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Göttsberger sichert Graetzsches Haus

Der Besitzer der Mandaukaserne will sich auch in der Zittauer Innenstadt engagieren. Ein Nutzungs- und Refinanzierungskonzept gibt es noch nicht.

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© Matthias Weber

Von Thomas Mielke

Mancher Autofahrer stöhnt angesichts der seit August gesperrten Lindenstraße über die Kurverei durch die Innenstadt. Doch die Baustelle dient einem guten Zweck: Der neue Eigentümer, Thomas Göttsberger aus Ostritz, lässt die Gebäude um das Graetzsche Haus zwischen Innerer Weber- und Lindenstraße notsichern. Begonnen hat er mit der Rückseite, der Lindenstraße 11.

...des Gebäude-Ensembles um das Graetzsche Haus in der Inneren Weberstraße.
...des Gebäude-Ensembles um das Graetzsche Haus in der Inneren Weberstraße. © Jens Böhme

Das Graetzsche Haus gehört mit seinen Nebengebäuden wie der Lindenstraße 11 zu den bedeutendsten Barock-Ensembles der Stadt und ist exakt vor 300 Jahren fertiggestellt worden. Ein Lüneburger Kaufmann ließ es auf dem Grundstück eines ehemaligen Bierhofes errichten. Das 60 Meter tiefe Durchhaus mit einer breiten Durchfahrt und zwei Höfen ermöglichte einen regen Handelsverkehr mit Kontoren, Lagerräumen und Stallungen. In den Obergeschossen zeugten prächtig ausgestattete Wohnräume vom Wohlstand des Besitzers.

Die Lindenstraße 11 ist bereits 1712 erbaut, vor 152 Jahren aufgestockt worden und bekam so ihr heutiges Aussehen. Fast. Denn inzwischen hat der Zahn der Zeit derart an dem Gebäude genagt, dass es schief und krumm war und „der Giebel einzustürzen drohte“, wie Thomas Göttsberger sagt. Der Ostritzer ist in Zittau vor allem als Besitzer der Mandaukaserne bekannt. In seinem Wohnort sitzt er im Stadtrat und besitzt eine ganze Reihe von Immobilien. Außerdem engagiert sich der Finanzbeamte unter anderem in den Stadtforen Görlitz und Zittau, die vehement für den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude eintreten.

Der Erhalt des Graetzschen Hauses samt Nebengebäuden in seiner historischen Form ist auch Göttsbergers Motiv für den Kauf gewesen. „Ich habe mich bereiterklärt, auch was für die Innenstadt zu machen“, sagt er mit Blick auf die Mandaukaserne. Zudem wäre es schlimm, wenn eines der Lindenstraßenhäuser einfiele, denn noch sei der Straßenzug intakt.

Im November 2016 hat Göttsberger das leerstehende Gebäude im Zentrum erworben, nur kurz nach dem Kauf des monumentalen Denkmals am Martin-Wehnert-Platz. Zuvor hat das Haus Peter Wünsche gehört, der ursprünglich aus der Gegend stammte, früh mit den Eltern nach Westdeutschland zog und dort als Unternehmer erfolgreich war. Wegen enger verwandtschaftlicher Beziehungen in der Region hatte er sich ein Häuschen in Jonsdorf ausgebaut und das prächtige Kaufmannhaus in Zittau zur Sanierung erworben. Der Bauantrag für das Projekt mit Wohnungen, Läden und Arztpraxen war 2011 laut früherer Angaben Wünsches bereits genehmigt worden. Woran die Umsetzung scheiterte, ist unklar. Wünsche, inzwischen im Rentenalter, war für eine Anfrage der SZ nicht zu erreichen. Neu-Besitzer Göttsberger sagt nur zur Notsicherung: „Er wollte es nicht mehr machen und hat einen Käufer gesucht“. Der Ostritzer hat eigenen Angaben zufolge über die Stadt von Wünsches Verkaufsabsichten erfahren.

400 000 Euro soll die Notsicherung des gesamten Graetzschen Ensembles laut Stadtentwicklungsgesellschaft kosten. Maximal 250 000 Euro davon bekommt Göttsberger als Fördermittel. Die Stadt schießt diesmal aber kein Geld zu. Wie sich Göttsbergers Anteil einmal refinanzieren soll, weiß der Ostritzer noch nicht. Er hat bisher kein Nutzungskonzept. Wohnungen favorisiert er nicht, weil das Gebäude-Ensemble dann für die Öffentlichkeit kaum noch zugänglich wäre. „Wünschenswert wäre eine öffentliche Nutzung“ sagt er.

Göttsberger hat an der Lindenstraße 11 seit Mai unter anderem Deckenbalken austauschen, die barocken Schornsteinköpfe originalgetreu wieder herstellen und das Dach abdichten lassen. Die Suche nach Ziegeln hätte ihn viel Zeit gekostet, sagt er. Denn er habe 300 Jahre altes sogenanntes Barockbiber zusammengesucht. Wie lange die Notsicherung noch dauert, weiß Göttsberger nicht. „Das ist witterungsabhängig“, sagt er. Bis es so weit ist, wird die Lindenstraße wegen der Baustelle noch gesperrt bleiben müssen.