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Dramatisches Waldsterben an der Landeskrone

In den nächsten Tagen fällt die Stadt am unteren Rundweg, den Winter über auch in mehreren Görlitzer Parks. Insgesamt war 2020 für die Bäume kein schlechtes Jahr.

Von Ingo Kramer
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Steffen Leder ist bei der Görlitzer Stadtverwaltung für die Bäume zuständig. Diese Rotbuche ist aufgrund der Dürre abgestorben. Ein waagerechter orangener Strich bedeutet: Die Äste werden abgesägt, aber der Stamm bleibt stehen.
Steffen Leder ist bei der Görlitzer Stadtverwaltung für die Bäume zuständig. Diese Rotbuche ist aufgrund der Dürre abgestorben. Ein waagerechter orangener Strich bedeutet: Die Äste werden abgesägt, aber der Stamm bleibt stehen. © André Schulze

Rund 120 bis 130 Jahre haben die Rotbuchen am Fuß der Görlitzer Landeskrone Wind und Wetter, Sturm, Eis und Schnee getrotzt. Menschen haben Namen und Liebeserklärungen in die Stämme geritzt. Es hat den Bäumen nicht geschadet. Die extremen Dürrejahre 2018 und 2019 aber waren zu viel für die alten Buchen. Sie sind ebenso abgestorben wie die benachbarten Birken, Eschen und Ahornbäume.

„Bei den Eschen“, erklärt Steffen Leder, „ist noch der Eschenbastkäfer dazugekommen.“ Der sei wie ein Borkenkäfer – aber eben nicht bei Fichten, sondern bei Eschen. Doch die Ursache für das Eschensterben sei er nicht. Die Trockenheit habe die Bäume extrem geschwächt, der Käfer kam danach und hatte leichtes Spiel. Leder ist bei der Stadtverwaltung für die Bäume zuständig.

Tote Äste hängen über dem Rundweg und der Sitzbank. Sie können jederzeit unvermittelt abbrechen.
Tote Äste hängen über dem Rundweg und der Sitzbank. Sie können jederzeit unvermittelt abbrechen. © André Schulze

An der Landeskrone, genauer gesagt, am unteren Rundweg, muss er sich nun von vielen seiner Schützlinge trennen. Er hat sie bereits zur Fällung markiert. In der dritten Dezemberwoche rücken der Baumdienst Berger und vier Mirarbeiter vom Städtischen Betriebshof an, um das abzusägen, was Leder markiert hat. Binnen einer Woche soll das restlos geschafft sein.

Dabei gibt es ganz unterschiedliche Kennzeichnungen. Bäume mit einem schrägen Strich werden komplett gefällt. Ein waagerechter Strich hingegen zeigt an, dass hier nur die toten Äste gekappt werden, die sich über dem Rundweg befinden. „Sie können auch ohne Wind ganz unvermittelt abbrechen und damit zu einer großen Gefahr für Wanderer, Spaziergänger und Jogger werden“, erklärt Leder.

Grünes Licht vom Naturschutz

Das ist auch der Grund, warum die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises überhaupt grünes Licht für die Sägearbeiten gegeben hat. Eigentlich ist die Landeskrone Naturschutzgebiet. Das heißt im Regelfall, dass die Bäume sich selbst überlassen bleiben. Was umfällt, fällt um, macht Platz für nachwachsende Bäume und bietet Lebensraum für Tiere. Für den Großteil der Landeskrone gilt dieses Prinzip tatsächlich. „Aber der untere Rundweg ist bei den Menschen so beliebt, dass wir das nicht riskieren können“, sagt Leder. Das habe auch die Naturschutzbehörde so gesehen.

Der untere Rundweg um die Landeskrone ist bei Joggern sehr beliebt, aber auch bei Spaziergängern.
Der untere Rundweg um die Landeskrone ist bei Joggern sehr beliebt, aber auch bei Spaziergängern. © André Schulze

Doch gesägt wird behutsam. „Wenn wir jetzt nur die gefährlichen Äste abnehmen, bleibt der Rest des toten Baumes erst einmal als Wohn- und Niststätte für Vögel, Fledermäuse und Insekten erhalten“, erklärt der Baumexperte. Das könnte für fünf bis sieben Jahre funktionieren, sagt Leder. Danach sind die Bäume zu morsch. Dann werden sie gekappt. Manchen blüht auch jetzt schon die Kappung. Erkennbar ist das an zwei waagerechten orangenen Strichen. Beim Kappen bleiben nur rund zehn Meter vom Stamm stehen, alles andere muss weichen. So kann zumindest ein Teil der Nisthöhlen noch ein paar weitere Jahre erhalten bleiben, bevor dann im dritten Schritt der Baum komplett gefällt wird.

Und dann sind da noch die orangenen Punkte. Die gibt es für Bäume, die noch am Leben sind. Ein Punkt heißt: Starkes Totholz über dem Weg wird herausgenommen – und alles, was lebendig ist, bleibt erhalten. Hat ein Baum zwei Punkte, dann wird er seitlich ein wenig eingekürzt, um den unteren Kronenteil zu entlasten.

Südwest-Seite am schlimmsten betroffen

Zum Glück ist nicht die komplette Landeskrone gleichermaßen betroffen. „Am schlimmsten dran ist die Südwest-Seite“, erklärt Leder. Auf dem unteren Rundweg ist das der Teil zwischen den Hochbehältern und der Einmündung in den Trimm-Dich-Pfad. Oder grob gesagt, zwischen Pfaffendorf und Schlauroth. Die Südwest-Seite ist gekennzeichnet durch trockene Böden, tiefstehende Sonne mit hoher Intensität und Strahlungsleistung – selbst im Winter, wenn die Bäume ohne Laub sind und die Sonne dadurch besser durchdringen kann. Zudem ist diese Seite oft dem Wind ausgesetzt, der zusätzlich zur Austrocknung der Böden beiträgt. Bei den geschädigten Bäumen platzt die Rinde auf, Pilze dringen ein – und dann geht es ganz schnell.

Doch die Stadt wird nicht nur auf diesem Abschnitt aktiv, sondern auf dem gesamten Rundweg. Tote Bäume stehen überall – wenn auch nicht so gehäuft. Zugleich werden auch ein paar wenige lebende Bäume entfernt – vor allem, wenn sie schräg über den Rundweg gewachsen sind und andere Bäume bedrängen. Das Holz lädt der Betriebshof auf und lagert es bei sich. Es sei zu lang, um es an private Ofen- oder Kaminbesitzer abzugeben, sagt Leder: „Die müssten mit einem Lkw vorfahren, aber das wollen wir im Naturschutzgebiet nicht.“

Nichts mehr zu machen: Stamm und Äste sind völlig abgestorben, die Rinde platzt bereits ab.
Nichts mehr zu machen: Stamm und Äste sind völlig abgestorben, die Rinde platzt bereits ab. © André Schulze

Weitere Fällungen plant die Stadt in diesem Winter an der Landeskrone nicht. Entlang der Wege sägt sie aber, um die Wege freizuhalten. Und ein privater Waldbesitzer beabsichtigt, zwischen Biesnitz und Kunnerwitz zehn bis 15 alte Bäume zu fällen – einerseits, weil sie zur Gefahr für angrenzende Grundstücke werden könnten, aber auch zur Wertholzentnahme. Aufforstungen sind nicht geplant. „Durch die Fällungen entstehen ja keine Freiflächen“, sagt Leder. Lücken wachsen von allein zu.

Die Stadt muss auch anderswo fällen. „Am Weinberg sind wieder 15 alte Bäume abgestorben“, sagt Leder. Darunter seien leider auch zwei große Ulmen, der Rest sind zum Großteil Buchen. Bei der Parkeisenbahn sind ein bis zwei Rotbuchen vertrocknet, im Park des Friedens, nahe des Bolzplatzes, weitere fünf Rotbuchen, und im Stadtpark einige Fichten nahe der Rosenterrasse. Bis Ende Februar hat die Stadt Zeit für die Fällungen. Insgesamt, sagt Leder, war 2020 aber kein so schlechtes Jahr wie die beiden Vorjahre. Es hat durchschnittlich viel geregnet. Das Defizit der beiden Vorjahre ist damit aber längst nicht ausgeglichen. An dem, was jetzt abgestorben ist, ist also nicht 2020 „schuld“, sondern die zwei Dürrejahre 2018 und 2019.

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