Wie Görlitz das Stadtklima verbessert

In ihrer jüngsten Sitzung waren sich die anwesenden Görlitzer Stadträte mal ausnahmslos einig: Eine Machbarkeitsstudie soll herausfinden, ob es möglich ist, unter dem Wilhelmsplatz eine Regenwasserzisterne zu errichten und deren Wasser zu nutzen, um damit die Bäume auf dem Platz zu tränken und morgens die Wiesenfläche zu besprühen.
Gerade jetzt im Sommer würde Wasser ungemein helfen, den Platz zu kühlen und sein Klima somit attraktiver zu machen. Um das zu erreichen, hat Friedemann Dreßler vom Amt für Stadtentwicklung die Idee für „Wilhelms Wasserkraft“ entwickelt. Neben Zisterne und Bewässerung enthält sie auch noch ein Wasserspiel, das vielleicht auf der Seite zur Jakobstraße gebaut werden könnte. Geplant ist kein tiefer Brunnen, sondern eher eine Fontänenfläche mit Vernebelung und Sprühelementen. „Das würde für eine erfrischende Kühlung sorgen“, sagt der Stadtplaner.
Es wäre eine von vielen Möglichkeiten, das Stadtklima in Görlitz zu verbessern. Eine zweite hat der Stadtrat ebenfalls jetzt auf den Weg gebracht: Für die gründerzeitliche Kernstadt sollen wieder europäische Efre-Fördermittel beantragt werden. Damit ließen sich auch Projekte umsetzen, die dem Stadtklima dienen: Auf dem Wilhelmsplatz könnten 60 neue Bäume gepflanzt werden, der Brautwiesenplatz könnte erneuert und mit neuen Bäumen ausgestattet werden, bisher baumlose Straßen könnten Bäume erhalten, etwa Jauernicker-, Luther-, Kunnerwitzer-, Kröl-, Landeskron-, Emmerich- und Konsulstraße.
Einen weiteren Schritt ist die Stadt bereits gegangen: Mit dem Brautwiesenpark ist ein neuer innerstädtischer Park entstanden. Das aber ist eine Ausnahme, erläutert Rathaussprecherin Juliane Zachmann: „Im Regelfall werden Grünanlagen in der Stadt nicht neu gebaut, sondern erneuert beziehungsweise saniert.“ Inklusive Brautwiesenpark hat Görlitz jetzt 89 Grünanlagen mit einer Gesamtfläche von fast 150 Hektar. Das entspricht rund 208 Fußballfeldern.
Parks sind ungleich verteilt
Görlitz habe eine insgesamt sehr gute Ausstattung mit öffentlichen Grünanlagen, erklärt die Sprecherin. Allerdings sei die Verteilung über die Stadt sehr ungleich. Die großen Parks konzentrieren sich in einem Bogen von der Landeskrone über Loenschen Park, Weinberggebiet und Stadtpark bis zum Städtischen Friedhof und dem Kidrontal. „Das führt vorrangig in der zentralen und westlichen Innenstadt, aber selbst in Teilen Rauschwaldes zu deutlicher Unterversorgung“, sagt Juliane Zachmann. Das Defizit sei mit dem knapp zwei Hektar großen Brautwiesenpark noch nicht beseitigt. Gründe seien die dichte Bebauung, fehlende Straßenbäume und leider auch Höfe, in denen es an Grün mangelt.
Reicht das, was Görlitz getan hat und für die Zukunft plant, aus? Die Lutherstadt Wittenberg beispielsweise hat bereits 2001/2002 einen bis dahin verrohrten Bach nahe des Marktplatzes angehoben und offen gelegt, 2004 einen weiteren Bach in der Altstadt. Inzwischen beleben kleine Fische, Pflanzen und Moose die Bachläufe wieder. Auch Leipzig entrohrt seit 1992 seine Mühlgräben, mittlerweile kann man mit dem Boot darauf fahren. Ein Vorbild für Görlitz, wo mit Ponte und Lunitz ebenfalls Bäche verrohrt sind?
Kanalöffnung wurde geprüft
Im Zusammenhang mit dem Brautwiesenbogen sei tatsächlich geprüft worden, ob langfristig Teile des Pontekanals geöffnet werden können, berichtet Juliane Zachmann. Aber das Ergebnis ist nicht erfreulich. „Allein die sehr tiefe Lage des Kanals, die geringe Wasserführung und der Verlauf in weiten Teilen in der Straßenmitte machen dieses Vorhaben unrealistisch.“ Wegen fehlender Grundstücke entlang der Straßen gebe es gegenwärtig auch kaum die Chance, den Verlauf zu ändern. Dem extrem hohen baulichen Aufwand stünden geringe Effekte für Klima und Erlebnisqualität gegenüber. Ganz ähnlich sehe es auch beim Lunitz-Kanal aus.

Da hilft es auch nicht, dass solche Projekte jetzt vom Bund über das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ gefördert werden, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kürzlich erklärt hatte. Görlitz will dieses Programm aber trotzdem nutzen: Für die Studie zum Projekt „Wilhelms Wasserkraft“.
Görlitz steht nicht allein da
Generell ist die Verbesserung des Stadtklimas ein Thema, mit dem Görlitz nicht allein dasteht. So hat der Landesvorstand des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) vor anderthalb Jahren ein Positionspapier beschlossen. Es enthält Ansichten und Vorschläge zur klimagerechten Stadt- und Gemeindeentwicklung, zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung.
„Die sächsischen Städte und Gemeinden stellen sich den Herausforderungen des Klimawandels. Dafür benötigen wir aber keine strikten Vorgaben eines Klimaschutzgesetzes, sondern Anreize zum umweltbewussten Handeln“, sagt der Präsident des SSG, Bert Wendsche. In dem Positionspapier bekennen sich die Kommunen zum wirtschaftlich sinnvollen Ausbau von Erneuerbaren Energien mit Augenmaß. Für die klimafreundliche Gestaltung des Verkehrs von großer Bedeutung sei – mit einer auskömmlichen finanziellen Unterstützung des Freistaates – der Aufbau einer nachhaltigen Mobilität mit einem klimafreundlichen ÖPNV, Güter-, Rad- und Fußverkehr sowie leistungsfähiger Elektromobilität. Angesichts der jüngsten Dürreperioden hätten auch die nachhaltige Sicherung der Rohwasserversorgung und eine auskömmliche Gestaltung der Abwasser- und Wassergebühren im ländlichen Raum höchste Priorität. Ohne staatliche Förderung werde das nicht zu erreichen sein.
Und was können die Görlitzer selbst zum Stadtklima beitragen? Bäume gießen vielleicht? Neu gepflanzte Bäume werden in den ersten Jahren durch Unternehmen gepflegt, also auch gegossen, erklärt Juliane Zachmann. „Auch die Bürger können gern Bäume gießen, einen Aufruf dazu gibt es aber nicht“, erklärt sie.