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Görlitz: Landgericht verhandelt ohne Angeklagten

Ein Vietnamese lebte ohne Papiere in Deutschland, flog in Löbau auf. Ein erstes Urteil des Amtsgerichtes wollte er nicht akzeptieren.

Von Matthias Klaus
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Vor dem Landgericht Görlitz musste sich diese Woche ein Vietnamese verantworten. Er lebte anderthalb Jahre in Deutschland ohne Papiere.
Vor dem Landgericht Görlitz musste sich diese Woche ein Vietnamese verantworten. Er lebte anderthalb Jahre in Deutschland ohne Papiere. © SZ/Timotheus Eimert (Archiv)

Dr. Fiedler ist zerknirscht. Ein bisschen jedenfalls. Der Angeklagte im Saal 200 des Landgerichts Görlitz ist nicht da. Und irgendwie könnte es sein, dass der Rechtsanwalt aus Berlin ein bisschen Schuld daran hat. "Ich war der Meinung, es geht auch ohne ihn", sagt er. Wohl auch, weil der Anwalt auf eine Geldstrafe spekuliert. Eine Vollmacht seines Mandanten hat er jedenfalls dabei.

Richter Frank Theis sieht das ein bisschen anders. "Es kommt auch eine Freiheitsstrafe in Betracht. Dann müssten wir die Verhandlung unterbrechen und wieder neu ansetzen", sagt er. Das sieht Dr. Fiedler ein.

Der, um den es gerade geht, ist jedenfalls gerade in Berlin bei seiner Lebensgefährtin. Der Vietnamese hat sich unerlaubt in Deutschland aufgehalten. Recht lange sogar, etwa anderthalb Jahre. Er war eingeschleust worden, schuldete seinem Schleuser noch 6.000 Dollar. Asyl beantragte er nicht, meldete sich nicht bei der Ausländerbehörde. Die Sache flog auf, als er in Löbau einen Landsmann besuchte. Der Vietnamese geriet in eine Polizeikontrolle und konnte keinerlei Papiere vorweisen. Es kam zur Anklage, das Amtsgericht verurteilte ihn im vergangenen Juni zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, Dauer zwei Jahre. Das fand der Mann wohl nicht gerecht, legte Berufung ein, deshalb kommt es nun, in seiner Abwesenheit, zur Verhandlung am Landgericht Görlitz.

88 Tage saß der Vietnamese in Untersuchungshaft. Er wurde 1998 geboren, ging elf Jahre zur Schule, hat keinen Berufsabschluss. In seinem Heimatland war er Hilfsarbeiter. Was er heute tut, so richtig kann sein Anwalt das auch nicht sagen. Nur so viel: "Er hat sich in Berlin bei der Ausländerbehörde angemeldet. Hörte ich jedenfalls." Ob es stimmt, bleibt an diesem Tag in Görlitz offen. "Ohne Personaldokumente kann es jedenfalls nichts Legales sein", sagt Richter Frank Theis mit Blick auf die Arbeit.

Die Staatsanwaltschaft hält dem Angeklagten jedoch die mutmaßliche Anmeldung bei der Behörde in Berlin zugute, ein Pluspunkt. Minuspunkt: die lange Zeitdauer, in der er ohne Genehmigung in Deutschland lebte. Trotzdem sieht auch die Staatsanwaltschaft eher eine Geldstrafe für gerechtfertigt. Die sechs Monate auf Bewährung des Amtsgerichtes seien "nicht angemessen". Unerlaubter Aufenthalt kann allerdings auch mit Gefängnis von bis zu einem Jahr bestraft werden.

Richter Frank Theis und seine Schöffen verurteilen den Vietnamesen am Ende zu einer Geldstrafe von insgesamt 900 Euro. Damit sind sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Dr. Fiedler zufrieden.