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Landtagswahl in Görlitz: Wenn der "Endgegner" letztendlich doch gewinnt

Die AfD feiert ihre Wahlparty in Görlitz als geschlossene Gesellschaft. Bei der CDU herrscht einigermaßen Erleichterung, die Bündnisgrünen liegen im Wechselbad der Gefühle.

Von Matthias Klaus & Susanne Sodan
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Wahlparty der Partei CDU im Restaurant "da Vinci" auf dem Demianiplatz in Görlitz. Die CDU gewann die Landtagswahl in Sachsen - aber Partystimmung sieht anders aus.
Wahlparty der Partei CDU im Restaurant "da Vinci" auf dem Demianiplatz in Görlitz. Die CDU gewann die Landtagswahl in Sachsen - aber Partystimmung sieht anders aus. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Es ist eine seltsame Atmosphäre im Restaurant "Zeltgarten" in Weinhübel am Wahlabend - irgendwo zwischen Spannung und Entspannung. Auf der einen Seite gibt es an den Tischen Gespräche wie im Biergarten, über den Job, den bevorstehenden Urlaub und natürlich über Politik, auf der anderen Seite werden die Wahlergebnisse erwartet.

Viele Gäste sind es nicht an diesem Abend, vielleicht um die 60. Wer hier sitzt, trägt ein blaues Armband wie im All-In-Hotel. Die Wahlparty der AfD ist eine geschlossene Gesellschaft, so verkündet es auch ein Schild am Eisentor.

Hier kommt man nur mit blauem Armband rein: Wahlparty der AfD in Görlitz.
Hier kommt man nur mit blauem Armband rein: Wahlparty der AfD in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Sebastian Wippel, Direktkandidat für den Wahlkreis, sitzt direkt neben einer Leinwand, auf der später die Wahlergebnisse gezeigt werden. Er hat ein Fass Freibier ausgegeben. Wer zu spät kommt, muss fürs Bier dann selber zahlen. Es ist kurz nach 18 Uhr und Sebastian Wippel kommentiert die Sachsen-Wahlergebnisse nur ganz kurz. "Sehr ärgerlich." Die CDU liegt vorn. Groß diskutiert wird das im "Zeltgarten" eher entspannt, es steht ja immer noch das Duell des Abends aus. Wer gewinnt den Wahlkreis Görlitz?

Duell des Abends spielt in Görlitz

So bleibt es vorerst ein Abend zwischen Spannung und Entspannung im "Zeltgarten". Inzwischen füllen sich die Sitzplätze. Es ist nach 20 Uhr, als Sebastian Wippel wieder ans Mikrofon tritt. Ob er zu diesem Zeitpunkt schon weiß, dass Michael Kretschmer das Direktmandat für Görlitz geholt hat - vermutlich ja.

Er sehe sein Wahlergebnis positiv. "Es ist eine deutliche Steigerung. Das muss man erst einmal schaffen", so Sebastian Wippel. Und: "Es ist klar, dass nicht alle Bäume in den Himmel wachsen."

Michael Kretschmer bezeichnet er als seinen "Endgegner". Der habe, so sagt Sebastian Wippel, sicherlich sehr viel Geld in den Wahlkampf gesteckt, mehr als er.

Die Stadt Görlitz bezeichnet er als "Sorgenkind" für die AfD, unter anderem wegen der Hochschule. "Viele haben taktisch gewählt", ahnt Sebastian Wippel. So habe Michael Kretschmer profitieren können. Es ist inzwischen etwas kühl geworden im Außenbereich des "Zeltgarten". Die Biergartenatmosphäre, sie bleibt aber noch.

CDU: Gewonnen - aber echte Feierlaune kommt nicht auf

Gemischte Gefühle herrschen auch bei der CDU am Wahlabend. Die Wahlparty ist im Restaurant "Da Vinci" in der Görlitzer Innenstadt angesagt – so wie immer. Aber anders als sonst, herrscht wenig Betrieb. Oberbürgermeister Octavian Ursu ist da, Bürgermeister Benedikt Hummel, Christiane Schulz, Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Görlitz, Florian Oest, CDU-Kreisvorsitzender, Johann Wagner, Vorsitzender der Jungen Union im Kreis und auch Stadtrat Matthias Urban.

Der große Trubel aber herrscht in Dresden. In Görlitz werden die Hochrechnungen und das Geschehen in Dresden auf einer Leinwand übertragen. Von den ersten Hochrechnungen an liegt die CDU in Sachsen vor der AfD. Trotzdem, echte Feierlaune will nicht aufkommen. Es ist kein großer Abstand zur AfD. Und dann ist so mancher auch nicht begeistert, dass es die Bündnisgrünen erneut in den Landtag geschafft haben. Die Partei, von der Kretschmer sagte, mit ihr wolle er keine weitere Koalition eingehen.

Das sei schon 2019 keine „Liebeshochzeit“ gewesen, wie es Florian Oest ausdrückt. Und dann noch die vergleichsweise hohen Werte für das BSW. „Man kennt eigentlich kein Programm“, sagt Octavian Ursu. Außer Wagenknechts Forderung, sich gegen die Stationierung von US-Raketen in Deutschland einzusetzen. Die nächste Frage also ist die Koalitionsfrage.

Görlitzer Moment der Freude

Man hält durch im "Da Vinci", bis klar ist, dass Michael Kretschmer es geschafft hat, sein Direktmandat im Görlitzer Wahlkreis gegen AfD-Herausforderer Sebastian Wippel zu verteidigen. Doch noch ein wirklich froher Moment. Kurz danach, 21.30 Uhr, ist die Wahlparty quasi aufgelöst. "Sehr – sehr erfreut", ist Johann Wagner über die Ergebnisse für Kretschmer an der Neiße. Der Görlitzer Wahlkreis besteht aus fünf Gemeinden – in allen fünf hatte Kretschmer die Nase vorn, in manchem sogar sehr deutlich.

In Markersdorf etwa erreichte er 48,5 Prozent der Stimmen. Dass er in "seiner" Region nach wie vor das Vertrauen hat, "das stärkt ihn sehr", sagt Wagner. Ein junger Mann, der eigentlich gerne laut ist, Stimmung verbreitet. Aber an diesem Abend, "sind wir alle extrem erschöpft. Wir haben alles reingeworfen, was wir hatten." So groß die Erleichterung über Kretschmers erneuten Sieg ist, "wir hatten sachsenweit mehrere Kandidaten, denen ich das Direktmandat auch gegönnt hätte, die es aber nicht geschafft haben."

Bündnisgrüne: Gäste stehen vor verschlossener Tür

Für die Bündnisgrünen war der Abend geprägt von Erleichterung, Zuversicht, aber auch Enttäuschung. Die-Fünf-Prozent-Hürde hatten sie schon den ersten Hochrechnungen nach geschafft. Aber nur knapp - es konnte noch nach oben gehen und nach unten. "Zittern ist noch nicht angesagt", sagt Carolin Renner, die für die Bündnisgrünen als Direktkandidatin für den Wahlkreis Niesky/Weißwasser angetreten war. Zusammen mit Franziska Schubert, die Görlitzer Direktkandidatin, verfolgt sie den Wahlabend in Dresden.

Das waren noch andere Zeiten: 2019 konnten die Bündnisgrünen in Görlitz gut feiern. Jetzt ist die Stimmung gedrückter - und die "Bierblume", das Grünen-Lieblingslokal, war eh zu.
Das waren noch andere Zeiten: 2019 konnten die Bündnisgrünen in Görlitz gut feiern. Jetzt ist die Stimmung gedrückter - und die "Bierblume", das Grünen-Lieblingslokal, war eh zu. © nikolaischmidt.de

Dort und in Leipzig bestand die Möglichkeit, dass bündnisgrüne Kandidaten die Direktmandate gewinnen können, "wir sind relativ zuversichtlich", sagt Carolin Renner. Letztlich kam es auch so: Die beiden Direktmandate holten die Bündnisgrünen. Und eine gewisse Stammwählerschaft in Sachsen hob die Partei über die Fünf-Prozent-Marke. In Görlitz konnte man das Wechselbad der Gefühle nicht mitverfolgen, zumindest nicht live.

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Eigentlich wollten die Görlitzer Grünen in der "Bierblume" zusammenkommen - wo man aber vor verschlossenen Türen stand. Ob die Görlitzer Grünen in Schockstarre gefallen sind? Nein, die "Bierblume" ist sonntags jetzt geschlossen. Kurzfristig entschied man sich um. Aber, so richtig zum Feiern war zumindest Carolin Renner nicht zumute. Wie die Bündnisgrünen in den ländlichen Gebieten abschnitten: "Eher schade", sagt sie. "Aber es ist auch nicht verwunderlich, blickt man zurück, wie in den vergangene Wochen Wahlkampf gegen uns gemacht wurde."