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Sexueller Missbrauch: Schulleiter soll drei Jahre ins Gefängnis

Das Landgericht Görlitz ist überzeugt davon, dass ein Schulleiter ein Mädchen schwer sexuell missbraucht hat. Der Richter zeigt sich erstaunt über die Trotteligkeit des Angeklagten.

Von Frank Thümmler
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Auch wegen der Verbreitung von pornografischen Schriften verurteilte das Landgericht Görlitz den Schulleiter. Der Hauptvorwurf hieß aber sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen.
Auch wegen der Verbreitung von pornografischen Schriften verurteilte das Landgericht Görlitz den Schulleiter. Der Hauptvorwurf hieß aber sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen. © Symbolfoto: dpa

Mit puterrotem Kopf, das Gesicht versteckt hinter der im Gerichtssaal noch vorgeschriebenen FFP2-Maske, nahm der Mittfünfziger das Urteil des Landgerichts Görlitz am Freitagnachmittag entgegen: drei Jahre und einen Monat Freiheitsentzug wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften.

Der bis zu dieser Tat im Mai 2021 hoch angesehene Schulleiter der Mückaer Oberschule hat das ihm Vorgeworfene bis zuletzt bestritten, sein Verteidiger forderte Freispruch. Aber das Landgericht glaubte ihm nicht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dass der ehemalige Schulleiter Revision einlegt, ist wahrscheinlich.

Landgericht glaubt dem Opfer

Das Landgericht unter Vorsitz von Richter Theo Dahm war nach fünf Verhandlungstagen zur Überzeugung gelangt, dass vor allem der wichtigste Tatvorwurf stimmt. Der Schulleiter hatte demnach den schweren sexuellen Missbrauch des Mädchens, zu dem ein freundschaftliches Verhältnis bestand, sorgfältig vorbereitet. Er gaukelte dem Mädchen laut mündlicher Urteilsbegründung eine Umfrage vor, in der es auch um sexuelle Belange Jugendlicher ging, und lockte sie jeweils mit einem 20-Euro-Schein.

Später wurden angeblich Fotos gebraucht, das Mädchen dafür am letzten Online-Unterrichtstag im Mai 2021 (sie war trotzdem in der Schule) in die Bibliothek geschickt. Dort erstellte der Schulleiter die Fotos, auch Nacktfotos, berührte sie schließlich an der Brust, verging sich an ihr mit Mund und Fingern. Als er noch mehr wollte und das Mädchen „Nein“ sagte, soll der Schulleiter „Schade!“ geantwortet und sich zurückgezogen haben.

Im Auto – er brachte das Mädchen öfter nach Hause – gab er ihr dann 300 Euro – Schweigegeld, so der Richter.

Theo Dahm begründete die Überzeugung des Gerichtes so: „Wir folgen in vollem Umfang den Aussagen des Opfers. Für eine, wie vom Angeklagten behauptete, konstruierte Geschichte ist diese viel zu komplex. Sie wird von Anfang an, schon kurz nach der Tat beginnend mit einer WhatsApp, später gegenüber der Mutter und der Polizei, so erzählt und bis heute durchgehalten. Diese Aussage enthält zudem keine Belastungstendenz, im Gegenteil sogar Entlastendes. Und ein Motiv für eine Falschbelastung können wir auch nicht ausmachen.“

Außerdem waren DNA-Spuren des Schulleiters an der Unterwäsche des Mädchens gefunden worden. Der Angeklagte hatte unter anderem versucht zu beweisen, dass er in dem Tat-Zeitfenster anderweitig beschäftigt war. Sechs Zeugen waren aufgerufen worden. Die meisten aber waren an jenem Tag nicht an der Schule, sagten sie als Zeugen nach Angaben des Richters aus. Die anderen konnten sich an kein Treffen mit dem Schulleiter in diesem Zeitraum erinnern.

Beweise sprachen gegen den Schulleiter

Bestraft wurde der Schulleiter auch für einen zweiten Fall aus dem Jahr 2016. Da hatte ein zwölfjähriges Mädchen Nacktfotos von sich geschossen, auch ein pornografisches Video gedreht, und alles an einen Klassenkameraden geschickt. Ein Riesenfehler natürlich, Bilder und Video machten die Runde. Über den Vertrauenslehrer – ihm offenbarte sich das Mädchen – landete der Fall auch auf dem Tisch des Schulleiters, der dem Treiben Einhalt gebot.

Und sich das Material vom Handy eines Schülers selbst herunterlud, das Video noch bearbeitete und schließlich der Schülerin einen Tag nach deren 13. Geburtstag einen Stick mit Video und absichtlich fehlerhaft geschriebenem Text überreichte. „Ob das Ziel hier tatsächlich die Forderung war, ein weiteres Video zu drehen, ist nicht sicher. Aber jedenfalls wurde das Material weitergegeben. Wir glauben der Aussage des Mädchens“, erklärte Dahm.

Außerdem konnte der Schullaptop, der bei der Durchsuchung in der Wohnung des Angeklagten im Landkreis Bautzen gefunden wurde, mit dem USB-Stick und seinem Inhalt sicher in Verbindung gebracht werden. Und dass dort viel Persönliches des Schulleiters, von Einkommenssteuererklärung bis hin zur Bestellung einer Sexpuppe gefunden wurde, spricht nicht dafür, dass der Laptop wie behauptet auch von Schülern benutzt wurde.

Richter Theo Dahm hatte sich zu Beginn der Urteilsbegründung über den Angeklagten vernichtend geäußert. Er habe in seiner langen Berufskarriere mit unzähligen Verfahren noch nie einen so trotteligen, unglücklich und abgehoben agierenden Angeklagten gehabt. Er habe teils unglaubliche Geschichten aufgetischt, die alles erklären sollten, sich teilweise damit selbst weiter hineingeritten.

Zum Beispiel gab es auf den Geldscheinen der 300 Euro keine Spuren, aber der Schulleiter hatte aufgetischt, dass ihm das Geld an genau jenem Tag wohl von dem Mädchen gestohlen wurde. Also kam das Geld sicher von ihm. All seine Erklärungsversuche konnte er aber letztlich nie belegen. Zeugen sagten oft anderes aus.

Folgen für den Schulleiter sind dramatisch

Für den Schulleiter sind die Folgen, sollte die Verurteilung rechtskräftig werden, dramatisch über den Freiheitsentzug hinaus: Er wird seinen Beamtenstatus verlieren, wird nicht mehr Lehrer sein dürfen, das Altersruhegehalt wird er ebenso komplett einbüßen. Der Mann wird sich an eine Revision klammern, aber da erfolgt keine erneute Beweisaufnahme.