Naturerlebnisbad ist ein Internet-Renner

Großenhain. Michael und Paul Eckhardt sind hart im Nehmen. Außentemperatur 16 Grad Celsius? Wasser vier Grad mehr? Kein Problem! Seit einer halben Stunde verlustieren sich Papa und Sohn in den Fluten, die sie aufgrund des regnerischen Wetters an diesem Nachmittag für sich allein in Anspruch nehmen können. In der Nähe von Kassel lebend, sind die Beiden momentan zu Besuch bei Verwandten und wollen allen dunklen Wolken zum Trotz erleben, was der im Großenhainer Land aufgewachsene Michael schon als Kind geliebt hat: einen Sommertag im städtischen Bad verbringen.
Ein Ansinnen, was allen meteorlogischen Unkenrufen zum Trotz offenbar viele Badelustige verspüren. Abgesehen davon, dass auch ohne brütender Hitze, Hundstage und Dauersonnenschein bereits über 17.000 Besucher - im vergangenen Jahr waren es zu Saisonende 23.286 - verbucht werden konnten, ist das bis 2019 neu gestaltete und 2020 zum zweitschönsten Bad Deutschlands ausgezeichnete Bad inzwischen auch ein Internetrenner.
Das Areal, welches die jüngsten Gäste mit einem extra Becken, einer mobilen Rutsche, einer Sonnensegelüberdachung nebst gemütlichen Plätzen für die Eltern lockt und mit einer Breitwellenrutsche in den Nichtschwimmerbereich, unter anderem drei 50-Meter-Bahnen, einem 2,50 Meter hohen Sprungfelsen, Liegewiesen, einem Bistro und vielen sportlichen Betätigungen punkten kann, ist deutschlandweit begehrt. Bisher, so Rathaussprecherin Diana Schulze, sei das beliebte Ausflugsziel in Nähe der Innenstadt bei Google-Maps 40.724 aufgerufen und 4,2 von fünf möglichen Sternen vergeben worden.

Bewertungen, die wiederum für Tilo Hönicke Anreiz sind, auch noch den fünften Stern zu vollenden. Großenhains Stadtbaudirektor macht beim Rundgang durch das augenscheinlich blank geputzte Bad keinen Hehl daraus, dass an dieser oder jener Stelle sogar die Corona-Pandemie zu kleinen Verbesserungen beitragen konnte. Sei es für Schwimmmeister Martin Lehmann und sein engagiertes Team zur verspäteten Saisoneröffnung im Juni zunächst ein Mehraufwand gewesen, etwa alle Kontrollen entsprechend der Schutzbestimmungen durchzuführen, hätten sich die notwendig gewordenen mobilen Umkleidekabinen oder die vor zwei Jahren ohnehin eingebaute Schiebetür im Bistro jedoch absolut in dieser Zeit bewährt. "Wir haben durch die Krise auch neue Inspirationen bekommen, an denen wir auch künftig festhalten werden", bekennt Tilo Hönicke.

Der 61-Jährige gerät regelrecht ins Schwärmen über das Bad, für dessen Umbau er in der Vergangenheit mehrfach öffentliche Kritik einstecken musste und zu dessen technischer Funktionsweise beziehungsweise gestalterischer Anlage er immer noch bedingungslos steht. Ein Kleinod, dessen Regenerationsteich nach mehr als zehn Betriebsjahren im Jahr 2015 verschlissen war. Die Leitungen drückten an die Wasseroberfläche und die Pumpen schafften die notwendige Leistung nicht mehr, so dass die Wasserumwälzungen zum Problem wurden. „Einige dieser Probleme und deren Folgen konnten wir immer durch den großen persönlichen Einsatz der Angestellten bewältigen. Aber damals waren wir an einem Punkt angelangt, wo das eben nicht mehr ging“, erinnert sich Tilo Hönicke.
War das Strandbad nach der Wende opulente 10.000 Quadratmeter groß, wurden mit der schrittweisen Verschlankung auch die eine oder andere Schwierigkeit gelöst. 1992 war die Wasserfläche das erste Mal reduziert worden. Seitdem wurde auf lediglich 6.600 Quadratmetern geplanscht. 2001 folgte dann der Umbau zum ersten großen Naturbad in Sachsen. Um die Biologie im Umlauf und im Gleichgewicht zu halten, schrumpfte die Schwimmfläche auf 3.000 Quadratmeter, 2.000 Quadratmeter wurden zum Regenerationsteich mit Grünpflanzen. 2017 schließlich die nächste wässrige Diät - auf 1.800 Quadratmeter Badefläche.

Eine nicht immer auf offene Ohren gestoßene Schrumpfkur, die dem Bad jedoch bekäme. "Wir hatten keine andere Chance", betont Tilo Hönicke und zeigt lächelnd auf all das, was nach der Neueröffnung durchaus für viel Zuspruch aus Großenhain und Umgebung sorge. Ein positives Feedback, auf dem man sich jedoch keineswegs ausruhen wolle. Dazu lege den Stadtvätern sowie Schwimmmeister Martin Lehmann und seiner Mannschaft das Freizeitdomizil viel zu sehr am Herzen. "Im Regenerationsbecken sind hin und wieder zu viele Algen. Das müssen und wollen wir in Zusammenarbeit mit Biologen, Hydrologen und Bautechnikern im kommenden Jahr noch besser in den Griff bekommen", verrät Tilo Hönicke.
Bis es jedoch soweit ist, dürfe sich noch bis zum Ende der laufenden Saison am 15. September nach Lust und Laune im Wasser getummelt werden. Geöffnet ist jeden Tag von 10 bis 19 Uhr, am Wochenende sogar ab neun. Allerdings: Sollte die Sonne sich jedoch gar nicht hervor wagen und nicht solche enthusiastischen Bader wie Michael und Paul Eckhardt vorbeikommen, werde freilich auch schon mal eher geschlossen.