Lebenslange Haftstrafen für Großenhainer Mordkomplott

Dresden. Das Urteil ist dann doch eine kleine Überraschung. Das Schwurgericht verurteilt alle vier Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen: Sie haben die grausame Tat gemeinsam geplant und gemeinsam durchgeführt. Der 38-jährige Dirk W. aus Großenhain hatte sterben müssen, weil er seiner inzwischen von einem anderen Mann schwangeren Ehefrau Stefanie W. (33) im Wege stand.
Nach dem knapp neunmonatigen Prozess verfolgen mehr als 30 Zuschauer am Mittwoch im Landgericht Dresden das Ende dieses spektakulären Falls. Die meisten waren aus Großenhain angereist, Angehörige des Opfers oder der Angeklagten. Nicht alle halten bis zum Ende durch, können offensichtlich kaum ertragen, was der Vorsitzende Richter ausführt.
Richter Herbert Pröls spricht von einem geplanten Mord, einer grausamen Tat, einem qualvollen Leiden Dirk W.s, der bis zu seinem Tod etwa zwei Tage schwer verletzt in einem einsamen Waldstück gelegen hatte. Mehrfach betont der Vorsitzende die Empathielosigkeit der Angeklagten, die immer wieder zum Tatort zurückgekehrt waren, um weiter Gewalt gegen den 38-Jährigen auszuüben. Die Reinigungskraft und vierfache Mutter Stefanie W. lebte im Frühjahr 2020 getrennt von ihrem Ehemann und war wieder schwanger, mit Zwillingen. Im Mai lernte sie den Mitangeklagten Stefan B. (30) kennen und war mit ihm oft bei einem befreundeten Pärchen – Andreas R. (53), der mit S. in der Landwirtschaft arbeitete, und Anke F. (52). Es floss viel Alkohol, wenn die vier Großenhainer feierten – und dabei ihren Mordplan ausheckten.
Am Sonnabend, 13. Juni 2020, hatte Stefanie W. ihren Ehemann Dirk abends zum Rahmenplatz in Großenhain bestellt. Er könne dort seinen Sohn sehen, hatte sie ihm geschrieben. Dirk W. sei es wichtig gewesen, seinem Sohn ein guter Vater zu sein. Tatsächlich jedoch wurde der 38-Jährige dort gewaltsam in ein Auto gezerrt und in ein einsames Waldstück zwischen Medessen und Zottewitz entführt. Die Angeklagten R. und B. haben dort nach Überzeugung des Gerichts "sofort" auf den 38-Jährigen eingetreten und auf ihn auch mit einem Baseballschläger eingeschlagen.
Anschließend ließen sie ihr schwer verletztes Opfer dort einfach liegen. Pröls: "Es stand von Anfang an fest, dass Dirk W. getötet wird." Wann genau der 38-Jährige seinen massiven Schädelbrüchen und anderen Verletzungen erlag, konnte auch in dem Prozess nicht geklärt werden.

Habgier, Heimtücke, Grausamkeit
Stefanie W. habe ihre Mittäter manipuliert, indem sie etwa wahrheitswidrig behauptet habe, sie werde von ihrem Mann seit Jahren geschlagen. "Der muss weg", habe sie mehrfach gesagt. Sie habe von dem Sterbegeld in Höhe von 17.000 Euro gesprochen, das sie als Witwe erhielte. Mit dem Geld planten die vier, gemeinsam einen Bauernhof zu kaufen und zu bewirtschaften. Wenn noch etwas übrig bliebe, könnte man gemeinsam in den Urlaub fahren, sollen sich die beiden Paare ausgemalt haben. Stefan B., frisch verliebt, habe sich als Stefanie W.s Beschützer und Verlobter gesehen. Ihm sei das Geld weniger wichtig gewesen als eine Zukunft mit der Frau.
Anke F. habe zwar lediglich an der Entführung mitgewirkt, sei aber in die Mordpläne eingeweiht gewesen und habe sie mitgetragen. Auf der Fahrt in den Wald habe sie auf W. eingeschlagen. Ihr Tatbeitrag zu dem Mord sei daher keine Beihilfe mehr, sagt Pröls. Die Angeklagte hatte sich offenbar in der Untersuchungshaft verquatscht, als sie einer Mitgefangenen sagte, Stefanie W. habe "uns alle betrogen".

Als Mordmerkmale nennt das Gericht Habgier, Heimtücke und Grausamkeit. Bei Stefanie W. zudem niedere Beweggründe. Für sie und Andreas R. stellen die Richter zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Das schließt eine Entlassung vor mindestens 20 Jahren Haft aus.
Stefan B. und Anke F. können nach 15 Jahren auf eine vorzeitige Entlassung hoffen. Für diese mildere Entscheidung spricht bei Anke F. ihre geringere Beteiligung und für B. seine Aufklärungshilfe. Er hatte als Einziger gestanden und sich dabei nicht geschont. Am Freitag, 19. Juni, 2020, als die Polizei noch hoffte, den von Stefanie W. vermisst gemeldeten Dirk W. lebend zu finden, habe er der Polizei erheblich geholfen, die Tat aufzuklären. In jener Nacht wurde Dirk W.s Leiche gefunden – und seitdem sitzen alle vier Täter in Haft.
Heftige Auseinandersetzungen
In dem hitzig geführten Prozess, oft gab es lautstarken Diskussionen zwischen Verteidigern und dem Vorsitzenden, wurden rund 60 Zeugen und fünf Sachverständige vernommen. Am Ende hat das Gericht keinen Zweifel mehr. Die Angeklagten seien gegenüber Bekannten teilweise "sehr offenherzig" mit der Tat umgegangen, so Pröls. Unter anderem hatten sie Fotos des Verletzten und den blutverschmierten Baseballschläger gezeigt oder Andeutungen gemacht, die man nicht missverstehen konnte, sagt Pröls. Möglicherweise sei gegen Zeugen zu ermitteln, die Dirk W. wider besseren Wissens nicht geholfen hatten.

Die Staatsanwaltschaft hatte für B. wegen seiner Aufklärungshilfe knapp 15 Jahre Haft gefordert und für Anke F. zehn Jahre wegen Mordes durch Unterlassen. Die Verteidiger von Stefanie W. und Andreas F. forderten Freisprüche aufgrund von Verfahrensfehlern, B. sei etwa nicht korrekt belehrt worden. Stefan B.s Verteidigerin plädierte auf zwölf Jahre wegen seiner Aufklärungshilfe, und für Anke F. wurden drei Jahre Haft gefordert.
Richter Pröls erwidert auf die Kritik, die Aussage des 30-Jährigen sei verwertbar, B. sei belehrt worden und habe aussagen wollen. Diese Tat sei ein Paradebeispiel dafür, Fehler zu provozieren. Die Verteidiger kündigen eine Revision des Urteils an.