Görlitz: Streit um Frauen-Porträt landet vor Gericht

Es war ein seltener Fall am Montag vorm Landgericht: Der Görlitzer Gerhard Zschau hat für sein Modelabel Laba ein neues T-Shirt produziert. Es zeigt ein Werk der sorbischen Künstlerin Hanka Krawcec: der Linolschnitt vom Gesicht einer jungen Frau. Krawcec starb 1990. Das Mädchen, die einst Porträtierte, ist heute über 80 Jahre alt. Ihr Konterfei von damals auf einem T-Shirt - das möchte sie nicht. Ob die T-Shirts verkauft werden dürfen oder nicht, darum ging es vor Gericht.
Schon mehrfach mit sorbischen Werken gearbeitet
Hauptberuflich betreibt Zschau sein Modelabel nicht, dennoch war Laba als regionales, faires Label häufig schon in Medien Thema. Auch die Drucke oder Aufnäher haben meist regionalen Bezug. Zschau arbeitet etwa mit Drucken des Ebersbacher Künstlers Paul Sinkwitz, der in der NS-Zeit als „politisch unbelehrbar“ galt oder von Johannes Wüsten von der „Görlitzer Künstlerschaft“, der 1942 zu 15 Jahren Zuchthaus wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt wurde. Kleidung sei immer auch politisch, erklärte Zschau zum Start seines Labels. Rechtliche Probleme habe es bisher nie gegeben. "Ich frage vorher bei den Rechteinhabern an", oft die Nachfahren der Künstler, erklärt er.
Auch Hanka Krawcec habe einen besonderen Stellenwert für ihn. Die erste sorbische Frau, die als Künstlerin einem größeren Publikum bekannt wurde. Sie erarbeitete etwa das bis heute bestehende Symbol der Domowina, des Bundes Lausitzer Sorben. Sie war die erste sorbische Berufskünstlerin und fand vor allem als Grafikerin Beachtung.
Ein mindestens seltener Fall
Und so wurde vor Kurzem in einer sorbischen Lokalzeitung das Modelabel vorgestellt, mit einem Foto von dem Shirt mit Krawcec' Werk. Daraufhin erhielt Gerhard Zschau Anfang Mai Post, eine Unterlassungsverfügung. Es geht nicht um einen Urheberrechtsstreit - das Werk von Hanka Krawcec gilt als verwaist.
Das bestätigt Christina Bogusz, Direktorin des Sorbischen Museums in Bautzen. Sie hatte Zschau bei der Recherche unterstützt. "Die Autorenrechte der Künstlerin sind nirgends verbrieft. Sie hat keine Nachfahren." Dass es nun ein Gerichtsverfahren gibt, verwundert die Museumsdirektorin. "Es erstaunt mich, dass man so weit geht." Die Eltern oder die Porträtierte selbst hätten damals einen Sperrvermerk oder Ähnliches machen müssen, um die Veröffentlichung auszuschließen.
Denn vor Gericht geht es um die Persönlichkeitsrechte jener Frau, die 1960 porträtiert wurde, damals im späten Kindheits- oder frühen Jugendalter. Krawcec fertigte eine Bleistiftzeichnung an. Auf dieser Basis entstand 1974 der Linolschnitt, eine etwas gröbere, leicht verfremdete Version, die Gerhard Zschau auf seinen T-Shirts zeigen will.
Keine gütliche Einigung
Der Termin am Montag war ein Gütetermin. Doch keine der beiden Seiten hat einen gütlichen Vorschlag gemacht: Sie wissen nicht recht, wie der aussehen könnte. Es geht der älteren Dame nicht um Geld, erklärte ihr Anwalt. Sie möchte einfach nicht, dass ihr Abbild aus jungen Jahren auf einem T-Shirt zu sehen ist, schilderte er. Eine Entscheidung aus dem Inneren. Gerhard Zschau merkt man die Überraschung noch immer an. Bei dem Termin am Montag war die Frau nicht dabei. Gern hätte er sie nach ihren Gründen gefragt. "Ich bin enttäuscht."
"Es gibt drei Problemkreise", ordnete Richter Hans-Jörg Gocha ein. Erstens die Frage der Erkennbarkeit. Entspricht der Linolschnitt der Frau noch Jahrzehnte später? Sie kenne kein Urteil, so Zschaus Anwältin, in dem nicht individuelle Merkmale aufgezählt wurden, die eine Person auf einem Bildnis erkennbar machen. Die Frau habe kein Merkmal benannt. Man wisse zum Beispiel nicht, welche der beiden Vorlagen für den Linolschnitt dienten. Oder ob die Vorlagen damals in den 60er Jahren die Frau erkennen ließen. Und: Es geht nicht um ein Foto, sondern einen Linolschnitt, ein Kunstwerk. "Ich habe noch nie von einem solchen Fall gehört", sagt Zschau.
Der Anwalt der Frau widerspricht: Wenn feststehe, es ist die Person, und es besteht schon ein begründeter Anlass für die Befürchtung, sie könnte erkannt werden, reiche das. Ein Älterwerden verhindere nicht unbedingt die Erkennbarkeit. Es gab auch den Fall, in dem bei einem von hinten fotografierten Schiedsrichter Erkennbarkeit festgestellt wurde. Auch in dem Fall damals gab es bestimmte Merkmale, hielt Zschaus Anwältin dagegen.
Ab wann ist Kunst Kommerz?
Bei der Frage der Erkennbarkeit schien der Richter zwar auch Zschaus Seite nachvollziehen zu können. Allerdings, Punkt zwei: Gibt es dennoch Persönlichkeitsrechte, die es der Frau unabhängig vom Zeitpunkt erlauben mitzubestimmen, wie das Bild verwendet wird? "Da kann man natürlich sagen, es ist ein künstlerisches Werk", so Hans-Jörg Gocha. Fraglos sei Krawcec' Werk als Kunst einzuordnen, der Linolschnitt wurde bereits zigfach in Publikationen veröffentlicht. Zschau sieht seine Mode auch als Kunst, zumindest als Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sorbischer Kunst und Historie.
Auf der anderen Seite steht der dritte Punkt: Es geht um ein T-Shirt, das letztlich verkauft werden soll, für 35 Euro. Nun galt Leinwand nie als einzig probates Trägermedium von Kunst. Und es gibt Galerien, die kommerziell arbeiten, so Zschau. Aber die Frage ist: Wie lange bleibt Kunst Kunst - ab wann überwiegt der kommerzielle Aspekt? Richter Gocha: Da könne man sehr unterschiedlicher Meinung sein. Am Freitag soll ein Urteil fallen.