So kommt der Kulturpass bei jungen Leuten in Görlitz an

Sandra Walter freut sich: „Endlich hat es mal einen Vorteil, dass ich jünger bin als viele meiner Freunde“, sagt die Görlitzerin, die Ende Juni 18 Jahre alt geworden ist.
Sie gehört zum Jahrgang 2005 – dem Ersten, der vom Staat Geld für Kultur geschenkt bekommt. Erst seit Mitte Juni gibt es das Angebot der Bundesregierung, das für Jugendliche einen Anreiz schaffen soll, Konzerte, Museen, Kinos und Theater zu besuchen oder Bücher zu lesen. Der elektronische „Kulturpass“, eine Smartphone-App, hält für alle, die 2023 ihren 18. Geburtstag feiern, ein Guthaben von 200 Euro bereit, das sie zwei Jahre lang für bis zu 20 Kilometer von ihrem Wohnort entfernte Kulturangebote nutzen können. Das sind genau diejenigen, die in der Corona-Zeit begonnen hätten, auszugehen und Kulturangebote auf eigene Faust zu erkunden.
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Auf der anderen Seite sollen Kultureinrichtungen unterstützt werden: Den beteiligten Theatern, Museen, Buchhandlungen, Konzertveranstaltern oder Kinos werden die per Kulturpass eingelösten kostenlosen Eintritte vom Bund erstattet.
Sandra Walter, die am Görlitzer BSZ jetzt in die 13. Klasse kommt und nächstes Jahr ihr Abitur machen will, hat schnell festgestellt: Der 20-Kilometer-Radius gilt nur in der Theorie. „Ich habe meinen Kulturpass bereits für die Museumscard der Klassikstiftung in Weimar genutzt.“ Mit ihrem Freund und ihrer Mutter sei sie für eine Woche in Weimar gewesen und habe viele Museen besucht. Ihr Freund ist Jahrgang 2004: „Er hat sich geärgert, denn er musste für die Museumscard 19 Euro zahlen.“ Aber das Einlasspersonal im Museum habe sich richtig für sie gefreut, sagt Sandra Walter: „Ich war scheinbar die Erste, die sich damit eine Museumscard holt.“
Über Instagram davon erfahren
Auf den Kulturpass aufmerksam geworden ist sie über Instagram. Sie habe sich sehr gefreut und den Pass kurz vor ihrem 18. Geburtstag beantragt: „An meinem Geburtstag wurde er dann freigeschaltet.“ Allzu kompliziert sei das nicht gewesen: „Der Kulturpass ist eine App, man braucht dafür eine Anmeldung.“ Vorher müsse man seinen Ausweis digitalisieren: „Aber ich habe sowieso einen neuen Ausweis bekommen, da war die Digitalfunktion schon dabei.“
Seit sie ihren Pass hat, habe sie damit fast nur gute Erfahrungen gemacht. In Weimar habe sie sich bei Thalia ein Buch gekauft, das habe auch problemlos funktioniert. Und neulich sei sie in Görlitz im Kino gewesen, im Filmpalast: „Da wurden mir 30 Euro abgebucht als Filmpalast-Guthaben.“ Weil die Eintrittskarte aber nur 6,90 Euro gekostet hat, wurde der Restbetrag später wieder auf dem Kulturpass gutgeschrieben. Auch beim Gerhart-Hauptmann-Theater hat Sandra Walter den Kulturpass schon genutzt: „Dort habe ich aber nicht gefunden, wie ich die Jugendcard, die für Schüler 60 Euro kostet, mit dem Kulturpass kaufen kann“, bedauert sie. Also habe sie ein Einzelticket für eine Vorstellung gekauft: „Das hat geklappt.“
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Im Theater ist wegen der Sommerferien aktuell niemand erreichbar, der der SZ etwas zu diesem Problem sagen könnte. Aber in einem früheren Artikel hatte Philipp Bormann, der Verwaltungsleiter des Theaters, bereits erklärt: „Wir werden das Angebot noch erweitern.“ Kleinere Anbieter in Görlitz sind derweil noch dabei, die Rahmenbedingungen zu prüfen oder die technischen Voraussetzungen für die Nutzung des Kulturpasses einzurichten.
Sandra Walter stört das nicht: Bis auf die Theater-Jugendcard hat sie bisher alles bekommen, wonach sie gesucht hat. Sie sieht stattdessen ein ganz anderes Problem: Viele Menschen ihres Jahrgangs wissen noch gar nicht, dass es den Kulturpass gibt, bei anderen ist es längst wieder in Vergessenheit geraten: „Ich kenne sonst niemanden, der ihn hat.“ Immerhin eine Freundin will ihn jetzt beantragen: „Dann können wir damit zusammen ins Kino gehen.“ Aber insgesamt, findet sie, müsste das Angebot noch viel bekannter werden.