Eine ungarische Weihnachtskrippe aus Maisstroh bei Gunter Ende in der Hospitalstraße, eine barocke Krippe in der Hirschapotheke am Postplatz, eine neogotische mit hohen, majestätischen Figuren bei Schwinds Erben oder eine, wo Maria auf der Krippe sitzt, bei Albrecht und Matthias Finster.
Weihnachtlich dekoriert sind die meisten Geschäfte in der Görlitzer Innenstadt, selbst wenn sie wegen des Lockdowns geschlossen sind. In einigen Schaufenstern aber stehen Weihnachtskrippen aus der großen Sammlung von Günther Kempgen, die dessen Witwe Margrit Kempgen weiterbetreibt und verwaltet. Diese Sammlung umfasst gut 500 Krippen aus der ganzen Welt, ob aus China, von den Philippinen, aus Mexiko oder Ländern Afrikas, ob alte, neue, moderne, ob aus Holz, Glas, Stein oder Recyclingpapier.

In den vergangenen Jahren waren aus der Sammlung, die Günther Kempgen in den 1950er-Jahren begonnen hatte, jeweils Krippenausstellungen in der Dreifaltigkeitskirche zu sehen, die man am Rande des Christkindelmarktes besuchen konnte. In diesem Jahr sind die "offenen Kirchen" der Innenstadtgemeinde geschlossen, also kam es nicht zu der schon Tradition gewordenen Ausstellung.
"Die Weihnachtsgeschichte ist eine 'bewegte' Geschichte", sagt Margrit Kempgen. Maria und Josef machen sich auf den Weg nach Bethlehem, der Engel macht sich auf den Weg zu ihnen, die Hirten machen sich auf den Weg zum Stall, ebenso die Weisen. "Auch wir sollten uns auf den Weg machen." Also habe sie eine Ausstellung "auf dem Weg" vorgeschlagen, bei der man in Bewegung kommt und die so auch dem aktuellen Sicherheitsbedürfnis der Menschen entspricht.
"Außerdem tut mir der Einzelhandel mit all den Menschen, die an 'ihrem Geschäft' hängen und es jetzt schließen mussten, sehr, sehr leid", sagt sie. Die Krippe sei ein Symbol dafür, dass es Hoffnung gibt, dass Licht in das Dunkel kommt, dass die Nacht ein Ende nimmt. Die Krippe als "Lichtblick" in dieser Zeit.

So waren alle Görlitzer Händler aufgeschlossen, die Pfarrerin Dörte Paul von der Innenstadtgemeinde fragte, ob sie eine Krippe im Schaufenster zeigen würden. "Mir als Christ bedeutet Weihnachten sehr viel", sagt Gunter Ende, der in der Hospitalstraße Unterhaltungselektronik verkauft, "und da ich die Ausstellung in der Dreifaltigkeitskirche öfter besucht und daran Freude hatte, zeige ich nun gern eine der Krippen bei mir." Der Goldschmied Matthias Finster sagt, auch er freue sich, in diesem Jahr eine besondere Krippe ausstellen zu können. Das Anliegen der Ausstellung unterstütze er gern, auch seien ja trotz allem ein paar Menschen in der Stadt unterwegs. "Da gab es nicht viel zu überlegen."
Andere Händler hatten ihre Schaufenster schon fertig dekoriert und sagten, sie wären gern dabei, wenn die Aktion im nächsten Jahr noch einmal stattfinden sollte. Und manche – wie die Apothekerin Angela Tirschler – sagten, im Fenster sei zwar wenig Platz, aber im Laden passe die Krippe gut.

Die meisten der zehn ausgewählten Krippen aber stehen in Schaufenstern, etwa im Reformhaus gleich neben der Hirschapotheke oder bei Schwind's Erben. Auch der Lebenshofladen und Mode D am Obermarkt, die Galerie ZwoNeun des Malers Andreas Neumann-Nochten in der Hotherstraße 29, der Eine-Welt-Laden an der Elisabethstraße und die Orthopädie-Schuhtechnik Rosenkranz in der Jakobstraße zeigen Krippen aus der Sammlung Kempgen bis zum 10. Januar 2021.
"Auch wenn jetzt viele Geschäfte geschlossen sind, laufen die Menschen daran vorbei", sagt Margrit Kempgen. Ein "Blickpunkt", der eigentlich nicht zur Auslage gehört, führe vielleicht dazu, dass Menschen innehalten und ins Grübeln kommen, was es mit dieser Kombination auf sich habe. "Und vielleicht freuen sie sich auch einfach nur darüber."