Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
SZ + Görlitz

Warum in Görlitz so viel Kunst zu sehen ist

Mehrere Ausstellungen zeigen Werke von Alten Meistern bis hin zu futuristischen Görlitz-Visionen. Zudem ist auch ein Gemälde zurück, das 2022 durch die Presse ging.

Von Ines Eifler
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Johanna Brade ist die Kuratorin der neuen Sonderschau im Schlesischen Museum. Noch nie gezeigte "Kunstschätze" werden hier gezeigt.
Johanna Brade ist die Kuratorin der neuen Sonderschau im Schlesischen Museum. Noch nie gezeigte "Kunstschätze" werden hier gezeigt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die schöne Herzogin von Württemberg-Oels ist seit einigen Tagen auf Plakaten an vielen Straßen in und um Görlitz zu sehen, auch die Litfaßsäule vor dem C&A ziert ihr Porträt mit den ausdrucksvollen Augen, den roten Lippen, dem glitzernden Ohrring und dem Hermelinpelz.

Das Original, das der Maler Johann Georg Ziesenis d. J. Mitte des 18. Jahrhunderts anfertigte, gehört zu den Prunkstücken der Sonderschau "Neue Kunstschätze" des Schlesischen Museums auf der Görlitzer Brüderstraße.

"Wir haben uns schon lange gewünscht, Kunstwerke aus früheren Epochen für unsere Kunstsammlung zu erwerben", sagt die Johanna Brade, Kunsthistorikerin am SMG und Kuratorin der neuen Ausstellung.

Kunststiftung macht Mitsteigern möglich

Das wurde möglich, als sich die Ernst von Siemens Kunststiftung und der Förderverein des Museums bereiterklärten, bei einer Auktion in München im März 2022 zu helfen, auf der heißbegehrte Kunst- und Einrichtungsgegenstände aus dem schlesischen Schloss Carlsruhe bei Oppeln (heute Opole) versteigert wurden.

Blick in die Ausstellung "Neue Kunstschätze im Schlesischen Museum".
Blick in die Ausstellung "Neue Kunstschätze im Schlesischen Museum". © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Grafiken in der Ausstellung "Neue Kunstschätze" des Schlesischen Museums.
Grafiken in der Ausstellung "Neue Kunstschätze" des Schlesischen Museums. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Nicht nur ein Porträt der schönen Herzogin, sondern auch des Herzogs Württemberg-Oels aus der Mitte des 18. Jahrhunderts konnte das Schlesische Museum mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung ersteigern.
Nicht nur ein Porträt der schönen Herzogin, sondern auch des Herzogs Württemberg-Oels aus der Mitte des 18. Jahrhunderts konnte das Schlesische Museum mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung ersteigern. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Gemälde der Moderne aus dem frühen 20. Jahrhundert  in der Ausstellung "Neue Kunstschätze".
Gemälde der Moderne aus dem frühen 20. Jahrhundert in der Ausstellung "Neue Kunstschätze". © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Bei einem regelrechten "Bietgefecht" konnte das Museum noch ein zweites Gemälde ersteigern, das nun direkt neben der Herzogin zu sehen ist und deren Ehemann Herzog Carl Christian Erdmann von Württemberg-Oels darstellt. Das Ehepaar ließ ab etwa 1750 das Herzogliche Schloss Carlsruhe erbauen, das 1945 von der Roten Armee geplündert und durch einen Brand zerstört wurde.

"Das Schlossinventar war jedoch noch vor Kriegsende in Sicherheit gebracht worden", sagt Johanna Brade, "und blieb über mehrere Generationen in der Familie." Erst nach dem Tod von Ferdinand Herzog von Württemberg 2020 gelangten die Gegenstände in mehreren Kisten in ein Auktionshaus.

Verschandeltes Gemälde aus "Bares für Rares" ist zurück

Ein weiteres Ölbild in dieser Sonderausstellung wird vielen aus der überregionalen Berichterstattung im vergangenen Jahr bekannt sein. Das Museum erwarb 2022 das Porträt eines Breslauer Maschinenbaumeisters, das bei "Bares für Rares" versteigert worden war. Der Künstler Adolf Gottlob Zimmermann aus Lodenau bei Rothenburg hatte es 1859 gemalt, lange war es in Familienbesitz, dann schrieb die neue Eigentümerin in Goldschrift "Go for it" auf die historische Leinwand, um das Gemälde "zu verschönern".

2022 zeigte Kunsthistorikerin Johanna Brade das bei "Bares für Rares" versteigerte Gemälde von Adolf Gottlieb Zimmermann, das die neue Eigentümerin später mit Goldschrift "verzierte". Das Museum kaufte es und ließ es restaurieren.
2022 zeigte Kunsthistorikerin Johanna Brade das bei "Bares für Rares" versteigerte Gemälde von Adolf Gottlieb Zimmermann, das die neue Eigentümerin später mit Goldschrift "verzierte". Das Museum kaufte es und ließ es restaurieren. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Inzwischen ist das Porträt zurück und es ist klar, der dargestellte Breslauer Maschinenbauers August Samman war zeitweise Chef des Görlitzer Waggonbaus.
Inzwischen ist das Porträt zurück und es ist klar, der dargestellte Breslauer Maschinenbauers August Samman war zeitweise Chef des Görlitzer Waggonbaus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Das Schlesische Museum hat das Bild inzwischen aufwendig dank zahlreicher Spendengelder restaurieren lassen und zeigt es nun zum ersten Mal. Johanna Brade fand heraus, dass August Sammann, den Zimmermann porträtierte, ab 1870 für einige Jahre Direktor des Vorläufers des Görlitzer Waggonbaus war und in der Struvestraße lebte. "Das Porträt ist also noch viel mehr mit Görlitz verbunden, als wir anfangs vermutet haben."

Jedes Werk hat seine Geschichte

Solche und andere Geschichten verbergen sich hinter jedem der in der neuen Schau gezeigten Schätze, von denen die meisten noch nie zuvor öffentlich zu sehen waren. Die Gemälde, Grafiken, Plastiken und Bronzereliefs erzählen neben ihrer eigenen auch die Geschichte einer jahrelangen erfolgreichen Sammeltätigkeit. Johanna Brade erinnert sich noch, als sie vor fast 20 Jahren ans Schlesische Museum kam und "ihre" Kunstsammlung sehen wollte, die sie für künftige Ausstellungen nutzen würde. "Aber da war nichts!"

  • Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Görlitz-Niesky-Newsletter anmelden.

Das Museum war nach der Wende gerade erst gegründet worden und lebte in den ersten Jahren von wenigen Schenkungen. Erst nach und nach wuchs die Sammlung durch weitere Gönner, durch den Ankauf von Nachlässen, durch persönliche Kontakte und durch die Unterstützung des Fördervereins bei Erwerbungen. Mittlerweile verfügt das Museum jedoch über eine ansehnliche Kunstsammlung mit einem Schwerpunkt auf dem frühen 20. Jahrhundert, als Breslau eine moderne Stadt voller Künstler war und auch das Riesengebirge bekannte Maler inspirierte.

Kunsthalle in der Jakobstraße zeigt Werke von Görlitzern

Ein ganzes Jahrhundert später entstanden die Werke, die in der Kunsthalle auf der unteren Jakobstraße zu sehen sind. "Görlitzer Artists" heißt die aktuelle Ausstellung, und so sind hier zum Beispiel große Werke der Malerin Doris Baum zu sehen, die ursprünglich aus dem Görlitzer Umland stammt, über 20 Jahre in Bayern lebte, 2012 nach Görlitz zurückkam, mehrfach ausstellte, wieder fortging und nun wieder da ist. Ihre Bilder erzählen häufig von Frauen, deren Lieben und Lasten, von Glück und Unglück. In der Kunsthalle fasziniert vor allem ihr Gemälde einer Musikerin, die barfuß Flöte spielt.

Gemälde der Görlitzer Künstlerin Doris Baum in der Kunsthalle.
Gemälde der Görlitzer Künstlerin Doris Baum in der Kunsthalle. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Schrill und bunt sind die Werke des Kubaners Amé Cardenas in der Kunsthalle.
Schrill und bunt sind die Werke des Kubaners Amé Cardenas in der Kunsthalle. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Großformatige Porträtfotos von Fotograf Martin E. Kautter sind in der Görlitzer Kunsthalle zu sehen. Viele der Abgebildeten gehören zum Görlitzer Stadtbild.
Großformatige Porträtfotos von Fotograf Martin E. Kautter sind in der Görlitzer Kunsthalle zu sehen. Viele der Abgebildeten gehören zum Görlitzer Stadtbild. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die Werke weiterer Künstler sind bunt und bunt gemischt. Abbas Ahmadi kommt aus Afghanistan, wurde im Iran geboren und lebt seit 2016 in Deutschland. Er ist Teil der Künstler im Umfeld der Kunsthalle, die im dazugehörigen Ateliergebäude am Rande der Görlitzer Innenstadt arbeiten. Geometrie und Chaos treffen in seinen farbenfrohen Bildern aufeinander und zeigen die Vielfalt des menschlichen Daseins.

Görlitzer Gesichter ganz groß

Die Werke anderer Künstler sind teilweise hart an der Grenze zum Mainstream oder greifen Ideen auf, die andere Jahrzehnte vorher hatten: ein Stück Pop-Art, ein bisschen Picasso. Amé Cardenas kam aus Kuba über Spanien nach Dresden und stellt nun in der Kunsthalle Görlitz aus. Eine junge Ukrainerin zeigt naiv-romantische Bilder.

Mit dabei sind aber auch große Gemälde einer gebürtigen Görlitzerin: Anne Seidel machte 2017 am Augustum-Annen-Gymnasium Abitur, studierte in Dresden Malerei und betreibt heute in Markersdorf das "Kunstcafé & Atelier", in dem sie Kunstkurse, Ausstellungen und Weiteres für Kunstinteressierte anbietet.

Besonders eindrucksvoll ist die Fotoausstellung im zweiten, völlig schwarzen Raum der Kunsthalle, einem früheren Geschäft, über dem noch heute "Tapeten" steht. Hier zeigt der Fotograf Martin E. Kautter sehr große Porträts von Görlitzern jedes Alters, die häufig aus dem Stadtbild bekannt, hier jedoch nur mit Vornamen benannt sind.

Der Organisator philosophischer Veranstaltungen Franz-Peter von Boxelaer gehört dazu, Brigitte Otterpohl, die 2006 mit ihrem Mann vom Schwarzwald nach Görlitz zog, oder der AfD-Politiker Sebastian Wippel: alles Menschen, deren Gesichter eine Geschichte erzählen. Genau gegenüber hängen Fotos ganz anderer Art von Alexander Schröter, die wie spontane Szenen wirken, beobachtet von den wachen Augen ihrer Gegenüber.

Was die Künstliche Intelligenz aus Görlitz macht

Ausschließlich um Fotografien geht es auf der Löbauer Straße 7 im Görlitzer Fotomuseum. Dort sind aktuell mehrere Ausstellungen zu sehen. Hier sind es keine Görlitzer, deren Mienen man aus größter Nähe studieren kann, sondern Stars wie Kate Winslet, Ralph Fiennes, Jeff Goldblum, Wes Anderson, Tilda Swinton oder Bill Murray und andere, die bereits in Görlitz gedreht haben, im Großformat. Ihre Porträts und die weiterer Filmschauspieler zeigt der Fotograf Gerhard Kassner in der lichtdurchfluteten oberen Etage.

Im Görlitzer Museum der Fotografie sind unter anderem Bilder zu sehen, für die Görlitzer Motive so verändert wurden, wie sich die Künstliche Intelligenz Städte der Zukunft vorstellt.
Im Görlitzer Museum der Fotografie sind unter anderem Bilder zu sehen, für die Görlitzer Motive so verändert wurden, wie sich die Künstliche Intelligenz Städte der Zukunft vorstellt. © Fotomuseum
Berliner Studenten ließen sich von Görlitzer Motiven inspirieren und stellen ihre Bilder im Fotomuseum aus.
Berliner Studenten ließen sich von Görlitzer Motiven inspirieren und stellen ihre Bilder im Fotomuseum aus. © Fotomuseum
Auch der Garten rund um die Sonnenuhr am Stadtpark bot den Studenten ein Fotomotiv.
Auch der Garten rund um die Sonnenuhr am Stadtpark bot den Studenten ein Fotomotiv. © Fotomuseum
Lauter kleine Details aus Görlitz.
Lauter kleine Details aus Görlitz. © Fotomuseum
Görliwood-Stars ganz große im Fotomuseum.
Görliwood-Stars ganz große im Fotomuseum. © Fotomuseum

Eher experimentelle Fotografie, basierend auf Görlitzer Motiven, sind im Erdgeschoss und Lichthof ausgestellt. Hierfür haben Studenten und Absolventen der Berliner University of Europe for Applied Sciences aus 18 Ländern Zeit in Görlitz verbracht und aus ihren Aufnahmen die Schau "Görlitz – Now & Tomorrow" entwickelt. Die Motive reichen von einer Parkbank im Dunkeln über liebevoll fotografierte Details bis hin zu Bildern, die mithilfe Künstlicher Intelligenz erzeugt wurden.

Man traut seinen Augen kaum: die Türme der Peterskirche – oder doch nicht? Bekannte Häuserecken – sind sie es oder doch nur ähnliche? Große Stadtautobahnen führen daran vorbei, die Denkmäler sind nur noch ein Teil von Glasfassaden, die in den Himmel wachsen. In die Zukunft schauen kann die KI sicher nicht, doch faszinierend ist, was sie sich "ausdenkt".

Und faszinierend, wie viel Kunst – es gibt noch die Ausstellung "Über Druck" im Kaisertrutz, "Ins Gebirge" im Barockhaus und die neue Kunstgalerie am Klosterplatz – gerade in Görlitz zu sehen ist!

"Neue Kunstschätze im Schlesischen Museum": Dienstag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Freitag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. Dazu gibt es ein Ferienangebot: "Nicht alles, was schön ist, muss teuer sein", mittwochs 10 und 14 Uhr, freitags 10 Uhr. Anmeldung über [email protected] oder 03581 8791-0

Kunsthalle Görlitz: Donnerstag und Freitag 16 bis 20 Uhr, Sonnabend und Sonntag 14 bis 18 Uhr. Ausstellung "Görlitzer Artists" bis zum 30. Juli

Fotomuseum Görlitz: Freitag bis Sonntag 12 bis 16 Uhr