Merken

Griechenland kann auf neues Geld hoffen

Im Sommer braucht Athen Milliarden, andernfalls droht erneut die Staatspleite. Die EU-Finanzminister zeigen sich willig, weil die Griechen bis an die Schmerzgrenze sparen.

Teilen
Folgen
© Harm Bengen

Von Detlef Drewes, SZ-Korrespondent in Brüssel

Wenn von 19 Finanzministern des Euro-Raums mehr als die Hälfte zu Beginn einer Sitzung „die Fortschritte der letzten zwei Wochen“ loben, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass man tatsächlich vorangekommen ist. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und viele andere taten genau das, als sie am Dienstag zur ihrer lange erwarteten Sitzung über die Lösung der Griechenland-Krise in Brüssel eintrafen.

Schäuble ging sogar noch weiter: „Ich gehe davon aus, dass wir heute eine Einigung im Grundsatz erreichen.“ Athen kann endlich wieder hoffen. 21,4 Milliarden Euro des dritten Rettungspaketes über insgesamt 86 Milliarden sind inzwischen ausgegeben. Spätestens im Juli muss die nächste Tranche von gut fünf Milliarden fließen, um Forderungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu bedienen.

Erst am Wochenende hatte das griechische Parlament die letzten Auflagen erfüllt: Weitere Sparmaßnahmen, die 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen sollen, wurden verabschiedet – unter anderem wird am 1. Juni die Mehrwertsteuer auf Getränke und viele Lebensmittel von 23 auf 24 Prozent angehoben. Die Preise für Heizöl, Internet, Mobiltelefone, Zigaretten und Alkohol steigen. Sogar Kaugummis kosten dann mehr. Touristen müssen ab 2018 eine Übernachtungspauschale bezahlen. Die Geldgeber zeigten sich zufrieden. Ein paar technische Details müssen wohl noch geklärt werden, dann können die 19 nationalen Parlamente – darunter auch der Bundestag – die Auszahlung absegnen. „Das dürfte jetzt weitgehend automatisch geschehen“, hieß es in Brüssel. Aufatmen auch im Kreis der Finanzminister.

Sachte runter von den Schulden

Doch das Wort vom „Durchbruch“ mochte am Dienstag noch niemandem wirklich über die Lippen kommen. Denn die Beschlüsse aus Athen reichen dem IWF nicht, um endlich seinen Teil am dritten Rettungspaket zu übernehmen. „Es ist aber keine Option, ohne den IWF weiterzumachen“, betonte Dijsselbloem, und auch Schäuble unterstrich, dass es ohne den Washingtoner Fonds „kein Programm geben wird“. Der fordert aber nicht nur von Athen Zusagen, sondern auch von den Euro-Partnern. Die sollen umfassenden Schuldenerleichterungen zustimmen.

Schon am Wochenende waren die Details durchgesickert. Demnach will der IWF Athen erlauben, mit den Rückzahlungen der insgesamt drei Kredite mit insgesamt rund 330 Milliarden Euro erst 2040 zu beginnen. 2080 sollen dann alle Schulden beglichen werden. Der Zinssatz wird auf 1,5 Prozent gesenkt.

Ziel soll es sein, den Schuldenberg erkennbar zu senken, damit das Land schnell wieder an den Kapitalmarkt zurückkehren kann. Für viele Euro-Länder sind solche Erleichterungen „durchaus denkbar“, wie in Brüssel betont wurde. „Aber sie müssen auch politisch durchsetzbar sein“. Soll heißen: Es gibt keinen Schuldenschnitt, was einem Verzicht auf geliehenes Geld gleichkäme, sondern lediglich eine Streckung der Darlehen.

Damit könne sich wohl auch die Bundesregierung anfreunden, mutmaßte ein hochrangiger deutscher Diplomat am Dienstag. Noch zögern die Geldgeber aber, eine solche weitreichende Einigung einfach durchzuwinken. Dabei standen die Minister unter massivem Druck, die Causa Griechenland an diesem Dienstag endlich abzuschließen. EU-Ratspräsident Donald Tusk, der schon vor Wochen eine Einigung bis zum Ende des Monats gefordert hatte, drohte mit einem Sondergipfel der Euro-Staats- und Regierungschefs, falls die Minister sich in der Nacht zum Mittwoch nicht einigen würden.

Auf derartige Drohungen reagiert die Eurogruppe normalerweise empfindlich. Denn Entscheidungen über die Währungsunion sind eigentlich ihre Sache.