„Auf Brandbriefe gebe ich keine Antwort“

Mehr als 200 Grund-, Förder- und Oberschulen, Gymnasien und Berufliche Schulzentren gibt es in den Landkreisen Görlitz und Bautzen. Bekommt das Kind einen Platz an der Wunschschule? Finden sich genügend Lehrer? Das sind in Normalzeiten Fragen für das Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) in Bautzen. In der Corona-Krise bekommen Leiter Mathias Peter und seine Mitarbeiter viele andere Fragen, oft geht es um Masken- und Testpflicht. Manchmal sind Drohungen dabei. Wie er damit umgeht, sich die Arbeit des Lasub Bautzen verändert hat.

Herr Peter, seit Beginn der Corona-Pandemie sind vor allem auch die Schulen von Maßnahmen betroffen. Welche haben die meisten Fragen bei Eltern aufgeworfen?
Fragen häufen sich immer dann, wenn man vom Normalbetrieb abweicht. Im Rückblick kann man auch sagen, dass dabei bestimmte Schwerpunkte entstanden: Und zwar zum einen immer dann, wenn Maßnahmen zum Tragen von Schutzmasken eingeführt wurden und zum anderen, wenn es um Schnell- oder Selbsttestungen ging.
Bei welchen Punkten können Sie gut nachvollziehen, dass Fragen auftauchten?
Ganz viele Fragen sind durch Unsicherheiten entstanden. Das beziehe ich gar nicht nur auf den Bereich der Schule. Das wird uns allen so gehen: Nicht immer ist ein Zweck oder Zusammenhang einer Maßnahme, mit der man konfrontiert wird, für den einen oder anderen sofort erkennbar und man hinterfragt. Jede dieser Fragen ist erst mal berechtigt. Wir bemühen uns - und auch die Schulleitungen legen sich richtig ins Zeug - so viel wie möglich über die Situation und die Maßnahmen aufzuklären. In den allermeisten Fällen lassen sich Fragen, die durch Unsicherheit entstanden sind, so klären.
Gab es Maßnahmen, die Sie schwer zu erklären fanden?
Keine Sternstunde war, als die Lernplattform Lernsax für die häusliche Lernzeit um die Jahreswende herum immer wieder nicht so funktionierte, wie sie sollte. Das hat mich auch persönlich geärgert. Da habe ich auch Verständnis für die Reaktionen, wenn wieder etwas technisch nicht funktionierte. Nicht ganz glücklich fand ich, dass die Dynamik es oft nicht zuließ, uns als Schulaufsichtsbehörde einen gewissen zeitlichen Informationsvorsprung gegenüber Schülern, Eltern und Schulen zu gewähren. Ich will aber auch sagen: Richtig gut finde ich zum Beispiel, dass in den vergangenen Wochen mit den Schutzmaßnahmen wieder mehr Schule möglich war. Für das Lernen ist das nicht schlecht. Wir haben auch viel Erleichterung bei den Eltern und Schülern bemerkt, als es hieß: Wir gehen wieder in die Schule. Bei mir kam das nach der langen Zeit des Homeschoolings wie ein Aufwind an.
Es sieht mit den Neuerungen im Bundesinfektionsschutzgesetz und der Inzidenz im Kreis Görlitz aktuell aber nicht gut aus, dass es noch lange so bleibt.
Ja, mit der Neuregelung musste auf die hohe Infektionslage in den Landkreisen reagiert werden. Ab Montag wird daher wieder mehr Homeschooling notwendig. Die Infektionslage ist uns auch bewusst. Was ich trotzdem nicht verstehen kann, ist, wenn Schulleitungen in den vergangenen Wochen angegriffen wurden, ihnen Kindeswohlgefährdung oder Körperverletzung vorgeworfen wurde, weil die Masken- und Testpflicht in der Schule eingeführt wurde, um Schulöffnungen in Sachsen zu ermöglichen.
Um die Masken- und Testpflicht geht es unheimlich viel auf bestimmten Plattformen wie der Telegram-Gruppe "Eltern stehen auf" Görlitz. Es geht um Gerichtsurteile zur Maskenpflicht, um Infos, die gegen Testungen sprechen. Neulich machte auch ein Schreiben die Runde, mit denen man die Lasub "zuspammen" wolle. Wie viel dieser Dinge kommt bei Ihnen an?
Fakt ist, dass wir wirklich viele Reaktionen von Eltern erhalten, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Tatsächlich handelt es sich bei manchen Anfragen gar nicht um Anfragen, sondern um politische Bekundungen oder Beschwerden zu den aktuellen Pandemiemaßnahmen. Mein Eindruck ist, dass die Schule dabei häufig in einen besonderen Fokus gestellt wird: Man erkennt bei manchen Anfragen, dass die Schule nur das auslösende Moment der Beschwerde ist und eigentlich ganz andere Hintergründe existieren. Im Verhältnis zu den über 100.000 Schülern in Ostsachsen ist es aber trotzdem eine große Mehrheit, die sich den Anforderungen und Herausforderungen stellt. Und dann geht es aber auch in die andere Richtung: Es gibt auch genauso diejenigen, die fordern, man müsste noch viel, viel schärfer vorgehen. Teils sind ihre Briefe oder E-Mails im Tonfall ganz ähnlich charakterisiert. Es wird schwerer den Menschen gerecht zu werden, in beide Richtungen.
Haben Sie Zahlen vorliegen, wie viele Schüler oder Eltern eine Testung in den Schulen ablehnen? Möglich ist es ja, sich vom Präsenzunterricht deshalb befreien zu lassen.
Wir hatten in den Landkreisen Görlitz und Bautzen an allen Schularten zuletzt wöchentlich über 47.300 Schülerinnen und Schüler in den Schulen. In der Woche nach Ostern haben 863 Schüler nicht am Präsenzunterricht teilgenommen wegen einer Ablehnung der Testpflicht an der Schule und haben auch keinen vergleichbaren Testnachweis vorgelegt - auch die Möglichkeit gibt es, sich zu Hause zu testen. Es ist mit weniger als zwei Prozent ein geringer Anteil.
Welche Anfragen beantworten Sie, wann lehnen Sie eine Beantwortung ab?
Jede echte eingereichte Anfrage beantworten wir auch. Auf eine politische Meinungsäußerung dagegen werden wie keine Äußerung abgeben. Wir sind nicht die Behörde, die Maßnahmen erlässt, sondern wir setzen um. Es ist unser Job, uns am Verwaltungshandeln zu orientieren und bei Fragen dazu erhalten Eltern auch eine Antwort. Teils bekommen wir aber zum Beispiel auch Anfragen aus anderen Bundesländern. Da werden "kritische Fragenkataloge" abkopiert und machen die Runde. Wenn so etwas bei uns ankommt, versuchen wir fair zu sein, Dinge dennoch zu beantworten. Anonyme Anfragen beantworten wir nicht. Auch wenn ich reine Brandbriefe bekomme - das nehme ich zur Kenntnis, eine Antwort gebe ich nicht.
Waren schon Drohungen dabei?
Schon einige.
Die Dinge, über die wir sprechen - die Maßnahmen und die Reaktionen der Gegner unter Eltern - nehmen sie einen Großteil ihres Arbeitsalltags ein oder gibt es derzeit ganz andere Dinge, die Sie, Lehrer, Schüler umtreiben? Jetzt steht ja das Abi an.
Die schulaufsichtliche Tätigkeit, die dieses Haus eigentlich ausübt, hat durch die pandemische Lage schon eine andere Ausrichtung erfahren. Ich bin richtig stolz auf meine Mannschaft. Wir haben uns mit logistischen Dingen auseinanderzusetzen gehabt, um die Schulen mit Tests versorgen zu können, wir haben uns mit den Allgemeinverfügungen auseinandergetzt, sechs Mitarbeiter von uns haben zeitweise im Gesundheitsamt Bautzen geholfen. Das ist für die Mitarbeiter schon ein sehr präsentes Thema. Daneben stehen die "normalen" Aufgaben an: Planung neues Schuljahr, Lehrereinstellungen, schulpsychologische Begleitung - das läuft alles weiter. Das fordert und wird auch immer wieder überlagert von pandemischen Dingen. Ich will auch unbedingt den Lehrern und Schulleitern danken. Das sind Herausforderungen hoch drei. Es geht nur alles einmal am Tag.
Falls Sie selbst Kinder haben, wie gehen Sie selbst mit den Maßnahmen an den Schulen um?
Meine Familie ist von der Corona-Pandemie auch sehr getroffen gewesen, mit einem Todesfall. Das sagt vielleicht alles. Ich habe Familie, auch Enkelkinder. Wir nehmen es ernst.
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