Welterbetitel im Blick

Nochmal etwas Neues beginnen, im Alter von 50 Jahren nicht schon am beruflichen Ende angekommen zu sein, das bewegt Wieland Menzel schon lange.
Es war der Impuls, als sich der Dittelsdorfer 2017 auf die Stelle des Chefs der Görlitzer Denkmalpflege bewarb. Und es ist auch zuletzt sein Antrieb gewesen, als er sich auf eine Anzeige der Herrnhuter Brüderunität bewarb. Die evangelische Freikirche suchte einen Koordinator für Kulturtourismus ab 1. Januar. "Das Thema sprach mich an", sagt er gegenüber der SZ. Und die ersten Wochen bestätigen ihn in seiner Einschätzung: "Es ist genau das, wo ich die Dinge verbinden kann, die ich bislang getan habe."
Der Oberlausitzer Wieland Menzel sammelte in der Görlitzer Stadtverwaltung in den vergangenen 20 Jahren vor allem Erfahrungen in der Stadtentwicklung und Denkmalpflege. Der studierte Architekt kam nach einem Zwischenspiel in einem Lückendorfer Architekturbüro beruflich 2001 nach Görlitz. Bauleitplanung, Innenstadtentwicklung, Fassadengestaltung waren seine Themen. Schließlich entwickelte er eine Stadtumbau-Matrix. Eine Leitlinie, die Investoren oder Baueigentümern helfen sollte bei der Frage: Was kann ich aus meinem Gebäude machen. Vor allem in der Görlitzer Gründerzeitstadt. Anders als die Altstadt ist es noch nicht sicher, ob sie in ihrer Geschlossenheit erhalten bleiben kann. Zahlreiche Gebäude müssen notgesichert werden, weil sie einzustürzen drohen, trotz aller Sanierungen hält das Tempo nicht an allen Stellen mit dem des Verfalls mit.
Die Matrix wiederum zeigte auf, wie tief man in ein Gebäude eingreifen könnte, bis hin zu dem Fall, wo nichts mehr hinter der Fassade stehen bleibt. Für manche las sich das wie eine Abriss-Fiebel. Doch Menzel findet die Matrix heute noch als informelles Bewertungsinstrument für Investorengespräche wichtig. Allerdings habe man fälschlicherweise den Eindruck vermittelt, damit könne man abreißen, statt stärker aufzuzeigen, was alles erhalten werden kann.
Als er dann auch noch Denkmalchef in Görlitz wurde, da schwebte ihm vor, den Fokus auf die Gründerzeitstadt zu legen. Nur ein Jahr aber hielt er es auf dieser Position aus, die schnell zum Schleudersitz in Görlitz werden kann, wo der Denkmalschutz für die einen eine heilige Kuh und für die anderen ein Klotz am Bein ist. Es habe an Personen gelegen, nicht daran, dass er die Auseinandersetzungen mit Investoren gescheut habe, sagt er kurz dazu. Mehr aber auch nicht.
Womöglich aber spürte er schon da, was ihm nochmals in den darauffolgenden Monaten als Sachbearbeiter in der Görlitzer Stadtentwicklung noch klarer wurde: Verwaltungsarbeit bedeutet heutzutage immer stärker Formalitäten und Regeln, der Inhalt tritt in den Hintergrund. Dieses Spannungsfeld ist für viele, die nicht aus der Verwaltungslehre kommen, sondern aus praktischen Berufsfeldern, nur schwer auszuhalten. Für Menzel war irgendwann klar, dass eine solche große Verwaltung wie in Görlitz "nicht mehr sein Ding ist": Der Zeitdruck, die daraus resultierende fehlende Abstimmung, der große Rahmen.
Nun ist die Evangelische Brüderunität zwar eine weltweit existierende Freikirche, aber doch eine kleine. Menzel genießt schon jetzt als evangelischer Christ das Eintauchen in die besondere Welt dieser Kirche, ihr Frömmigkeitsverständnis, ihre Umgangsformen, ihren Wissenshorizont. Fremd war sie ihm nie, wuchs er doch in Dittelsdorf auf und auch als ehrenamtlicher Denkmalpfleger, als Vorsitzender des Museumsvereins seines Heimatortes wie auch als Buchautor über einen berührenden Briefwechsel seiner Großeltern mitten im Zweiten Weltkrieg kam er immer wieder in Berührung mit der lokalen Geschichte und ihren Besonderheiten. Auch sein Interesse für das Umgebindehaus ist dabei hilfreich, nebenberuflich untersucht er Gebäude dieses Haustyps, entwickelte Ideen, wie die Häuser genutzt werden können. Geschichte und Zukunft verbindet er da immer wieder. Und darum geht es auch in seinem neuen Job, der eine Berufung ist.
Als Koordinator für Kulturtourismus ist er nicht nur Ansprechpartner für die Brüdergemeine in Herrnhut, sondern auch in Niesky oder Kleinwelka, selbst für Gemeinden in den Niederlanden oder in der Schweiz beispielsweise. Ihn beschäftigen dabei Fragen wie die Wahrnehmung der Brüderunität durch die Gäste, welches Bild vermittelt die Kirche vor Ort, in ihren Siedlungen, mit ihren Friedhöfen, die Gottesacker heißen, was ist ihre Botschaft, ihr kultureller Wert. Gelegenheit, dieses Bild zu konturieren ist schon im nächsten Jahr, wenn Herrnhut seiner Gründung vor 300 Jahren gedenkt.
Und natürlich geht es um die Bemühungen von Herrnhut, auf die Unesco-Welterbeliste zu kommen. Das dänische Christiansfeld steht bereits auf der Liste, zusammen mit Bethlehem im US-Bundesstaat Pennsylvania will nun auch Herrnhut die Anerkennung haben. Es könnte die zweite Welterbestätte im Landkreis werden - nach Schloss und Park Bad Muskau, das zusammen mit der polnischen Seite auf die Liste gelangte. In Görlitz hat Menzel eher aus der Ferne die Bemühungen um den Welterbetitel für die Stadt mitverfolgen können. Nun freut er sich, ganz aus der Nähe daran beteiligt zu sein. Und vielleicht klappt es ja bald mit der begehrten Auszeichnung für Herrnhut.
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