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Der Handballer, den auch ein Schlaganfall nicht stoppt

Der Rietschener Handballer Marcus Noack lag vor anderthalb Jahren im Rettungshubschrauber. Jetzt spielt er so gut wie nie.

Von Frank Thümmler
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Marcus Noack ist zurück und derzeit kaum zu bremsen.
Marcus Noack ist zurück und derzeit kaum zu bremsen. © Uwe Holubek

Wer aktuell in die Torjägerliste der Handball-Verbandsliga Ost schaut, sieht ganz vorn Marcus Noack, mit überragenden 35 Toren aus drei Spielen. Diejenigen, die sich im ostsächsischen Handball auskennen, werden sagen: Okay, der hat ja auch schon ein paar Jahre Sachsenliga gespielt – in Görlitz, Cunewalde und in Kamenz. Und jetzt, eine Liga tiefer – das ist stark, aber so überraschend auch wieder nicht. Ist es aber doch: Schließlich lag Markus Noack vor anderthalb Jahren, am 6. März 2020, in einem Rettungshubschrauber Richtung Uniklinikum Dresden unterwegs – Schlaganfall mit 30 Jahren.

„Als ich am Morgen in meinem Zuhause in Rietschen aufgestanden bin, bin ich einfach umgefallen, so als ob mich jemand von hinten geschubst hätte“, sagt Marcus Noack. Also: zurück ins Bett. Nach einer Stunde ging es besser. Zwar kein Appetit und halbseitige Kopfschmerzen, aber immerhin so gut, dass er nach Kottmarsdorf zu seinen Ex-Schwiegereltern fuhr, um dort noch einige Dinge wegen der Trennung von seiner Partnerin zu besprechen – nichtsahnend, was da eigentlich mit ihm passiert war. „Ich wurde dann zum Mittagessen eingeladen, hatte plötzlich aber null Appetit und auch krasse Wortfindungsstörungen“, sagt Marcus Noack. Die Ex-Schwiegermutter reagierte richtig und brachte ihn in die Ebersbacher Notfallaufnahme, schnell wurden ein CT angefertigt, der Hubschrauber angefordert.

Angst, allein vors Haus zu gehen

„Da fragt man sich schon, wie das alles sein kann, prüft, ob man noch alles bewegen kann, und hat natürlich auch Angst“, sagt der junge Mann, der damals gerade seine jetzige Freundin näher kennengelernt hatte. In Dresden wurde er dann in einem Schlaganfall-Überwachungszentrum „auf den Kopf gestellt“, alle vorstellbaren Untersuchungen wurden durchgeführt, um die Ursache für den Schlaganfall zu finden.

Ganz klar ist die bis heute nicht. Gefunden wurde aber ein Loch in der Herz-Zwischenwand. Die Ärzte vermuteten, dass sich dort ein Gerinnsel gebildet haben könnte, das sich irgendwann abgelöst und den Schlaganfall ausgelöst hatte. „Ich hatte jedenfalls riesiges Glück. Das Gerinnsel löste sich schnell von selbst auf, weshalb es für mich sehr geringe Folgen gab“, sagt Marcus Noack.

Es folgte eine vierwöchige Reha. Es ging ihm gut, auch bei leichter körperlicher Belastung wie Walken oder einfachem Zirkeltraining – bis zur Herz-OP im Juni 2020, bei der das Loch im Herzen verschlossen wurde. Danach: Schwindelgefühle, Essstörungen (neun Kilo Gewichtsverlust), Schlappheit, Antriebslosigkeit und die ständige Furcht: „Ich habe mich nicht allein aus dem Haus getraut aus Angst, es haut mich vielleicht richtig weg“. Irgendwann aber wurde es langsam besser.

Rietschen ist wie eine Familie

Die ersten Gedanken an Handball kamen wieder. „Handball ist mein Leben“, sagt Marcus Noack. In Görlitz aufgewachsen, hatte er die komplette Nachwuchsschule bei Koweg durchlaufen und es danach als Rechtsaußen bis ins Sachsenliga-Team geschafft, vier Jahre in Sachsens höchster Liga für Görlitz gespielt. Nach ein paar Unstimmigkeiten wechselte er dann nach Cunewalde, nach einem Trainerwechsel dort gemeinsam mit dem Görlitzer Erik Besser-Wilke in Richtung Kamenz.

Und als auch dort nach dem Rückzug des Trainers Chaos herrschte, ging es wieder für zwei Jahre nach Cunewalde. „Dann hat mich vor jetzt über vier Jahren Philipp Domko, der damals Rietschen trainierte, angerufen, ob ich nicht kommen will, Ich kam zum Probetraining und bekam sofort das Gefühl: Hier gehörst du hin. So wollte ich es immer haben. Die Jungs gaben mir sofort das Gefühl, als ob ich schon immer da war, als ob ich schon gleich zur Familie gehöre.“ Marcus Noack zog dann auch nach Rietschen, weil es ihm auf dem Dorf besser gefällt als in der Stadt, lebte sich schnell ein.

Nach seiner Krankengeschichte rechnete in Rietschen wohl kaum noch jemand mit seiner Rückkehr aufs Handballparkett. Umso größer war das Hallo, als er dann doch wieder beim Training auftauchte. „Ich habe beim ersten Mal gleich übertrieben, dann ging den ganzen Abend der Puls nicht runter“, sagt der Linkshänder. Also ging es zwei Schritte zurück. Er fing mit 15 Minuten Training an und erhöhte die Dosis nach und nach.

Die Coronapause in diesem Frühjahr deckte sich mit einem weiteren Rückschlag: Leisten-OP, die wegen der Vorgeschichte nicht minimalinvasiv durchgeführt werden konnte und deshalb eine lange Heilungszeit in Anspruch nahm. Aber seit der Saisonvorbereitung der Rietschener Handballer ist Marcus Noack wieder voll dabei. Und so gut wie nie.

Ernährungsumstellung tut gut

Eine Erklärung dafür hat er: „Ich habe meine Ernährung umgestellt, auch, weil erhöhte Blutfettwerte und der Cholesterinspiegel zu meinem Schlaganfall beigetragen haben könnten. Früher habe ich eigentlich zu jeder Mahlzeit Fleisch gegessen, heute nur noch zwei, dreimal pro Woche. Und ich habe mich viel mit Ernährung beschäftigt, esse zum Beispiel mehr pflanzliche Proteine“, sagt er.

Das Ergebnis: Er fühlt sich schlanker, flinker, nicht mehr so kompakt wie früher, aber auch nicht so behäbig, obwohl er sein altes Gewicht wieder hat. Und das Handballspielen hat er nicht verlernt, spielt jetzt auf der rechten Rückraumposition und strahlt viel Torgefahr aus.

Marcus Noack genießt die Zeit mit seiner Freundin, die ebenfalls in Rietschen Handball spielt, und in seinem Handballteam umso intensiver, will noch lange aktiv sein und mit Rietschen, wo derzeit viele junge Spieler heranwachsen, weiter erfolgreich sein. Die schwere Erfahrung der letzten anderthalb Jahre haben ihn auch ein stückweit stärker gemacht.

Sein Motto: „Wenn du kämpfst, kannst du verlieren, wenn du nicht kämpfst, hast du schon verloren.“ Von dieser Einstellung gibt es am Sonnabend wieder etwas zu sehen, wenn Rietschen 18 Uhr in Großenhain spielt.