Görlitzer Stadtwerke-Chef fürchtet Preislawine für Gas-Kunden

Die schwierige Versorgungslage beim Gas spüren die Kunden der Görlitzer Stadtwerke am Preis. Schon zweimal seit Jahresbeginn wurde er erhöht. Doch das ist noch nicht das Ende der Entwicklung. Im Gespräch mit sächsische.de stimmt Stadtwerke-Vorstand Matthias Block seine Kunden auf weiter steigende Preise ein. Und skizziert auch, was passiert, wenn Russland gar kein Gas mehr liefert.
Herr Block, die Gas-Importe aus Russland fließen weniger, die Bundesregierung hat den Alarmzustand ausgerufen, die Stadtwerke haben in diesem Jahr bereits zweimal den Gaspreis erhöht. Womit müssen Ihre Kunden noch rechnen?
Die Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass sich die Gasmangellage weiter fortsetzt. Nicht ohne Grund rief die Bundesregierung zunächst die Warn- und später auch die Alarmstufe aus. In beiden Stufen geht die Bundesregierung davon aus, dass der Markt die Lage beherrscht. Gleichwohl sind Vorsichtsmaßnahmen gestartet worden, falls die Notfalllage ausgerufen werden muss. Dazu zählen die Prüfung von Lieferverträgen, das Befüllen der Speicherkapazitäten und dass kein Gas mehr für die Stromproduktion genutzt wird. Für die Stadtwerke würde das bedeuten, in den vier Blockheizkraftwerken keine Wärme mehr zu erzeugen mithilfe von Kraftwärmekopplung. Alles dient dem Ziel, die Speicher so weit zu füllen, damit wir im Herbst und Winter genügend Gas haben. Sollte aber die Notfallstufe ausgerufen werden, dann würde die Bundesnetzagentur mithilfe von Verordnungen über die Versorger wie die Stadtwerke Görlitz die Versorgung der Bevölkerung übernehmen und sicherstellen.
Sollte Russland tatsächlich gar kein Gas mehr liefern, welche Kunden sind geschützt?
Private Kunden, Krankenhäuser, auch systemrelevante Kunden sind geschützt, Industrie und Gewerbe hingegen nicht.
Private Kunden können sich also darauf verlassen, dass Gas fließt?
In der Notfallstufe kann das keiner sagen. Damit es aber nicht dazu kommt, wird eben jetzt bereits so viel Vorsorge wie nur möglich geleistet.
Wenn Sie Gas heute als Versorger kaufen, liegt der Preis achtmal so hoch wie Mitte 2021. Wie wirkt sich das auf die Preise für Ihre Kunden aus?
Unser Gaspreis hat sich nicht verachtfacht. Das liegt daran, dass wir einen Mischpreis kalkulieren. Einen Teil unseres Gases haben wir langfristig schon vor drei, vier Jahren zu niedrigeren Preisen erworben. Diese günstigen Käufe ermöglichen uns, die teuren Käufe der letzten Monate für unsere Kunden abzumildern. Aus dem langfristig niedrigeren und dem kurzfristig höheren Preis ergibt sich der Mischpreis.
Müssen sich Ihre Kunden auf höhere Preise für Gas einrichten?
Leider ja. Wir gehen davon aus, dass die angespannte geopolitische Lage mindestens bis Ende 2022 anhält.
Sie kaufen Gas zu sehr hohen Preisen, können diese Preise aber nicht 1:1 an Ihre Kunden weitergeben. Was hat das für Auswirkungen für die Stadtwerke?
Die Preise steigen bereits seit Mitte 2021 enorm, seit Kriegsbeginn erneut stark. Grundsätzlich können wir unsere Gaspreise erhöhen und höhere Preise an unsere Kunden weitergeben. Aber es gibt gesetzliche Vorgaben: die Kunden müssen sechs Wochen vorher informiert werden, im Unternehmen selbst sind mit jeder Preisveränderung die Abrechnungssysteme mit den neuen Daten zu füttern. Es braucht also Zeit, bis von unseren Kunden die höheren Preise zurückfließen an uns. Diese Zeit müssen wir durch zusätzliche Kredite überbrücken, um die nötige Liquidität zu sichern. Und diese Situation stellt alle Versorgungsunternehmen vor enorme Herausforderungen.
Der Verband kommunaler Unternehmen hat deswegen einen Schutzschirm für Stadtwerke gefordert, der große Gasverkäufer Uniper hat um Staatshilfe gebeten. Benötigen die Stadtwerke Görlitz Hilfe vom Staat?
Ich bin grundsätzlich dafür, dass der Markt die Dinge regeln soll. Wenn aber die Notfallstufe erklärt wird, dann gibt es diesen Markt nicht mehr. Dann könnten die großen Gashändler wie Uniper uns die hohen Preise in Rechnung stellen, weil sie sich dann nicht mehr an vertraglich vereinbarte Preise halten müssen. Das würde aber eine enorme Preislawine loslösen, die am Ende beim Kunden landet. Der kann aber eine solche Preissteigerung nicht leisten, Forderungsausfälle wären die Folgen, die wiederum die Stadtwerke in die Bredouille bringen können. Deswegen wäre es in einem solchen Fall gut, wenn der Staat helfen könnte, die Gas-Importpreise zu stabilisieren. Dann würde diese Lawine nicht losgetreten. Das alles ist aber der schlechtest anzunehmende Fall, von dem wir nicht hoffen, dass er eintritt.
Spüren Sie jetzt schon, dass Ihre Kunden die höheren Preise nicht mehr bezahlen können?
Wir sehen einen leichten Anstieg bei den Zahlungsausfällen. Ob sie gravierend zunehmen, werden wir aber erst am Ende des Jahres feststellen können. Aber wir erwarten schon größere Forderungsausfälle.

Das geplante Ersatzkraftwerksbereitstellungsgesetz sieht zudem vor, dass in einem Notfall kein Gas mehr für die Stromversorgung verwendet werden darf. Sie betreiben vier Blockheizkraftwerke, wo sie Gas verbrennen, um Strom und Wärme zu erzeugen. Das gilt in Normalzeiten als höchst effizient und kostensparend. Könnten Sie Gas durch Heizöl ersetzen?
Ja diese Möglichkeit haben wir, aber natürlich wird der Einsatz von Heizöl wiederum die Kosten in der Fernwärme erhöhen. Klar ist aber: Die Versorgungssicherheit für unsere Wärmekunden ist gewährleistet.
Trotzdem wünschen Sie sich diese Situation nicht.
Natürlich nicht. Denn in den Blockheizkraftwerken erzeugen wir auch 60 Prozent unseres Stroms. Das könnten wir mit Heizöl nicht tun. Wir müssten dann diese 60 Prozent Strom auf dem freien Markt sehr teuer kaufen und das würde die Strompreise nach oben treiben.
Spüren Sie, dass die Menschen schon Energie sparen?
Spüren ja. Die Achtsamkeit beim Energieverbrauch hat zugenommen, sicher auch beim Wasserverbrauch. Das Thema wird ja auch medial transportiert, das finde ich auch gut. Denn wir müssen mehr sparen, damit wir mit weniger Gas über die Runden kommen. Beziffern kann man diese Einsparungen aber erst Ende des Jahres, wenn die Abrechnungen durch sind. Wir bieten jedenfalls bei den Stadtwerken Beratungen an, um Energie zu sparen. Jede Kilowattstunde, die wir einsparen, hilft uns im Herbst und Winter.
Wie bedrohlich ist die Lage für die Stadtwerke Görlitz?
Wir haben als Versorgungswirtschaft so eine Krise noch nie erlebt. Aber als Unternehmen sind wir gut aufgestellt und stabil, wir haben mit Veolia einen starken Partner, der uns bei der Liquidität unterstützt. Die Stadt Görlitz hat ebenso Hilfe zugesichert. Das gibt uns in dieser nicht einfachen Lage ein gutes Gefühl.