Kreis Görlitz: 100 Millionen Euro für Hochwasserschutz

Øystein Blix Walderhaug ist selbst vor Ort. Der Norweger gibt in Görlitz Tipps, wie sich die Stadt mit einer mobilen Hochwasserschutzwand gegen die Neißefluten schützen kann. Gemeinsam mit Kristian Vemund Haaland ist er der Gründer des Start-ups Haawal aus Oslo. Die Görlitzer Berufsfeuerwehr war einer der ersten Kunden.
Bei einer Übung auf der Uferstraße wird die Hochwasserschutzwand im Mai auf Herz und Nieren getestet. 100 Meter der Anlage können laut Haawal in 45 Minuten aufgebaut, die Görlitzer Innenstadt damit vor der Neiße geschützt werden. Wie steht es um den Hochwasserschutz im "Rest" des Kreises? Was hat sich hier seit 2002 getan? Insgesamt umfassen die Investitionen über 100 Maßnahmen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro für den Landkreis Görlitz, sagt die Landestalsperrenverwaltung des Freistaates in Pirna.
Welche Arbeiten laufen gerade im Landkreis in Sachen Hochwasserschutz?
Vor allem zwei größere: Zurzeit wird am Wehr in Görlitz-Weinhübel gebaut. Darüber hinaus startet die Sanierung der Talsperre Quitzdorf. In einem zweistufigen europaweiten Verfahren werden die Planungsleistungen für die Sanierung vergeben. Läuft alles glatt, kann dann ab März 2023 mit den eigentlichen Planungen begonnen werden. Der Baubeginn ist 2024 vorgesehen. Die Arbeiten sollen sich, so der derzeitige Plan, bis Ende 2026 hinziehen.
Wie bindet der Freistaat Gemeinden und Bürger in den Hochwasserschutz ein?
Aktuell werden die Hochwassergefahrenkarten überprüft und neu erstellt, heißt es von der Landestalsperrenverwaltung. Ende des Jahres werden die für die Lausitzer Neiße vorliegen und den Gemeinden übergeben. Für die Pließnitz ist dies bereits geschehen, hier wird aktuell der Managementplan aufgestellt. Der zeigt den erreichten Stand des Hochwasserschutzes an und weist gegebenenfalls neue Hochwasserschutzmaßnahmen aus.
Die Hochwassergefahrenkarten für die Mandau in Hainewalde und Großschönau und die Lausur in Großschönau sind bereits fertiggestellt und den Gemeinden übergeben worden. Hierzu liefen im Vorfeld und während der Erstellung zudem internationale Abstimmungen zur Vereinheitlichung des Hochwasserschutzes mit den polnischen und tschechischen Partnern beziehungsweise Anrainern. Die Hochwassergefahrenkarten für die Mandau in Zittau sind noch in Bearbeitung.
Für den Weißen Schöps sind die Hochwassergefahrenkarten ebenfalls fertig und wurden bereits den Gemeinden übergeben. Die Hochwassergefahrenkarten für den Schwarzen Schöps oberhalb der Talsperre Quitzdorf befinden sich noch in Bearbeitung.
Wozu dient das neue Hochwasserschutzlager in Hagenwerder?
Seit 2020 hat der Freistaat ein neues Hochwasserschutzlager in Hagenwerder. Hier lagern Hochwasserbekämpfungsmittel als Landesreserve: rund eine Million Sandsäcke, Schutzvlies und sogenannte Bigbags. Für den Bau der Halle wurde ein benachbartes Gelände der Gewässermeisterei Görlitz angekauft. Die Arbeiten dafür begannen im Jahr 2018 und dauerten etwa ein Jahr. Danach kaufte der Freistaat Sachsen für rund 1,1 Millionen Euro die Hochwasserbekämpfungsmittel.
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Beim Hochwasser im August und September 2010 habe sich gezeigt, dass das Hochwasserschutzlager in Lohsa für die beiden Landkreise Bautzen und Görlitz nicht ausreicht. So waren die Transportwege für die angeforderten Materialien in die betroffenen Kommunen teilweise sehr lang, so die Landestalsperrenverwaltung.
Auch das Lager in Lohsa habe den tatsächlichen Bedarf an Hochwasserschutzmitteln nicht annähernd decken können. Die Standortwahl fiel auf Hagenwerder, da sich im Landkreis Görlitz zahlreiche Gewässer befinden, die von Lohsa nur schwer erreichbar sind. Auch die beobachteten Hochwasserwellen dieser Flüsse spielten eine Rolle bei der Entscheidung. So können nun im Notfall unter anderem die Kommunen der Lausitzer Neiße schneller mit Materialien versorgt werden.
Welche Hochwasserschutzkonzepte hat der Freistaat generell?
Nach dem Hochwasser im August 2002 wurden im Freistaat Sachsen flächendeckend an allen Gewässern erster Ordnung Hochwasserschutzkonzepte erstellt. Das betrifft im Landkreis Görlitz Mandau, Neiße, Landwasser, Weißer und Schwarzer Schöps, Spree, Löbauer Wasser und Pließnitz. Neben der Erstellung der Hochwassergefahrenkarten war ein weiteres wichtiges Ergebnis die Auflistung von Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verbesserung der lokalen Hochwassergefährdung, die sachsenweit in den Ortslagen nach Prioritäten bis heute geplant und abgearbeitet werden, heißt es von der Landestalsperrenverwaltung.
Bei der Umsetzung dieses Hochwasserschutz-Investitionsprogrammes handele es sich um eine Generationsaufgabe. Aktuell wurden in Sachsen von insgesamt 749 Maßnahmen etwa Dreiviertel der Projekte abgeschlossen. Die restlichen Maßnahmen seien weitestgehend in Planung oder sogar schon zur Genehmigung eingereicht. 23 befinden sich derzeit im Bau, 156 sind in Planung oder Genehmigung.
Bei den Hochwasserereignissen sind darüber hinaus auch die Hochwasserschutzanlagen geschädigt worden. Im Rahmen von Deichzustandsanalysen wurden daher u.a. Standsicherheitsnachweise und Zustandsbewertungen durchgeführt. Diese Zustandsanalysen bildeten mit dem aufgezeigten anlagenbezogenen Sanierungsbedarf die Grundlage für die notwendige Instandsetzung dieser Anlagen, welche ebenfalls kontinuierlich umgesetzt wird.
Was genau wurde bisher beim Hochwasserschutz im Kreis Görlitz getan?
Die Landestalsperrenverwaltung listet hier die aus Sicht der Behörde wichtigsten Vorhaben auf:
- Bau des Hochwasserrückhaltebeckens Rennersdorf
- Deichsanierung in Drausendorf und Rothenburg
- Bau der Hochwasserschutzanlagen von Ostritz und Leuba
- weitreichende Gewässersanierungen vor allem am Löbauer Wasser sowie an der Mandau
- Deichsanierungen an der Mandau
- Hochwasserschutz an der Hochschule in Görlitz oberhalb der Stadtbrücke
- Deichsanierung in Hagenwerder an der Neiße und Pließnitz
- Deichbaumaßnahme Sagar mit Gewinnung von zusätzlichem Retentionsraum, also Flächen, die bei Hochwasser überschwemmt werden und Gewässern den nötigen Raum zum Ausufern geben
- Umverlegung des Weißen Schöps auf mehr als zehn Kilometern
- zahlreiche Profilausweitungen, Wehr- und Brückenrückbauten zur Verbesserung des Abflusses
- Ufermauerrückbauten und Gewässerprofilsanierungen zur Gewährleistung der Verbesserung der hydraulischen Leistungsfähigkeit, also der Verbesserung der Belastbarkeit hydraulischer Anlagen