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Wer versorgt Görlitz künftig mit Wasser?

2016 schrieb die Stadt ihre Wasser- und Abwasserkonzession für die nächsten 20 Jahre aus. Eine Entscheidung ist bis heute nicht gefallen. Doch nun kommt Bewegung in die Angelegenheit.

Von Sebastian Beutler
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Wer versorgt Görlitz künftig mit Wasser? Die Suche geht bereits ins sechste Jahr.
Wer versorgt Görlitz künftig mit Wasser? Die Suche geht bereits ins sechste Jahr. © Nikolai Schmidt

Es ist vermutlich eine der am längsten andauernden Ausschreibungen. Seit Ende 2016 versucht die Stadt Görlitz, die Konzession für ihre Wasser- und Abwasserversorgung für die nächsten 20 Jahre neu auszuschreiben. Doch auch nach fünfeinhalb Jahren hat das noch zu keinem Ergebnis geführt. Nun könnte es aber bald so weit sein. Warum das Ganze so lange dauert und was das für die Verbraucher bedeutet, erklärt die SZ-Analyse.

Welche Probleme verzögerten die Vergabe?

Es sind rechtliche Probleme, die das Verfahren so lange aufgehalten haben. Die sind der Stadt Görlitz erst nach dem Start des Ausschreibungsverfahrens aufgefallen. Die offenen Fragen aus Sicht der Stadt reichen zurück in die Jahre des Teilverkaufs an die Veolia-Gruppe 2001 und betreffen auch den Rückkaufswert der Anlagen für den Fall, dass die Stadtwerke nicht mehr der Versorger sind. Die Stadt wollte das Problem vor dem Verwaltungsgericht klären. Ihre Klage richtete sich nicht gegen die Stadtwerke, sondern gegen die Rechtsaufsicht, also den Landkreis Görlitz. Doch das Verwaltungsgericht nahm den Fall gar nicht erst an, den Weg vors Oberverwaltungsgericht blockierte es zudem. Rechtlich gelten damit die Probleme als erledigt.

Wie sieht das Vergabeverfahren aus?

So steht einer Fortsetzung des zwischenzeitlich ausgesetzten Ausschreibungsverfahrens nichts mehr im Wege. Der Görlitzer Stadtrat hat deswegen in seiner Juli-Sitzung das europaweite Verfahren wieder aufgenommen. Auch das ist nicht ganz ohne.

Das Verfahren war von vornherein als ein mehrstufiges geplant. Zunächst konnten sich Interessenten für die Versorgung mit Wasser und Abwasser bewerben. Anschließend wurde geprüft, ob die Bewerber geeignet sind. Wer diese Hürde nimmt, qualifiziert sich für das eigentliche Verfahren und kann ein Angebot auf Grundlage der Vorgaben seitens der Stadt abgeben. Schließlich entscheidet der Stadtrat, wer die Stadt künftig mit Wasser versorgt und das Abwasser entsorgt.

Im September 2018 nahmen die Stadtwerke AG Görlitz ihren neuen Horizontalfilterbrunnen in Betrieb.
Im September 2018 nahmen die Stadtwerke AG Görlitz ihren neuen Horizontalfilterbrunnen in Betrieb. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Wie geht es jetzt weiter?

Als das Verfahren 2017 angehalten wurde, war die Interessenbekundung gerade abgeschlossen. Die Stadtwerke Görlitz AG, so viel sickerte durch, hatte diese erste Runde erfolgreich bestritten und sich für die Abgabe eines Angebotes qualifiziert. Das bleibt auch so.

Weil nun aber fünf Jahre seitdem verstrichen sind, eröffnet die Stadt nochmals Dritten die Möglichkeit, sich für das Verfahren zu bewerben. Ist der Teilnahmewettbewerb abgeschlossen, geht es in das eigentliche Angebots- und Verhandlungsverfahren.

Wenn alles optimal läuft, dann soll bis Ende 2023 feststehen, wer künftig der Görlitzer Wasserversorger ist. Bis dahin läuft die bislang letzte Verlängerung des Betreibervertrages mit den Stadtwerken. Doch wird im Görlitzer Rathaus auch nicht ausgeschlossen, den Vertrag nochmals um ein Jahr zu verlängern, wenn wieder alle Fristen gerissen werden.

Musste die Stadt ausschreiben?

Das ist eine umstrittene Frage. Die Stadtwerke hatten von Anfang an eine Ausschreibung nicht für nötig gehalten, da das kommunale Wasser- und Abwassergeschäft nicht liberalisiert worden ist und die europäische Konzessionsrichtlinie die Wasserwirtschaft außen vor ließ. So hätten es die Stadtwerke am liebsten gesehen, wenn ihr Vertrag aus dem Jahre 1993 schon vor zehn Jahren um 10 oder 20 Jahre verlängert worden wäre. Wegen der rechtlichen Hängepartie ist es am Ende aber fast so gekommen. Die Stadt bestand jedoch immer auf einer Ausschreibung. Und erhielt dafür durchaus auch rechtliche Rückendeckung. So sei es nicht möglich, die Konzession an privat organisierte Mehrsparten-Stadtwerke einfach zu vergeben wie es in Görlitz der Fall wäre. Hier neigen Juristen zu der Auffassung, dass das EU-Recht eine Ausschreibung der Wasser- und Abwasserkonzession erfordert.

Belastet die Hängepartie das Verhältnis zwischen der Stadt und den Stadtwerken?

Auf den ersten Blick nicht. So arbeiten beide Seiten sehr eng bei der grenzüberschreitenden Fernwärmeversorgung von Görlitz und Zgorzelec zusammen. Doch hinter den Kulissen gab es gerade in der Wassersparte auch Spannungen. Zumal zwischenzeitlich im Görlitzer Rathaus auch Ideen verfolgt wurden, die Wasserversorgung ähnlich wie den Nahverkehr zu kommunalisieren. Die Stadtwerke hätten dann eine weitere wichtige Sparte verloren und sich wohl auch langfristig über ihr Engagement in Görlitz Gedanken gemacht. Mittlerweile sind diese Missklänge überwunden, dafür hat sicher auch der OB-Wechsel im Rathaus beigetragen und die durchwachsenen Erfahrungen, die die Stadt bei der Kommunalisierung des Nahverkehrs gemacht hat.

Trotz der Unsicherheiten investieren die Stadtwerke Görlitz AG weiter in die Anlagen, hier stehen Paul Franke (li.), Referent für Anlagentechnik bei den Stadtwerken, und der Leiter des Wasserwerks Bernd Bauer vor der Baustelle, wo seit vergangenem Jahr ei
Trotz der Unsicherheiten investieren die Stadtwerke Görlitz AG weiter in die Anlagen, hier stehen Paul Franke (li.), Referent für Anlagentechnik bei den Stadtwerken, und der Leiter des Wasserwerks Bernd Bauer vor der Baustelle, wo seit vergangenem Jahr ei © Archivfoto: Paul Glaser/glaserfotografie.de

Die Verbraucher und Kunden der Görlitzer Stadtwerke konnten all die Jahre dieses Übergangs sicher sein, dass sie mit Wasser versorgt werden und ihr Abwasser auch entsorgt wird. Und das wird auch so lange der Fall sein, bis die Konzession vergeben ist. Zudem haben die Stadtwerke Görlitz AG in das Wassernetz investiert. So errichten die Stadtwerke gerade am Wasserwerk im Görlitzer Stadtteil Weinhübel eine Kompaktanlage zur Flockungsfiltration für 2,5 Millionen Euro. Sie soll ab Ende nächsten Jahres etwaige Trübungen im Wasser bei Extremwetterlagen durch den Klimawandel verhindern. Jährlich investieren die Stadtwerke im Schnitt rund 1,5 Millionen Euro ins Trinkwasser, bei Großprojekten wie jetzt sind es auch schon mal ein paar mehr.