Von Eric Weser
Gröditz. Das Harmonium hat Sabine Jerchel retten können. Eigentlich sollte das historische Tasteninstrument mit dem dunklen Holzkorpus ja entsorgt werden. Aber die Standesbeamtin machte sich dafür stark, dass das beschädigte Stück aus einer städtischen Trauerhalle aufgearbeitet wird und einen Platz im Dreiseithof bekommt.
Mit den hellen Vollholz-Möbeln, den erdfarbenen Teppichen und dem silbernen Dekoschmuck bildet es nun das Interieur des neuen Trauzimmers, das die Stadt im Fachwerkhaus des Dreiseithofs eingerichtet hat. Derzeit laufen dort die letzten Arbeiten. Wenn die Deckenspots installiert, die Musikanlage eingebaut und die Schutzverpackung von den letzten Filzsitzkissen abgemacht ist, kann es losgehen mit den Eheschließungen.
Dass das rustikale Ambiente mit den modernen Akzenten bei den Heiratswilligen ankommt, da ist die erfahrene Standesbeamtin optimistisch. Schließlich hätten in der Kulturscheune des Dreiseithofs 2017 schon drei Trauungen in ähnlichem Flair stattgefunden, erzählt Sabine Jerchel. Was eine Art Notlösung war, weil im Rathaus gebaut wurde, schlug ein. Die Scheune ist allerdings winterkalt – und damit keine Dauerlösung als Standesamts-Außenstelle.
18 Anmeldungen für 2018
Das neue Trauzimmer bietet indes selbst dann kuschlige Temperaturen fürs Brautpaar, den Standesbeamten und reichlich 25 Gäste, wenn draußen Minusgrade herrschen. Zwar fänden die meisten Trauungen im Sommer statt, sagt Sabine Jerchel, weshalb sogar Eheschließungen auf der Obstwiese neben der Scheune denkbar seien. „Aber man braucht ja auch eine Ausweichmöglichkeit, wenn es regnet.“ Auch deshalb gibt es das neue Trauzimmer.
Wer die bäuerliche Atmosphäre im Dreiseithof nicht mag, kann weiterhin im Rathaus-Trauzimmer heiraten. Nur der Ratssaal werde nicht mehr für Eheschließungen angeboten, sagt Sabine Jerchel. Wer einander in einem großen Saal ehelichen wolle, könne das aber trotzdem, denn einen solchen gibt es auch im Dreiseithof.
Viele Traustätten-Optionen also, mit denen sich die Stadt dem Wettbewerb auf dem Trauungsmarkt stellt. Auf dem werden in den letzten zwei, drei Jahren die freien Trauungen immer beliebter, beobachtet Sabine Jerchel. Das Jawort bei diesen Zeremonien ist zwar rechtlich nicht bindend. Dafür können Braupaare, anders als im Amt, Abläufe nach Belieben gestalten und an ausgefallenen Orten Ja sagen. Zum Beispiel im Heißluftballon oder am Elbufer.
Um gesetzlich getraut zu sein, kommen Paare zwar auch ins Amt, doch das werde von einigen als notwendiges Übel neben der freien Trauung gesehen. Eine Entwicklung, die Sabine Jerchel kritisch sieht. Dass der Gang ins Standesamt zum reinen Verwaltungsakt verkommt, gefällt ihr nicht. Sie sähe gern, dass die Tradition einer feierlichen amtlichen Trauung weiterlebt. Es sei wichtig, dass die Würde der Eheschließung vorm Gesetz erhalten bleibe, es gehe schließlich um eine Entscheidung von großer Tragweite. Um den behördlichen Akt zu einem festlichen Ereignis zu machen, nimmt die Standesbeamtin sich daher eine Stunde Zeit für jede Zeremonie und hält auf die Brautpaare zugeschnittene Reden.
Auch das neue Trauzimmer im Dreiseithof soll helfen, Heiratswillige vom Reiz einer Standesamts-Trauung zu überzeugen. Noch im April soll dort das erste Paar in den Bund der Ehe eintreten, verrät Sabine Jerchel. Viele weitere sollen folgen.