen GmbH zusammenzuführen. Das Orchester würde dann zu einem B-Klangkörper heraufgestuft, was wiederum höhere Gehälter zur Folge hat. Hier wird also nicht gespart, sondern das Ganze kostet bis 2031 rund 402.000 Euro im Jahr mehr.

Die Schauspielsparten in Bautzen und Zittau werden zusammengelegt mit zwei Ensembles an beiden Standorten und einer gemeinsamen Intendanz mit Sitz in Bautzen. Hier glaubt actori, dass es bis zum Jahr 2031 zu Einsparungen in Höhe von 788.000 Euro kommen könnte.

Das Deutsch-Sorbische Volkstheater kommt wie das Sorbische Nationalensemble im Gutachten "fast" ungeschoren davon.
Das Deutsch-Sorbische Volkstheater kommt wie das Sorbische Nationalensemble im Gutachten "fast" ungeschoren davon. © Archivfoto: SZ/Uwe Soeder

Und schließlich sollen das Musiktheater-Ensemble und das Ballett in Görlitz aufgelöst und das Theater fertige Produktionen einkaufen. Federführend soll auch hier das Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen sein. Mit anderen Worten: Das Görlitzer Theater würde aufhören zu existieren und nur noch als Spielstätte des Bautzener Hauses dienen. Hier wittert actori Einsparungen von 5,9 Millionen Euro im Jahr.

An den Zahlen von actori gibt es zahlreiche Kritik. So enthalten sie keine Ausgaben für die Abwicklung von Sparten, zudem wurden die Einnahmen der Jungen- wie auch der Weihnachtskonzerte nicht dem Musiktheater zugerechnet, sondern der Philharmonie. Doch kann ja keine Oper oder Operette parallel zu den Weihnachtskonzerten aufgeführt werden, weil kein Orchester zur Verfügung steht. Ein Zeichen, dass beide Sparten beteiligt sind.

Schon viele Gutachten - alle mit demselben Ergebnis

Strukturuntersuchungen zu Kulturraumtheatern sind nicht neu für die Oberlausitz. In den vergangenen Jahren gab es viele solcher Studien, sie haben auch viel Geld bereits gekostet. Und auch sie kamen alle zu dem Schluss: Entscheidend einsparen kann man nur, wenn man ganze Sparten schließt. Dafür aber gab es weder bei den Eigentümern der Theater eine politische Mehrheit noch Zustimmung unter den Bürgern der Städte. Und auch dieses Mal ist das nicht in Sicht. Der Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler sagt, Görlitz habe weder das Gutachten gewollt noch verhindert. Es enthalte nichts Neues. Nun sehe man aber, dass das Theater gut wirtschafte und "das ist eine gute Motivation, unsere Unterstützung dem Theater auszudrücken" - statt ganze Sparten zu schließen.

Dem Landkreis Görlitz aber ist es offensichtlich ernster mit den Plänen. Die Vorlage von actori wird als streng vertraulich gehandelt, bislang war darüber nichts bekannt geworden. Und an diesem Donnerstag findet eine Klausurtagung statt. "Sie soll", so erklärt Landrat Bernd Lange gegenüber der SZ, "ein Meinungsbild abbilden und der weiteren Vorgehensweise in diesem wichtigen Prozess dienen". Landrat Bernd Lange sei seit 2019 durch den Kreistag beauftragt, die Strukturen gemeinsam mit dem Landkreis Bautzen in eine sichere Zukunft zu führen. "Der Kreistag wird sich in einer der nächsten Sitzungen mit einem Beschlussentwurf im genannten, gemeinsamen Interesse befassen. Ich bin dabei an einer sehr transparenten Diskussion interessiert".

Die Empfehlungen des Beratungsunternehmens actori für Görlitz hat dieselbe Firma auch schon bei anderen Theatern vorgeschlagen: In Rostock sollte Mitte der 2010er Jahre aus einem Viersparten- ein Zweispartentheater werden. In Leipzig schlug das Unternehmen die Schließung der Musikalischen Komödie und damit die Abschaffung der Operettensparte vor. In beiden Fällen kam es anders. Die Eigentümer entschieden sich letztlich zusammen mit den Künstlern ihre Theater so umzubauen, dass die Kosten im Griff gehalten wurden und die Angebote noch mehr zahlende Besucher erreichen.

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