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Görlitzer Hausbesitzer zahlen die Zeche doppelt

Straßenausbaubeiträge und Grundsteuer belasten die Eigentümer in Görlitz. In anderen Städten sieht das ganz anders aus.

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© nikolaischmidt.de

Von Ingo Kramer

Thomas Sander hat Grund zur Freude – und doch auch nicht. Dass die obere Jakobstraße saniert worden ist, findet der Besitzer des Hauses Nummer 20 toll. Dass es jetzt neue Medienanschlüsse gibt, darunter auch für die Breitbandversorgung, möchte er nicht mehr missen. „Aber auf der anderen Seite muss ich viel Geld dafür bezahlen“, sagt der 51-Jährige. 10 000 Euro Straßenausbaubeiträge, so lautet die offizielle Vorabinfo der Stadt. „Dazu kommen bei mir noch 6 000 Euro für Reparaturen, Anschlusskosten und Kellerlichtschachtabdeckung“, rechnet er vor. Und nicht zuletzt zahlt er regelmäßig seine Grundsteuer. Der Hebesatz liegt in Görlitz bei 500 Prozent und damit höher als in anderen Städten.

Für den Haus- und Grund-Verein ist die Doppelbelastung ein Unding. „Wir fordern beides, eine Senkung der Grundsteuer und eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“, sagt Vorsitzender Bernd Schliebitz. Die Straßen nutzen schließlich alle, nicht nur die Eigentümer: „Da sollten auch alle gleichmäßig bezahlen.“ In Eibau habe er dem Bürgermeister vor Jahren einen Blumenstrauß überreicht, als dieser als einer der ersten in Ostsachsen die Beiträge abgeschafft hat. In Görlitz habe er Gespräche mit dem vorigen und dem jetzigen Oberbürgermeister geführt, auch mit den Stadtratsfraktionen. „Sie haben das zur Kenntnis genommen, aber sonst keine Reaktion gezeigt“, so Schliebitz. Mehr könne er nicht tun. Aktuell führe er keine Gespräche: „Es gibt ja keinen neuen Sachstand.“

Baubürgermeister Michael Wieler bestätigt, dass die Stadt die Beiträge abschaffen könnte: „Es gibt kein Gesetz, das uns daran hindert.“ Allerdings werde bei Kommunen mit angespannter Haushaltslage erwartet, dass sie auf keine Einnahmen verzichten. Das gilt auch für die Grundsteuer. So macht Wieler keine Hoffnung, dass sich demnächst etwas ändert. „Die Beiträge nicht mehr zu erheben, wäre auch unfair gegenüber den Hausbesitzern, die sie in den vergangenen Jahren zahlen mussten“, sagt Wieler. Und außerdem: Es gibt noch viele Straßen, die saniert werden müssen. Verzichte die Stadt auf die Beiträge, habe sie noch weniger Geld zur Verfügung, um den Investitionsstau abzuarbeiten.

Der städtische Tiefbau- und Grünflächenamtsleiter, Torsten Tschage, hätte beinahe eine gute Nachricht für die Hausbesitzer gehabt. „Es gibt eine neue Richtlinie des Freistaates für kommunalen Straßen- und Brückenbau“, sagt er. Die besagt, dass der Freistaat seinen Anteil an der Finanzierung erhöht. Anfangs sah es so aus, als ob die Anlieger dadurch günstiger wegkommen. „Bei genauerer Betrachtung mussten wir dann aber feststellen, dass nicht die Grundstückseigentümer entlastet werden, sondern die Kommunen“, sagt Tschage. Für Hausbesitzer ändere sich also gar nichts.

Im Übrigen sei mit der Neuregelung die Berechnung noch schwieriger geworden. So hatte die Stadt beispielsweise im Vorjahr ausgerechnet, dass die Anlieger der Bahnhofstraße insgesamt 220 000 Euro zuschießen müssen, wenn demnächst der Abschnitt zwischen Brautwiesenplatz und Salomonstraße ausgebaut wird. „An dieser Zahl wird sich noch einiges ändern“, sagt Tschage. Zumindest teilweise könnten die Eigentümer davon profitieren, denn eventuell werde der neu geplante Kreisverkehr jetzt rausgerechnet. Allerdings lasse sich selbst das nicht pauschal sagen, sodass Tschage eben noch keine konkreten Zahlen für die Bahnhofstraße nennen kann. Insgesamt hatte die Stadt in ihrer Finanzplanung für die Jahre 2015 bis 2019 die Straßenausbaubeiträge für elf Straßenbauvorhaben errechnet. Alles in allem sollten die Anwohner 2,4 Millionen Euro zahlen. „Das muss jetzt aber alles noch einmal neu berechnet werden“, sagt Tschage.

Anders sieht es nur aus, wenn Straßen in einem der vier Görlitzer Sanierungsgebiete ausgebaut werden. Dort ist die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ausgeschlossen. Dafür haben die Grundstückseigentümer nach Abschluss der Sanierung einen Ausgleichsbetrag zu entrichten. Dessen Höhe aber steht auch noch nicht fest.

Thomas Sander muss also in den sauren Apfel beißen und den Beitrag zahlen. Das Geld dafür hat er voriges Jahr erwirtschaftet. „Leider durfte ich aber voriges Jahr noch nicht bezahlen“, sagt er. So hat es das Finanzamt als Gewinn betrachtet – und er musste zusätzlich rund 1 000 Euro Einkommenssteuer darauf zahlen.