Zwischen 23 und 5 Uhr verschwinden zahlreiche Dörfer sozusagen von der Landkarte. Weil die Straßenlaternen abgeschaltet werden, ist es finster in den Orten.
Seit dem ersten Advent ist es in den Gemeinden im Landkreis Görlitz nicht so dunkel wie sonst zwischen November und März. Denn überall setzen Einwohner mit leuchtenden Sternen und Bäumen Lichtpunkte ins Dunkel der Nacht, weil sie die Weihnachtsbeleuchtung nicht abschalten, wenn sie zu Bett gehen. Es sind zum Großteil die einzigen Lichter in den Dörfern.

Abschaltung war lange eine Kostenfrage
Seit vielen Jahren ist es in den Gemeinden und ihren Ortsteilen im Landkreis üblich, die Straßenbeleuchtung nachts abzuschalten. Das ist lange Zeit eine Kostenfrage gewesen. Denn mehr als 30 Prozent des gesamten kommunalen Energiebedarfs können allein durch die Straßenbeleuchtung verursacht werden. Deren Anteil an den kommunalen Energiekosten ist entsprechend hoch. Und so sind in den vergangenen Jahren in den Gemeinden die Bemühungen groß gewesen, Energie einzusparen - einerseits durch nächtliche Abschaltung der Straßenbeleuchtung, andererseits durch den Einsatz von neuer Lichttechnik. Vor allem LED-Leuchtmittel, die wenig Strom verbrauchen, ersetzen alte und mittlerweile auch jüngere Natriumdampf-Hochdrucklampen. Diese Art der Beleuchtung stellte 1994 in Sachsen mit 82 Prozent den Großteil der Straßenbeleuchtung.

Nach der Wende gingen die Kommunen daran, auch die Straßenbeleuchtung zu modernisieren. Die breite Palette der verfügbaren Lösungen traf in Sachsen auf einen interessanten zeitlichen Umstand, wie der vor einigen Jahren herausgegebene sächsische Planungsleitfaden Straßenbeleuchtung feststellt: In den Jahren zwischen 1993 und 1998 wurden in Sachsen viele Lichtpunkte erneuert. Die ersten dieser Leuchten hatten ab etwa 2018 ihre betriebsübliche Nutzungsdauer erreicht und wurden ersetzt. Zeitgleich ergaben sich Neuordnungen der Straßenbeleuchtungsverträge aufgrund auslaufender Konzessionen. Das gab die Chance, die Straßenbeleuchtung sukzessive auf einen effizienten Stand zu bringen.
Reichenbach nutzte Fördermittel
Das tat die Stadt Reichenbach und nutzte vor etlichen Jahren ein spezielles Förderprogramm. Sowohl in Reichenbach als auch in den Ortsteilen wurde die Straßenbeleuchtung auf den modernsten Stand gebracht. Seither bezahlt die Stadt etwa 50.000 Euro jedes Jahr für die Straßenbeleuchtung als Dienstleistung an den sächsischen Energieversorger Enso. In Reichenbach wird die Straßenbeleuchtung in der Zeit von 23 bis 5 Uhr nicht abgeschaltet, sondern gedimmt. "Das merkt man kaum", sagt Ralf Bengs vom Sachgebiet Bauunterhaltung im Reichenbacher Rathaus. In den Ortsteilen erfolgt die Dimmung von 22 bis 5 Uhr. Dabei wird der Stromverbrauch pro Lampe um etwa 20 Watt reduziert.
Das Reichenbacher Rathaus selbst hat wenig mit der Straßenbeleuchtung zu tun. "Tritt eine Störung auf, ist sie spätestens drei Tage nach deren Meldung bei der Enso behoben", erklärt Ralf Bengs. In diesem Jahr gab es bislang 20 Aufträge wegen Störungen. Als 2014 Sohland am Rotstein zu Reichenbach kam, wurde auch dort die Straßenbeleuchtung erneuert. Doch so mancher Sohländer findet, dass man eine bessere Lösung hätte finden können, als die formschönen alten Lampen durch "hässliche" neue zu ersetzen.
Königshain geht anderen Weg
Die Gemeinde Königshain geht einen anderen Weg. Hier wartet die Firma Elektro-Lindner die Straßenbeleuchtung. Von 23 bis 5 Uhr wird abgeschaltet. Das läuft über Zeitschaltuhren. Und deswegen ist nicht das ganze Dorf auf einen Schlag finster, sagt Firmeninhaber Frank Wieland. Ober- und Unterdorf werden mit einer Zeitverzögerung von wenigen Minuten dunkel, je nach Einstellung der Uhr, erklärt er.
In Rothenburg und den Ortsteilen Steinbach, Lodenau, Neusorge, Bremenhain, Nieder Neundorf, Geheege und Uhsmannsdorf gehen nachts die Laternen aus, aber nicht alle. Die Straßenbeleuchtung ermöglicht weiter eine Orientierung. An Kreuzungen, Parkplätzen und Bushaltestellen beispielsweise bleibt das Licht an. Laufend werden Straßenlaternen erneuert und mit stromsparender LED-Lichttechnik ausgerüstet. "Aber wir sind damit lange noch nicht fertig", betont Bürgermeisterin Heike Böhm. Dass sich daran sehr schnell etwas ändert, glaubt sie nicht, denn der kommunale Haushalt für das nächste Jahr sei schon jetzt mit rund 800.000 Euro überzeichnet.
In Kodersdorf ist eine nächtliche Durchfahrt derzeit wegen der Weihnachtsbeleuchtung besonders schön. An der Hauptstraße, der B 115, bleiben die Laternen auch nachts an, während sie an anderen Straßen nachts Pause haben.
Mehr Licht zu Weihnachten
In der Gemeinde Markersdorf und ihren sieben Ortsteilen gehen die Straßenlaternen pünktlich 23 Uhr aus, morgens ab 5 Uhr leuchten sie wieder. Diese Abschaltung resultiere noch aus der Zeit, als man damit noch Strom und somit erhebliche Kosten sparen konnte, erklärt Bürgermeister Thomas Knack. Jetzt seien Einsparpotenziale beim Strom durch die Nachtabschaltung kaum noch vorhanden, denn moderne LED-Leuchten verbrauchen nicht viel Strom. Deswegen "leistet" es sich die Gemeinde Markersdorf seit wenigen Jahren, die Straßenbeleuchtung über Weihnachten bis ins neue Jahr hinein durchweg nachts leuchten zu lassen. Warum dann aber nicht das ganze Jahr diese Praxis, wenn die Einsparpotenziale nicht ins Gewicht fallen?
"An diesem Thema scheiden sich die Geister", sagt der Bürgermeister. Nachts abschalten oder nicht, habe schon zu Diskussionen in den Ortschaftsräten und im Gemeinderat geführt. Ein Teil der Einwohner möchte es nachts dunkel haben. Die Menschen schlafen über Nacht und brauchen kein Straßenlicht, außerdem gebe es schon genug Lichtverschmutzung sind nur zwei Argumente. Andere Einwohner freuen sich über die nächtliche Beleuchtung, weil sie Schichtarbeiter sind und oft spät nach Hause kommen oder früh zeitig los müssen. Und so mancher Markersdorfer sieht die nächtliche Beleuchtung auch als eine gewisse Abschreckung gegen Diebe.