Großenhain. Der Weg hinein führt in eine andere Welt. Fort von der Baustellenatmosphäre, welche das Areal An der Elmobrücke trotz aller Bemühungen von neuen Eigentümern und Nutzern noch immer ausstrahlt. Verständlicherweise sind im Gelände, das seit dem Frühjahr erst mit Leben erfüllt wird, noch mehrere Handwerker zugange.
Im Haus Nummer 1 haben diese ihre Arbeiten indes bereits erfolgreich abgeschlossen. Zumindest im sogenannten ersten Bauabschnitt. Es riecht nach frischer Farbe und die zahlreichen Zimmer laden mit einer sichtlich bewusst ausgewählten Einrichtung zum Verweilen ein. Sachliche Büromöbel? Der sterile Charme einer Arztpraxis oder ausschließlich funktionale Behandlungsräume? Alles Fehlanzeige!
Im Bildungsinstitut und Therapeutischen Zentrum BITZ des Regionalverbandes Volkssolidarität Elbtalkreis-Meißen e.V. wurden eindeutig andere Kriterien zugrunde gelegt. Sich von Anfang an gesehen und willkommen zu fühlen, steht offenbar ebenso im Vordergrund wie bereits an der Eingangstür die häufig vorhandene Hemmschwelle ablegen zu dürfen. „Wer zu uns kommt, hat nicht selten bereits eine sehr sorgenvolle Zeit hinter sich“, gibt Loreen Liepelt zu bedenken.
Nicht erst Monate auf eine Behandlung warten
Wer der ausgewiesenen Spezialistin für Autismus zuhört, hat schnell das gute Gefühl, dass sich die Hoffnungen der Ratsuchenden erfüllen werden. An der Seite von Einrichtungsleiterin Simone Großmann möchte das stetig wachsende Team aus Ergotherapeuten, Heilpädagogen, Logopäden, Physio- und Psychotherapeuten ein breites Gesamtangebot für kleine und große Patienten machen.
In enger Zusammenarbeit mit den in Großenhain und Umgebung niedergelassenen Kinderärzten sowie Hausarztpraxen könne der Traum vom schnellen Behandlungstermin deshalb tatsächlich wahr werden. „Es ist vor allem eines unser wichtigsten Anliegen, schnell Hilfe und Unterstützung bieten zu können“, betont Simone Großmann.
Gleich nun, ob in Form einer notwendigen Diagnostik, dem Beginn einer ärztlich verordneten Therapie, der Abklärung bisher unklarer Symptome beziehungsweise Verhaltensmuster oder einfach nur der Möglichkeit, sich erst mal den Kummer von der Seele reden zu können. Im Gegensatz zu sogenannten Sozialpädiatrischen Zentren in Dresden oder Chemnitz sollten die Patienten nicht erst Monate auf eine dringend benötigte Behandlung warten müssen.
Ganz im Gegenteil! Im Haus wäre deshalb gemäß dem bewährten Konzept der Volkssolidarität von vornherein gebündelt worden, was es für die gesunde Entwicklung, Körper und Seele der Heranwachsenden, aber auch ihrer betroffenen Angehörigen, Erzieher und Lehrer benötige. Ebenso wie im 2015 eröffneten Diagnostik- und Beratungszentrums (DBZ) Radebeul, habe man auf dem Großenhainer Areal eine weitere Anlaufstelle für Frühförderung und die Verknüpfung mehrerer Therapieformen mit ganz eigenem Profil geschaffen. Darüber hinaus gebe es umfangreiche Weiterbildungsangebote für Erzieher, Lehrer und Pädagogen, die fachlich auf den Umgang mit besonderen Kindern und Jugendlichen abgestimmt seien.
Patienten aus dem Landkreis Meißen, die etwa ein Rezept für Ergo-, Logo- oder Physiotherapie hätten, könnten zudem problemlos vorstellig werden. Darüber hinaus auch all jene, die ein solches noch nicht besitzen. „Unser oberstes Prinzip ist generell erst mal, die Familien bei uns ankommen zu lassen, aufzufangen und dann gemeinsam zu schauen, was wir tun können“, betont Simone Großmann.
Bedarf an Therapie ist gestiegen
In besonderen Situationen könne das auch schon einmal rasches Handeln erfordern. Dass die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Sozialamt Meißen, der Stadt Großenhain und zahlreichen Ärzten der Region eng geknüpft ist, erweise sich dabei als hilfreich. Nicht zuletzt wegen des funktionierenden Netzwerkes an kompetenten Partnern wäre das Zentrum seit 1. Juli - wenn auch die Bereiche Logo- und Physiotherapie momentan erst noch im Aufbau begriffen seien und die Ergotherapie im Wachsen begriffen wäre - gut angelaufen.
„Um es weiter mit Leben erfüllen zu können, freuen wir uns über motivierte Fachkräfte, die zusammen mit uns dieses Herzensprojekt anpacken möchten. Denn der Bedarf an Therapien und Förderung ist insbesondere bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren enorm gestiegen“, bekennt Manuela Jürß. Schritt für Schritt, so die erfahrene Sachgebietsleiterin Kindereinrichtungen des Regionalverbands, sollen deshalb die Kapazitäten vergrößert und ausgewählte Fachbereiche - auch zur Weiterbildung für Eltern und Pädagogen - angesiedelt werden.
Dass mit der stellvertretenden BITZ-Leiterin, Loreen Liepelt, in Großenhain beispielsweise eine Therapeutin tätig ist, welche über jahrelange Erfahrung hinsichtlich der Arbeit mit autistischen Kindern und Jugendlichen verfüge, darf wohl als glücklicher Umstand betrachtet werden. Zu wenige Angebote gebe es für Betroffene und ihre Angehörigen. Vor allem die Betreuung von jungen Erwachsenen und älteren Menschen mit diesem Krankheitsbild sei im Freistaat Sachsen nur geringfügig abgesichert.
Allerdings: Wer einmal den Weg ins Therapiezentrum An der Elmobrücke gefunden hat, wird sich schnell bewusst werden, in eine andere Welt gelangt zu sein. Eine, in der Menschen achtsam tätig sind, um für andere Menschen da zu sein. Mit Kompetenz und - ganz viel Herz.