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Alstom: Bundesregierung will Görlitzer Waggonbau helfen

Am Freitag erst kündigte Alstom, den Abbau von 400 Jobs in Görlitz an. Doch Betriebsrat und Politik arbeiten an ihrer Strategie, das Werk langfristig zu erhalten.

Von Sebastian Beutler
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Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nach Gesprächen vor dem Görlitzer Werkstor von Alstom.
Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nach Gesprächen vor dem Görlitzer Werkstor von Alstom. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Mehr als drei Stunden Zeit nahm sich Michael Kellner am Dienstagnachmittag. Der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete, seit sechs Tagen Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz von Robert Habeck, ließ sich den Görlitzer Waggonbau zeigen und sprach anschließend mit dem Betriebsrat über die Lage.

Und die ist im Moment schlecht. Und das nicht erst seit Freitag, als Alstom ankündigte, in seinem Görlitzer Werk knapp jeden zweiten Job zu streichen. Auch in Bautzen und Hennigsdorf sollen Waggonbauer ihre Arbeit verlieren.

Es ist nur der vorläufige Höhepunkt eines jahrelangen Niedergangs des Görlitzer Werkes. Kompetenzen wie das Ingenieurwesen wurden an andere Standorte verlagert, der Wagenausbau ging nach Bautzen, Görlitz wurde verlängerte Werkbank, neue Produkte und Aufträge kommen schon seit Jahren nicht mehr rein.

Zwischen beiden scheint die Chemie zu stimmen: Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und der Görlitzer Betriebsratsvorsitzende René Straube (re.).
Zwischen beiden scheint die Chemie zu stimmen: Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und der Görlitzer Betriebsratsvorsitzende René Straube (re.). © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Bundesregierung will die Schiene stärken

Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Bahn eine Renaissance feiert. Jedenfalls ist das das Anliegen der neuen Ampel-Regierung, wie auch Kellner in Görlitz nach seinem Besuch vor Journalisten erklärte. "Die Koalition will den Schienenverkehr stärken und setzt sich auch dafür ein, dass die Wertschöpfung hierbleibt", erklärte Kellner.

Zwar galten seine Zusagen vor allem für das Görlitzer Werk, das am stärksten vom angekündigten Stellenabbau betroffen wäre. Doch habe er auch die anderen Produktionsstandorte von Alstom wie Bautzen im Blick, wo gleichfalls die Streichung von Jobs drohen.

Eine gute Zukunft für den Schienen- und Fahrzeugbau in Deutschland sieht Kellner, das wolle man nun auch in Gesprächen mit Alstom aufzeigen. Denn seiner Ansicht nach braucht der Markt in den kommenden Jahren mehr und nicht weniger Züge. "Überall in den Ländern wollen wir investieren in neue Züge", sagte Kellner. Zuletzt aber gingen die Aufträge selten zu Bombardier/Alstom, die Konkurrenz war schlichtweg besser.

Provisorische Pressekonferenz vor dem Alstom-Werkstor am Dienstagabend in Görlitz.
Provisorische Pressekonferenz vor dem Alstom-Werkstor am Dienstagabend in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Für den Görlitzer Betriebsratsvorsitzenden René Straube, der zugleich dem deutschen Gesamtbetriebsrat von Alstom vorsteht, war der Besuch als Signal an das Unternehmen wichtig: Schaut, selbst der deutschen Bundesregierung ist nicht egal, was in den Alstom-Werken geschieht. Ob das die Franzosen beeindruckt, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Zunächst aber drängt Straube mit seinen Betriebsräten auf mehr Informationen vom Unternehmen. Wie stellt sich Alstom die Zukunft seiner deutschen Werke vor, die es erst vor einem Jahr von Bombardier erworben hatte? Wie soll der Arbeitsplatzabbau erfolgen? Welche Fristen, unter welchen Bedingungen. Und wie stellt sich Alstom eigentlich vor, 1.300 Jobs in der Produktion abzubauen und gleichzeitig an anderen Standorten 700 Jobs in der IT und Digitalisierung aufzubauen? Wie will Alstom neuen Mitarbeitern vermitteln, dass seine deutsche Bahnsparte eine Zukunft hat?

Betriebsrat fordert mehr Klarheit vom Unternehmen

An diesem Mittwoch trifft sich der Gesamtbetriebsrat mit der Führung der deutschen Alstom-Werke. Dort soll es diese Klarheit geben. Auf die wartet auch die Politik. Denn erst dann kann sie gegebenenfalls bei den Gesprächen auch Vorschläge unterbreiten und Unterstützung signalisieren, wie die grüne Fraktionsvorsitzende im Dresdner Landtag, Franziska Schubert, äußerte. Dass derzeit viele miteinander reden - Bundeswirtschaftsministerium mit den Wirtschaftsministerien in Sachsen und Brandenburg, Betriebsräte mit Politikern, Politiker mit dem Unternehmen - bestätigte auch der Besuch Kellners in Görlitz.

Was ist der beste Weg für den Görlitzer Waggonbau?

Während andere empfehlen, Alstom zu helfen, sich von seinem Görlitzer Werk zu trennen und im Gegenzug finanzielle Hilfe von Alstom bei der Neugründung des Görlitzer Waggonbaus erwarten, setzt René Straube auf den Konzern. "Ich sehe in der Tat die langfristige Perspektive für den Standort Görlitz bei Alstom", sagt Straube gegenüber der SZ. Eine solche Expertise beim Wagenbau habe Alstom weder in Deutschland noch möglicherweise konzernweit. Wie wolle das Unternehmen denn künftig Wagen bauen, fragt sich Straube.

Um den Görlitzer Waggonbau zu erhalten, müsse das Werk Innovationsführer auf seinem Gebiet bleiben. Mit anderen Worten, sich unentbehrlich in der gesamten Produktionskette machen. Und zwar zunächst für Alstom. Wenn das französische Unternehmen aber daran kein Interesse hat, dann würde Straube einen weiteren Verkauf des Waggonbaus anstreben. Ernstzunehmende Interessenten gäbe es durchaus. Und Görlitz würde ihnen durchaus ein Begriff sein.