Jörg Daubner hat schon in der Obermühle mitgearbeitet, als er 13 war. Damals, 1999, begann seine Mutter Susanne Daubner, ihren nach der Wende zurückerworbenen Familienbesitz allmählich wiederzubeleben. Mit einem Bootsverleih an der Görlitzer Neiße, einer Brauerei, einem Restaurant, alles Schritt für Schritt. Ihr jüngerer Sohn war immer dabei.
Dass Jörg Daubner den Betrieb einst übernehmen würde, konnte er sich damals noch nicht vorstellen. "Ich wollte Tischler werden", sagt der 34-Jährige, der heute Inhaber der Obermühle ist und damit Betreiber eines Restaurants, Hotels, Bootsverleihs, einer Brauerei, Mitbetreiber einer Solidarischen Landwirtschaft, Veranstalter und Inhaber einer Großküche, die immer mehr Görlitzer Kinder mit Mittagessen versorgt.
Stiller Inhaberwechsel
So wie Jörg Daubner gibt es viele unter 40-jährige in Stadt und Kreis Görlitz, die jetzt Unternehmen führen, wichtige Positionen in der Gesellschaft erklimmen und ganz nach oben kommen: Schleichend fast und ein wenig unbeobachtet ist ein Generationenwechsel in Gang gekommen, der beinahe überall zu beobachten ist. Die jungen Macher, die die Region in den nächsten Jahrzehnten prägen werden, stehen im Mittelpunkt einer neuen SZ-Serie, die mit diesem Porträt beginnt.

"Wir haben unseren Betreiberwechsel 2016 nie groß bekannt gemacht", sagt Jörg Daubner. "So konnte ich langsam in die Aufgabe hineinwachsen." Zum einen hatte das Hochwasser von 2010 dem Unternehmen einen schweren Schlag versetzt. Zum anderen lag es nahe, da ihr Sohn kein Tischler geworden war, sondern Koch, dass er irgendwann einsteigen könnte.
Gelernter Gourmetkoch
Jörg Daubner hatte sich nach seinem Abitur 2004 am Annengymnasium und seinem Zivildienst am Städtischen Klinikum auf verschiedene Ausbildungsstellen beworben. Es war die Zeit, als junge Leute kaum damit rechneten, in Görlitz bleiben zu können. "Das mit dem Tischler wurde nichts, weil ich entweder überqualifiziert war oder nicht gut genug", sagt er. Bei den Deutschen Werkstätten Hellerau in Dresden etwa habe er keine Chance gegenüber den Kindern von Tischlermeistern gehabt, die dem Handwerk von früh an zugeschaut hatten.
Vom Kochen aber verstand er als Sohn einer Restaurantbetreiberin mehr als andere. Obwohl er sich beruflich von seinem älterer Bruder, der bereits Koch war, gern mehr unterschieden hätte, bewarb sich Jörg Daubner in verschiedenen Hotelrestaurants. Im Berliner Hotel Intercontinental in der Nähe des Ku'damms wurde er gern genommen und im Gourmetrestaurant des Hotels zum Koch ausgebildet.
Von Berlin über Asien nach Görlitz
Mit 24, nach einigen Jahren als Alleinkoch im Berliner Café und Restaurant "Strandbad Mitte" in der Nähe des Hackeschen Markts, entschied er sich, doch noch zu studieren, Hotelmanagement vielleicht. "Davon hielt mich ein Berliner Taxifahrer ab, der schon einiges studiert hatte und meinte, damit würde ich mich zu sehr festlegen", erzählt Jörg Daubner. "Ich solle doch lieber Wirtschaft studieren, aus Vernunft, und Sozialwissenschaft oder Philosophie, fürs Herz."
Kurz nachdem er im Sommer 2010 mitgeholfen hatte, die Obermühle durch die schlimmsten Hochwasserschäden zu bringen, bekam er seine Zusage von der Universität Potsdam für BWL und Philosophie. Im Rahmen dieses Studiums verließ er seine Branche 2013 für ein halbes Jahr und arbeitete in Asien für eine Firma, die regenerative Energien erschloss. In Bangladesch, Indien, Thailand und Vietnam wurde er als Scout eingesetzt, der in neue Standorte für Biogasanlagen fand.
Mit dieser Erfahrung, der langjährigen Tätigkeit als Koch und dem Bachelorabschluss nahm in Görlitz die Idee Gestalt an, dass Jörg Daubner zukünftig die Obermühle führen könnte. Bereits 2012 hatte er seine Mutter eine Zeit unterstützt, ihre Restaurantkarte weiter in Richtung gesunde, regionale Küche verändert und neue Lieferanten dafür gefunden.
Als Inhaber viel verändert
2016 übernahm er die Obermühle. Da war seine kleine Tochter ein Jahr alt und er zog mit seiner Frau, der Tänzerin und Choreografin Rosalind Masson, nach Görlitz. Als Restaurantinhaber verfolgte er das Konzept der gesunden, nachhaltigen regionalen Küche konsequent weiter.
Seitdem hat sich in der Obermühle viel verändert. "Schon im Studium fand ich alles, was mit Personalführung zu tun hat, interessant", sagt Jörg Daubner. Hier setzte er an, als er das Unternehmen nach und nach neu aufstellte. Flache Hierarchien, Begegnung auf Augenhöhe und ein Arbeitsstil, der die Kollegen Verantwortung übernehmen lässt, sind dafür Stichworte.

"Wenn ein Mitarbeiter ein Problem hat, möchte ich nicht, dass ich es lösen muss, sondern dass er eigene Ideen dazu hat", sagt Jörg Daubner, "denn er ist es, der sich am besten mit seiner Arbeit auskennt." Anfangs sei der neue Stil nicht für alle Mitarbeiter einfach gewesen. "Aber seit etwa zwei Jahren sind wir ein stabiles Team, in dem jeder weiß, was er zu tun hat und die Anforderungen auch erfüllen kann."
Nachhaltig mit eigener Landwirtschaft
In dieser Zeit hat Jörg Daubner auch vieles andere geschafft. 2018 gründete er mit drei befreundeten Gärtnern das Unternehmen "Rainkost", eine solidarische Landwirtschaft für Unternehmen, die in diesem März den Innovationspreis Tourismus des Landkreises erhielt. Inzwischen beziehen neun Görlitzer Hotels, Restaurants und Cafés frisches Gemüse vom Biesnitzer Rainkost-Feld.
Ebenfalls seit 2018 gibt es das Watermill-Festival auf der Insel der Obermühle, das in diesem Sommer coronabedingt ausfiel. Aber wenigstens einige Cocktail-Abende konnten stattfinden.
In diesem Jahr übernahm die Obermühle die Essensversorgung mehrerer Görlitzer Kitas. Kochte sie zunächst in der Küche des früheren Vino e Cultura, ließ Jörg Daubner nun in der Obermühle eine neue große Küche einbauen, wo ab Januar rund 800 Essen für Görlitzer Kitakinder und ihre Betreuer zubereitet werden.
Konsequent bleiben
Und so wächst das Unternehmen Obermühle weiter Schritt für Schritt. "Wichtig ist mir der ganzheitlich Ansatz des Unternehmens in Bezug auf Produktverwertung, Ressourcenschonung und nachhaltige ökologische Prozesse", sagt Jörg Daubner. Dazu zählt nicht nur das regionale, gesunde Essen, sondern auch der Strom, den eine Wasserkraftanlage an der Neiße liefert, das Ausfahren des Kinderessens in E-Autos oder die Verarbeitung ganzer Tiere in der Küche.
Um das Unternehmen auf allen Ebenen nachhaltig zu gestalten, gehört es für ihn auch dazu, konsequent zu bleiben: "Wenn jemand ein Buffet bestellt und sagt, er möchte es lieber ohne regionale Zutaten und dafür billiger, sage ich ab." Auch dass er nicht für mehr als 1.000 Kinder kochen werde und nicht mehr als 15 Hochzeitsfeiern im Jahr annehme, stehe für ihn fest.
"Ich bin dankbar, dass ich in Görlitz all diese Dinge umsetzen kann", sagt Jörg Daubner, "und froh, dass es so gekommen ist." In Berlin hätte er nie ein eigenes Feld bestellen können. Und nie so nachhaltig wirtschaften, wie es in der Obermühle, im alten Familienbesitz, möglich ist.