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So hilft der Görlitzer Handball der Ukraine

Der Görlitzer HC hat einen Anruf mit Bitte um Unterstützung erhalten und sofort reagiert. Drei junge Frauen sind jetzt sicher.

Von Frank Thümmler
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Görlitzer Handball-Frauenpower – Magdalena Rejfur, Präsidentin Elisabeth Puschmann und Co-Trainerin Yvonne Kurtycz (von links) – hilft jetzt Handball-Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine.
Görlitzer Handball-Frauenpower – Magdalena Rejfur, Präsidentin Elisabeth Puschmann und Co-Trainerin Yvonne Kurtycz (von links) – hilft jetzt Handball-Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine. © H.-E. Friedrich

Görlitz. Dass die Oberliga-Handballerinnen des Görlitzer HC am Sonnabend, ab 18 Uhr, gegen Aufbau Altenburg ein ganz wichtiges Spiel um den Klassenerhalt bestreiten, gerät gerade etwas in den Hintergrund. Denn Anfang vergangener Woche wurde der Görlitzer Frauenhandball-Verein vom ukrainischen Verband mit der Frage kontaktiert, ob es möglich sei, einige ukrainische Handballerinnen, die vor dem Krieg flüchten müssen, aufzunehmen.

„Der Hilferuf kam eigentlich aus Jelenia Gora. Dort ist Dila Samadowa, eine Kirgisin, Trainerin. Wir kennen uns schon seit 20 Jahren. Sie hat sich gemeldet, weil bei ihr nach der Aufnahme von acht Frauen die Kapazitäten erschöpft seien und das Telefon nach wie vor heißlaufe“, erklärt Görls-Trainer Jörg Adam. Im Vorstand des Görlitzer HC wurde nur kurz diskutiert, dann war klar: Wir helfen.

Eine Gelegenheit gibt es auch: Die Wohnungsgenossenschaft Görlitz hatte als Sponsor des Vereins für diese Saison eine Wohnung zur Verfügung gestellt, in die drei kroatische Spielerinnen für die Oberligamannschaft eingezogen waren. Wegen Corona und der langen Unsicherheit über die Fortsetzung der Saison sind diese drei Handballerinnen längst in ihre Heimat zurückgekehrt. Die möblierte Wohnung steht mindestens bis zum Sommer zur Verfügung und derzeit leer. „Selbstverständlich haben wir sofort und unbürokratisch unsere Zustimmung erteilt“, sagt Simone Oehme, Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Görlitz.

Die Probleme bei der Ankunft

Nach der Zusage der Görlitzer ging alles ganz schnell: Vizepräsident Dirk Puschmann und Jörg Adam fuhren am Sonntag nach Jelenia Gora, um die erste junge Ukrainerin vom dort ankommenden Zug abzuholen. „Wir wussten nicht einmal den genauen Zug, nur die ungefähre Ankunftszeit, und hatten eine ungefähre Vorstellung vom Facebook-Profil, wie sie aussieht“, sagt Adam. Erster Anlaufpunkt war deshalb die Sporthalle, wo Dila Samadowa gerade ein Spiel mit ihrer Mannschaft absolvierte und schnell ein Pappschild schrieb. Denn die ukrainische Handballerin spricht nur russisch und ukrainisch.

Damit ausgestattet warteten die beiden Görlitzer am Bahnsteig – und „plötzlich stand sie vor uns. Sehr schüchtern. Nur mit einer Folie-Tüte und einem Rucksack. Gekleidet in einer Trainingshose und einem Pullover einer deutschen Baufirma, wohl aus einer Kleiderspende. Wenn man so direkt sieht, was dieser Krieg für Folgen hat, wird einem schon anders“, sagt Dirk Puschmann. Die Verständigung war sehr schwierig. Es half natürlich, dass die 21-Jährige vorinformiert war, wusste, dass sie abgeholt und nach Görlitz gebracht würde. „Wir haben versucht, uns über das Übersetzungsprogramm des Handys zu verständigen, aber sie wirkte sehr müde und teilweise auch unbeteiligt, was man verstehen muss, wenn sich das ganze Leben so plötzlich so krass ändert“, sagt Jörg Adam.

In Görlitz angekommen führte der erste Weg zur Polizei, für die Anmeldung. Dann schafften die beiden Görls-Vizepräsidenten die Ukrainerin erstmal zur Wohnung, wo sie mit dem Grundlegendsten versorgt und dann erst einmal in Ruhe gelassen wurde. „Wir halten das in ihrer Situation für das Beste, wollen sie auch nicht ins Schaufenster stellen oder sie tausend Fragen beantworten lassen“, sind sich die beiden Männer einig.

Hilfe von vielen Seiten

Inzwischen findet sich die Großstädterin (aus Kiew) schon gut in Görlitz zurecht, hat die Stadt auf eigene Faust erkundigt. Und sie hat auch schon zweimal mit den Görlitzer Handballerinnen trainiert – auch, um auf andere Gedanken zu kommen. „Dass sie bei uns Handball spielen könnte, ist nicht unsere Intention. Wir haben ja nicht einmal Einfluss darauf genommen, wer eigentlich zu uns kommt. Und ob sie im Sommer wieder zurück in die Ukraine gehen kann und will, das alles wissen wir nicht. Unsere Überschrift lautet ganz einfach: Handballer helfen Handballern,“ sagt Jörg Adam. Falls sich doch alles anders entwickelt und eine der geflüchteten Handballerinnen ihre neue Heimat in Görlitz findet, sei das eben so. Aber dieser Gedanke steht nicht im Vordergrund. Am Mittwoch ist bereits die zweite ukrainische Handballerin in Görlitz eingetroffen, die dritte folgt demnächst.

Was hier so schnell aufgeführt ist, bedeutet natürlich jede Menge Arbeit. Dirk Puschmann verweist auf die „Cathedrale“ und das Bürgerbüro der Grünen-Landtagsabgeordneten Franziska Schubert, die beratend zur Seite gestanden und bei den administrativen Dingen geholfen haben. Der Ausstatter des Görlitzer HC, „Teampro“, hat ebenfalls Unterstützung geleistet, die Handballerinnen selbst natürlich auch. Sie versuchen, die noch fremden Spielerinnen einfach so normal wie möglich zu behandeln. „Und besonders hat sich unsere Mannschaftsverantwortliche Magdalena Rejfur hervorgetan, die ja als junges Mädchen selbst den Weg aus Jelenia Gora über den Handball nach Görlitz gefunden hat und jetzt hier lebt“, sagt Dirk Puschmann.

Natürlich darf die Hilfe für die drei jungen Frauen jetzt nicht enden. Insbesondere solange der Flüchtlingsstatus noch nicht offizielle anerkannt ist, bleibt alles schwierig. Wer helfen will, kann sich direkt an Dirk Puschmann wenden. Und vielleicht besteht ja beim Heimspiel gegen Altenburg am Sonnabend auch eine Möglichkeit, in Kontakt zu kommen.

Telefon Puschmann: 0176-43980720