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Grieche ist Spitzenkandidat in Deutschland

Vor vier Jahren war Gianis Varoufakis noch griechischer Finanzminister in einer der wohl schwierigsten Phasen des Landes. Bei der Europawahl tritt er nun in Deutschland an. 

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Gianis Varoufakis, früherer Finanzminister von Griechenland, kandidiert in Deutschland für die Europawahl am 26. Mai als Spitzenkandidat der Vereinigung "Demokratie in Europa".
Gianis Varoufakis, früherer Finanzminister von Griechenland, kandidiert in Deutschland für die Europawahl am 26. Mai als Spitzenkandidat der Vereinigung "Demokratie in Europa". © dpa/Paul Zinken

Von Marc Niedzolka und Takis Tsafos

Berlin. Zwischen überwiegend älteren Menschen spaziert Gianis Varoufakis durch die Straßen am Berliner Stadtrand. Hochhäuser prägen das eher triste Bild hier in Lichterfelde-Süd. Rund zwei Dutzend Leute, Mitglieder eines örtlichen Aktionsbündnisses und Anhänger seiner Ideen, zeigen ihm das Viertel. Es sieht an diesem grauen Samstag nicht nach der großen politischen Bühne aus für den ehemaligen griechischen Finanzminister. Dabei hat er Großes vor.

Varoufakis kandidiert in Deutschland für die Europawahl am 26. Mai als Spitzenkandidat der Vereinigung «Demokratie in Europa» - einem deutschen Ableger seiner europäischer Bewegung «Democracy in Europe Movement 2025» (Diem25). Wie das geht? Der Linkspolitiker hat nach eigenen Worten einen Wohnsitz in Berlin. Ohne diesen dürfte er als Bürger eines anderen EU-Landes am 26. Mai nicht für eine deutsche Bewegung antreten.

Varoufakis war einmal eine große Nummer. Als Finanzminister brachte er seine europäischen Partner auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise mit seinen linken Theorien oft zur Weißglut. Immer wieder geriet der Ökonomieprofessor mit seinen EU-Kollegen aneinander - auch und vor allem mit dem deutschen Ressortchef Wolfgang Schäuble. Doch seit seinem Rücktritt im Sommer 2015 spielt «der Mann mit dem großen Ego», wie ihn viele griechische Medien nennen, kaum noch eine Rolle in der Politik seines Heimatlandes. In den Umfragen wird der griechische Ableger der Bewegung praktisch nicht gemessen.

Sein Selbstbewusstsein hat der 58-Jährige trotzdem nicht verloren. «Wir sind die erste seriöse, transnationale, progressive Bewegung», sagt Varoufakis. Er glaubt, ein Gefühl für die Probleme der Menschen in Deutschland zu haben, «so wie es auch viele meiner deutschen Kollegen mit den Problemen in Griechenland haben, ohne in Griechenland zu leben». Eines der Probleme sei die Wohnungsnot in Großstädten.

Um Wohnungspolitik geht es auch bei seinem knapp einstündigen Rundgang durch das Viertel im Berliner Süden. Varoufakis sagt, er sei oft in der deutschen Hauptstadt. Wie oft genau, das will er nicht verraten.

Mehrere ältere Leute wollen ein Foto mit Varoufakis machen. Er gibt sich locker und scheint diese Momente der Aufmerksamkeit zu genießen. Am Vormittag hat er bereits an einer Konferenz mit Politikern und Künstlern in Berlin teilgenommen - nur wenige hundert Meter vom Bundestag entfernt.

Doch was treibt ihn an - und wie stehen seine Chancen? Nach eigenen Worten will Varoufakis mit seiner Kandidatur in Deutschland unter anderem deutlich machen, dass es keinen Konflikt zwischen Deutschland und Griechenland gibt. Hauptgrund für seine Kandidatur sei aber, «dass Europa zu zerfallen droht». Ein Zerfall würde in ganz Europa «politische Monster» von der rechten Seite hervorbringen.

Die Chancen auf einen Sitz im EU-Parlament dürften jedoch gering sein für Varoufakis und seine Bewegung - auch wenn es in Deutschland bei der Europawahl anders als in anderen Ländern keine Sperrklausel gibt. Bei der Wahl vor fünf Jahren reichten beispielsweise der Satirepartei «Die Partei» lediglich 0,6 Prozent der Stimmen für einen der insgesamt 96 deutschen Sitze im Parlament. Varoufakis will nicht darüber spekulieren, welches Wahlergebnis seine Bewegung in Deutschland bekommt. (dpa)